Die Atomanlage in Bushehr, Iran
Reuters/Mehr News Agency/Majid Asgaripour
Ultimatum zu Atomabkommen

Iran zieht Daumenschrauben an

Zum Jahrestag des US-Ausstiegs aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran hat der iranische Präsident Hassan Rouhani einen Teilausstieg seines Landes aus der Vereinbarung bekanntgegeben. Nach Angaben der Nachrichtenagentur ISNA informierte Rouhani die Vertragspartner in einem Schreiben über die Entscheidung. Er stellte dabei ein Ultimatum und drohte mit neuer Urananreicherung.

Rouhani sagte am Mittwoch in einer im iranischen Fernsehen übertragenen Rede, den verbliebenen Unterzeichnerstaaten des Atomabkommens von 2015 sei eine Frist von 60 Tagen gesetzt worden. In dieser Zeit müssten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China wie zugesichert dafür sorgen, dass die iranische Öl- und Finanzindustrie vor den Folgen von US-Sanktionen geschützt werde. Andernfalls werde die Anreicherung von Uran wieder aufgenommen.

„Wir können ja nicht alleine ein internationales Abkommen umsetzen, wenn die Gegenseite das nicht tut“, so Rouhani am Mittwoch bei einer Kabinettssitzung in Teheran. Der Iran habe nach dem Ausstieg der USA ein Jahr geduldig gewartet, aber die anderen fünf Vertragspartner hätten den Deal nicht vertragsgerecht umsetzen können. Daher habe er in einem Schreiben seine Kollegen in China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Russland über die Entscheidung in Kenntnis gesetzt. Laut dem iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif ist das „die Reaktion auf die Unfähigkeit anderer Unterzeichner wie der Europäischen Union, dem Druck der USA standzuhalten“.

Irans Präsident Hassan Rouhani
AP/Iranian Presidency Office
Der iranische Präsident Hassan Rouhani setzte den verbliebenen Vertragsstaaten ein Ultimatum

Teheran sieht sich im Recht

Laut Rouhani ist nicht der Iran aus dem Atomdeal ausgestiegen, „sondern wir machen von unserem legitimen Recht Gebrauch, einem Vertragsbruch zu entgegnen“. Der Iran könne nicht einseitig ein Abkommen umsetzen und alle Kosten alleine übernehmen. „Nach dem Ausstieg der USA haben die anderen fünf Vertragspartner versucht, den Deal mit Medikamenten am Leben zu erhalten, aber wir glauben, dass eine chirurgische Operation nötig ist.“

In der ersten Phase des Teilausstiegs will sich Teheran nach Rouhanis Worten nicht mehr an die Abmachung halten, nur 300 Kilogramm Uran zu behalten und den Rest in ein Drittland zu schicken oder zu verkaufen. Auch die Beschränkungen für die Produkte aus dem Schwerwasserreaktor Arak sollen nicht mehr gelten.

Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif
Reuters/Carlo Allegri
Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif

IAEA könnte eingeschaltet werden

Nach Meinung von Beobachtern und Beobachterinnen sind die technischen Verpflichtungen des Iran in dem Deal jedoch klar. Sie müssten entweder eingehalten werden oder nicht. Ob sie auch „reduziert“ werden können, darüber müsste die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien entscheiden. Nach IAEA-Angaben hat sich der Iran seit Jänner 2016 an die Vereinbarungen gehalten, es wurden keine Verstöße gegen die Auflagen festgestellt.

Auch FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl sieht die IAEA am Zug. Bis jetzt habe man nur „Ankündigungen“, so Kneissl: „Wir brauchen aber Fakten, aus welchen Bereichen des Abkommens sich der Iran zurückziehen wird.“ Diesbezüglich warte man auf die Berichte der IAEA, schließlich sei sie die „Hüterin dieses Abkommens“.

Zudem sagte Kneissl vor dem Ministerrat, dass die Atomenergiebehörde „bislang immer“ darauf hingewiesen habe, dass der Iran seine Verpflichtungen aus dem Abrüstungsabkommen einhält. Wenn die IAEA jetzt Hinweise erlange, dass es zu Verletzungen gekommen ist, dann müssten die Inspektoren erst einmal in den Iran reisen. Sollten die Nachweise dann erbracht werden, liege der Ball beim UNO-Sicherheitsrat. „Dabei sprechen wir aber nicht von Aktionen, die in den kommenden 48 Stunden stattfinden werden“, so die Außenministerin.

Russland: Unverantwortliches Verhalten der USA

Russland wertete das iranische Vorgehen als Protest gegen die USA. Präsident Wladimir Putin habe wiederholt vor den unbedachten Schritten gewarnt, die Washington in Bezug auf den Iran gemacht habe, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Mittwoch in Moskau. „Und jetzt sehen wir, dass es erste Konsequenzen gibt.“ Russland werde aber weiterhin daran arbeiten, dass die Vereinbarungen eingehalten werden.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow betonte, dass die Lage für den Iran inakzeptabel sei. „Die Situation ist aufgrund eines unverantwortlichen Verhaltens der USA entstanden“, sagte er bei einem Treffen mit Sarif in Moskau.

Deutschland: Iran an den Taten messen

Frankreich schloss EU-Sanktionen nicht aus. „Das ist eines der Dinge, die geprüft werden“, sagte Verteidigungsministerin Florence Parly am Mittwoch in französischen Medien. Wenn die Verpflichtungen aus dem Atomvertrag nicht eingehalten würden, „stellt sich natürlich diese Frage“, betonte sie.

