Überlebende konstatieren schwindendes Wissen zur Schoah

Wie kommentieren Überlebende des Holocaust die aktuellen Entwicklungen der Gesellschaften in Europa? Am Vorabend des Gedenkens zur Befreiung vom Nationalsozialismus haben sich gestern Abend zwei Überlebende der Schoah bei einem Abend im Wiener Haus der Geschichte nicht nur ihrer eigenen Überlebensbiografie gestellt. Im Gespräch mit der „Süddeutsche Zeitung“-Korrespondentin und früheren „Standard“-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid erinnerten die Zeitzeugen Eva Umlauf (76) und Bertold Amnon Klein (91) an ein schwindendes Wissen um die Hintergründe des Holocaust und einen wieder erstarkenden „offenen Antisemitismus“.

Drei Personen während eines Interviews
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Eva Umlauf, Alexandra Föderl-Schmid und Bertold Amnon Klein im Haus der Geschichte

Die Aufarbeitung der Geschichte des eigenen Überlebens und der Hintergründe der Schicksale der eigenen Familie beschreibt Umlauf als eine „grausame Form, Klarheit zu bekommen“. Amnon Klein, der noch Erlebnisse vor dem „Anschluss“ rekapitulieren konnte, erinnerte bei seinen Ausführungen daran, dass die Täter-Opfer-Biografien oft durch die eigenen Familien liefen. Klein und seine Mutter konnten sich zwei Wochen nach dem Einmarsch Hitlers durch Bürgschaften von Verwandten in den USA die Ausreisegenehmigung sichern. Der Vater blieb zurück und wurde von den Nazis ermordet.

Migration und Blockade

Klein berichtete von den Irrfahrten als Flüchtling über die Meere und die Erfahrungen mit restriktiver Migrationspolitik: Die Flucht vor den Nazis hatte Mutter und Sohn über Frachtschiffe über die Donau zum Schwarzen Meer geführt und über das Passagierschiff „Atlantic“ nach Palästina. Die Blockade der Briten, neue jüdische Immigranten nach Palästina kommen zu lassen, führte Mutter und Sohn auf eine Irrfahrt bis nach Mauritius, wo Kleins Mutter an Typhus starb.

Beide Überlebende des Holocaust haben sich gemeinsam mit 23 anderen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen ihren Erfahrungen in dem jüngst erschienenen Erinnerungsbuch von Föderl-Schmid „Unfassbare Wunder.Gespräche mit Holocaust-Überlebenden in Deutschland, Österreich und Israel“ (Böhlau Verlag) gestellt.

„Ich denke an die Zeiten, aber ich denke immer an die Zukunft“, fasste Klein seine Haltung zum Überleben zusammen. Umlauf verwies für den Wunsch zu überleben auf die Traumaforschung: Manche hätten über das Prinzip der Resilienz ihr Überleben gemeistert. Allerdings, fügte Umlauf hinzu: „Erst wenn man seine Aufgaben im Leben hinter sich hat, kommen bei Überlebenden oft die Traumata retour.“

Studie zum Wissen rund um den Holocaust

Ein schwindendes Wissen über die Hintergründe des Holocaust und handelnden Personen der NS-Zeit konstatierte jüngst auch eine Studie im Auftrag der Jewish Claims Conference – mehr dazu in science.ORF.at.