Lufthansa-Flugzeug mit EU-Wahl-Werbung
Lufthansa/Oliver Roesler
Spotify bis Lufthansa

Firmen rühren Werbetrommel für EU-Wahl

Ein Flugzeug mit einem Bekenntnis zu Europa, ein blau-gelb bestrahlter Berliner Bahnhof, eine Spotify-Nachricht mit EU-Playlist an 70 Millionen Menschen: Zahlreiche Unternehmen werben derzeit für die Europawahl am 26. Mai. Freilich geht es dabei nicht nur um die Demokratie, sondern auch um wirtschaftliches Kalkül.

„Sag Ja zu Europa“ – das meint derzeit nicht nur die AUA-Mutter Lufthansa, sondern auch zahlreiche Unternehmen und Verbände. Vor allem deutsche. Zuletzt mahnte etwa der Deutsche Handelsverband: „Diese Europawahl ist womöglich die wichtigste seit Bestehen der Europäischen Union“ und rief dazu auf, „europäische Werte und den Wohlstand zu verteidigen“. Zu den Unterzeichnern gehören große Namen – etwa Ikea, die Zara-Mutter Inditex und Mediamarkt- und Saturn-Mutter Ceconomy.

Die Unternehmen positionieren sich nicht nur in der Öffentlichkeit, sie zielen damit nicht zuletzt auf ihre eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab. So haben Betriebsrat und Vorstand von VW die 490.000 europaweit Beschäftigten gemeinsam dazu aufgerufen, am 26. Mai wählen zu gehen. Passend dazu wurde am Donnerstag eine riesige europäische Flagge auf einem VW-Kraftwerk in Wolfsburg ausgerollt. „Volkswagen wählt Europa“, heißt es darauf.

Große Gesten

Aber auch in anderen großen Unternehmen, angefangen von der Telekom über die Deutsche Bank bis hin zur voestalpine, stellten sich Führungskräfte zuletzt hinter die Europäische Union. Auf die große (Symbol-)Geste setzte dabei die Deutsche Bahn (DB), offensichtlich einer der großen Profiteure offener Grenzen. Bis zur Wahl wird der Bahnhof Berlin allnächtlich in den Europafarben blau und gelb bestrahlt.

Berliner Bahnhof
APA/AFP/John Macdougall
Die Deutsche Bahn wirbt in Berlin

Dass gerade deutsche Firmen intensiv für die EU werben, ist angesichts der nackten Zahlen wenig überraschend. Laut einer aktuellen Bertelsmann-Studie hat Deutschland wie kein anderer Staat vom Binnenmarkt profitiert. Dieser zufolge habe Deutschland Einkommensgewinne von 86 Milliarden Euro erzielt. Vor allem Regionen mit starker Industrie und hoher Exportorientierung seien Gewinner, zudem Regionen mit starkem Mittelstand und Zulieferbetrieben, die viel in die EU exportieren.

Gerade für die Export- und Transportwirtschaft sind Abschottungen und Nationalismen nicht förderlich, entsprechend stark wird in diesen Branchen auch für den Binnenmarkt geworben. Dass allerdings so viele Unternehmen sich deutlich positionieren, überrascht auch Beobachter: Das habe er in dieser Form noch nicht wahrgenommen, sagte der Wissenschaftliche Leiter des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, Hubertus Bardt, der Nachrichtenagentur AFP.

Spotify will EU an die Urne bringen

Kaum Grenzen kennen ja bekanntlich Onlineplattformen. Doch auch diese mischen im EU-Wahlkampf mit. „Get Vocal, Europe“ (Dt.: „Verschaff dir gehör, Europa“), hieß es etwa beim Streamingdienst Spotify. Seit dem Europatag am Donnerstag erhält jeder User beim Start der App eine Nachricht, in der zum Wählen aufgerufen wird. Dazu passend gibt es eine Europaplaylist mit Künstlerinnen und Künstlern aus den EU-Staaten – Österreich ist mit Bilderbuchs „LED Go“ vertreten.

App „Get Vocal“ auf einem Smartphone
ORF.at/Christian Öser
Musikalische Wahlwerbung vom schwedischen Streamer Spotify

Die Reichweite der Kampagne ist beachtlich, die Nachricht wird an rund 70 Millionen Nutzerinnen und Nutzer ausgespielt. Das ist rund ein Sechstel aller Wahlberechtigten. Am Wahltag will das schwedische Unternehmen noch einmal an den Urnengang erinnern. Ziel sei es, die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Und im Blick stehen dabei wohl vor allem die Jungen: Mit einer EU-weiten Wahlbeteiligung von 28 Prozent waren sie jene Gruppe, die am seltensten ihre Stimme abgab.

Aus diesem Grund setzt das EU-Parlament bei der Mobilisierung bei der Wahl auch auf Influencer. Für den deutschsprachigen Raum wurden die Social-Media-Persönlichkeiten Alex Böhm (Alexi Bexi), Nadine Steuer (Kupferfuchs) und Lisa Sophie Laurent damit beauftragt, über YouTube und andere Plattformen für die EU-Wahl zu werben und verschiedene Aspekte der Europapolitik – namentlich Netzpolitik, Frauenpolitik und Umweltschutz – zu thematisieren. „Wenn die EU ein Kuchen wäre …“, heißt etwa ein Video aus der Kampagne.

Leuchten für den Datenschutz

Weniger für die Wahl denn für sich selbst und ihre Vertrauenswürdigkeit werben unterdessen Google und Facebook in Brüssel. Das Verhältnis zwischen der EU-Kommission und den großen Plattformen ist kurz vor der Wahl angespannt – unter anderem, weil die EU fürchtet, dass es auf Sozialen Netzwerken zu versuchter Einflussnahme und Desinformationskampagnen kommen könnte. Vor allem im EU-Viertel hängen derzeit in Bezug darauf zahlreiche Leuchtreklamen, auf denen die Onlinegiganten einen sorgsamen Umgang mit Daten während der Wahl und darüber hinaus beteuern.

Fotostrecke mit 2 Bildern

Google-Werbewürfel in einer U-Bahn-Station
ORF.at/Saskia Etschmaier
Markante Google-Werbung, mitten im EU-Viertel
Post-Its auf einem Google-Werbewürfel
ORF.at/Saskia Etschmaier
Allerdings nicht ohne Protest

„Wir schützen Informationen während Wahlen. Inklusive der am 26. Mai“, heißt es etwa auf einer Google-Werbung. „Wir arbeiten daran, Facebook sicher zu halten. Während der Zeit der Wahl. Und zu allen Zeiten“, verspricht eine andere Tafel.

Nicht übersehbar ist derzeit auch ein rund zwei Meter hoher Google-Leuchtkubus in der zentralen U-Bahn-Station des EU-Viertels. „Unsere sichere Browsing-Technologie schützt sie aus jedem Winkel“, heißt es darauf. Doch die Werbemaßnahme blieb nicht unkommentiert: Unbekannte haben mit Post-its kleine Protestnachrichten auf den Leuchtkörper geklebt. Eine davon: „Glaub uns!“