Die deutsche Regierung forderte derweil den Iran auf, nicht gegen das internationale Atomabkommen zu verstoßen. Deutschland wolle die Vereinbarung erhalten und werde seine Verpflichtungen voll erfüllen, solange das auch der Iran tue, sagte ein Sprecher des deutschen Außenministerium am Mittwoch in Berlin. Der Iran werde an seinem Handeln gemessen werden.

Der Regierungssprecher betonte, selbst eine teilweise Verletzung des Abkommens sei nicht akzeptabel. Er forderte den Iran auf, keine aggressiven Schritte zu unternehmen. Die deutsche Regierung werde das weitere Vorgehen mit den europäischen Unterzeichnern des Atomabkommens abstimmen. Die Äußerungen des Iran nehme man mit Bedauern zu Kenntnis. Das gelte auch für den Ausstieg der USA aus dem Abkommen vor einem Jahr, sagte der Sprecher. Das erschwere die Fortsetzung der Vereinbarung.

Netanjahu: Werden dem Iran keine Atomwaffen erlauben

China forderte alle am Atomdeal beteiligten Parteien auf, den Vertrag aufrechtzuerhalten und den darin festgeschriebenen Verpflichtungen nachzukommen. Das sei die Verantwortung aller Beteiligten, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking. China rufe überdies alle zur Zurückhaltung auf. Der Dialog müsse gefördert, eine Eskalation vermieden werden.

Israel wird dem Iran nach den Worten von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu keine Atomwaffen erlauben. „Heute Früh habe ich auf dem Weg hierher erfahren, dass der Iran beabsichtigt, sein Atomprogramm wieder aufzunehmen“, sagte Netanjahu am Mittwoch bei einer Zeremonie zum Gedenken an die Kriegstoten des Landes. „Wir werden dem Iran nicht erlauben, an Atomwaffen zu kommen.“ Israel wirft dem Iran seit Langem vor, nach Atomwaffen zu streben, was Teheran zurückweist.

USA planen bereits Sanktionsverschärfung

Aus den USA kommt indessen bereits die Ankündigung für weitere Sanktionen. Die USA seien noch nicht am Ende mit ihren Strafmaßnahmen, sagte Trumps Sonderberater Tim Morrison auf einer Konferenz in Washington. „Rechnen Sie damit, dass die Sanktionen bald kommen. Sehr bald.“

Morrison warnte zudem europäische Banken, Versicherer, Unternehmen und Investoren davor, über die Tauschbörse der Europäer die US-Sanktionen zu umgehen und Geschäfte mit dem Iran zu machen. Ein solches Engagement sei eine „sehr schlechte Unternehmensentscheidung“. Der Schritt der iranischen Führung, einen Teil des Abkommens auszusetzen, sei „nichts Geringeres als eine atomare Erpressung Europas“.

Pompeo macht für US-Position Stimmung

Die USA hatten bereits zu Monatsbeginn ihre Sanktionen gegen den Iran ausgeweitet. Seit dem 1. Mai müssen alle Länder mit Strafmaßnahmen rechnen, die Öl aus dem Iran importieren. Ausnahmen für einige wenige Abnehmer liefen zu diesem Datum aus. Zuvor waren Anfang April die iranischen Revolutionsgarden von den USA als Terrororganisation eingestuft worden. Im Gegenzug stufte der Iran die US-Truppen im Nahen Osten Ende April als Terroristen ein. In dem Gesetz wird die US-Regierung zudem als Förderer von Terrorismus bezeichnet.

US-Außenminister Pompeo überraschend im Irak

Grund für die überraschende Visite von US-Außenminister Mike Pompeo sei die wachsende Bedrohung durch das Nachbarland Iran und dessen Armee, heißt es.

US-Außenminister Mike Pompeo reiste nach seinem Überraschungsbesuch im Irak, bei dem das Thema Iran besprochen wurde, am Mittwoch nach London weiter. „Die Botschaft, die wir hoffentlich an die Iraner gesendet haben, bringt uns in eine Position der Abschreckung, in der die Iraner es sich zweimal überlegen werden, amerikanische Interessen anzugreifen“, sagte Pompeo. Die US-Geheimdienste gingen davon aus, dass Angriffe drohten. Auch darüber sollten in London Gespräche geführt werden.

USA verlegen Flugzeugträger in Richtung Iran

Der Nationale Sicherheitsberater der USA, John Bolton, hatte am Sonntag angekündigt, dass die Amerikaner als militärische Warnung an den Iran den Flugzeugträger „USS Abraham Lincoln“ und eine Bomberstaffel in Richtung Iran verlegen. Den genauen Ort der Stationierung ließ er offen. Auch Details zu den Hintergründen nannte die US-Regierung nicht.

Bolton begründete das Vorgehen mit „einer Reihe beunruhigender und eskalierender Anhaltspunkte und Warnzeichen“, auf die man nun reagiere. Die USA wollten eine „klare und unmissverständliche Botschaft an das iranische Regime senden, dass jedem Angriff auf die Interessen der Vereinigten Staaten oder auf die ihrer Verbündeten mit unerbittlicher Kraft begegnet wird“. Konkreter wurde er nicht.

Aus dem Pentagon hieß es vage, es habe Hinweise gegeben, dass der Iran Vorbereitungen für mögliche Angriffe auf US-Kräfte in der Region getroffen habe. Zu Details äußerte sich die Regierung bisher nicht. Auch Pompeo wich Nachfragen dazu auf seiner Reise nach Bagdad aus.