Bundespräsident Alexander van der Bellen
APA/Georg Hochmuth
„Austausch“-Sager

Van der Bellen erinnert an NS-Gewalt

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat sich am Mittwoch erneut in der Debatte über den von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verwendeten Begriff „Bevölkerungsaustausch“ zu Wort gemeldet. „Der letzte großangelegte Feldversuch, homogene Bevölkerung herzustellen, war die deutsche Volksgemeinschaft der Nazis“, sagte Van der Bellen. „Das war natürlich nur mit Gewalt durchzusetzen.“

„Also wenn jemand im Ernst heute solche Begriffe verwendet, dann müsste er oder sie auch dazu sagen, mit welchen Methoden man denn so was durchsetzen wollte. Das geht nur mit Gewalt“, betonte Van der Bellen am Rande einer Begegnung mit Jugendlichen.

Van der Bellen hatte bereits in einem jüngst erschienenen Interview mit den österreichischen Kirchenzeitungen eine Verbindung dieses Begriffs zum Nationalsozialismus gezogen: „Das Letzte, was ich mir wünsche, wäre eine deutsche Volksgemeinschaft, wie sich das die Nazis vorgestellt haben.“

Begriff von Christchurch-Attentäter verwendet

Vizekanzler Strache verwendete Ende April in einem Interview mit der „Kronen-Zeitung“ das Wort „Bevölkerungsaustausch“. Trotz wiederholter und auch internationaler Kritik hielt er in Folge an dem etwa von den rechtsextremen Identitären gebrauchten Begriff fest.

Im Zusammenhang mit dem Wort „Bevölkerungsaustausch“ wird von rechten Parteien und Gruppierungen weltweit auch der Terminus des „großen Austauschs“ verwendet, dessen sich etwa der rechtsextreme Attentäter von Christchurch im Titel seines „Manifests“ bedient hatte.

Kurz: „Sachlich falsch“

Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sprach in der ZIB2 am Dienstag vergangener Woche von einem „Wort der Rechten“, das „nicht meinem Sprachgebrauch angehört“. Kurz wies den Begriff „Bevölkerungsaustausch“ zudem als „sachlich falsch“ zurück. Er verwende das Wort nicht, „weil das Wort impliziert, dass es einen Austausch gibt, was nicht richtig ist“, so der ÖVP-Obmann mit einer offenbar sehr wörtlichen Interpretation des Begriffs.

Gleichzeitig sagte Kurz, dass man derzeit eine „Massenmigration nach Europa“ erlebe – „aber keinen Austausch“. „Weil die Leute, die in diese Länder ziehen, können Sie an einer Hand abzählen.“ Er sei sich mit der FPÖ einig, „dass wir illegale Migration ablehnen“, so Kurz. Die ÖVP stehe dafür, dass der Staat darüber entscheidet, wer zuwandert und wer nicht. Er werde daher weiter gegen illegale Migration ankämpfen und gleichzeitig dafür sorgen, dass sich jene, die hier bleiben werden, integrieren.

Für Strache „Wortklauberei“

Man versuche, „mit Wortklauberei eine Diskussion über Realitäten zu verhindern“, sagte Strache vergangene Woche nach dem Ministerrat. Der „Bevölkerungsaustausch“ sei eine „Realität, und das kann man nicht leugnen“. Man könne die Tatsachen „gerne anders nennen und etwa von einer neuen Mehrheitsbevölkerung sprechen“. Es sei aber Realität, und „diese Debatte ist zu führen, und ich führe sie seit Jahren“, sagte der FPÖ-Chef.

Die FPÖ habe diesen Begriff „immer“ verwendet, auch als es die Identitären noch gar nicht gegeben habe, und was andere zur FPÖ sagen, interessiere ihn nicht, sagte Strache über die Kommentare des Chefs der rechtsextremen Identitären, Martin Sellner, zur FPÖ. „Wir stehen zu dem, was wir machen, und ich lasse mir den Mund nicht verbieten“, so Strache weiter. Die FPÖ lasse sich nicht ins rechtsextreme Eck drängen.

Kritik an Van der Bellens Aussage kam am Mittwoch von FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker. Dieser warf dem Bundespräsidenten per Aussendung vor, ausgerechnet „den Vizekanzler unserer Republik in den Nahbereich der Gräueltaten der Nationalsozialisten bringen zu wollen“. Die FPÖ stehe Hafenecker zufolge „für eine offene Diskussion und dies unabhängig von künstlich erzeugter Effekthascherei, die nämlich nur dazu dienen soll, Begriffe fälschlicherweise als ,rechtsextrem‘ zu diffamieren“.