Ein Mann steht vor einem Panzer-Konvoi
Reuters
Tiananamen-Massaker

China sperrt Wikipedia vor Jahrestag

Die chinesischen Zensurbehörden haben kurz vor dem 30. Jahrestag des Tiananmen-Massakers die Zügel angezogen. Wikipedia ist in allen Sprachen gesperrt worden. Zuvor waren in China bereits Artikel auf Chinesisch gesperrt. Bis heute verschweigt Peking die Anzahl der Todesopfer der Protestbewegung 1989.

Die Onlineenzyklopädie war am Mittwoch in China überhaupt nicht mehr abrufbar. Die Sperre in sämtlichen Sprachen sei schon Ende April erfolgt, bestätigte Samantha Lien, Sprecherin der Wikimedia Foundation, laut Reuters.

Erstmals aufgefallen war die Blockade, als sich User in Sozialen Netzwerken darüber beschwerten, Wikipedia nicht erreichen zu können. Eine Prüfung durch GreatFire.org, eine Organisation, die sich mit der Zensur in China beschäftigt, ergab, dass die Sperre am 23. April verhängt wurde. Die Wikimedia Foundation wurde laut der Sprecherin im Vorfeld nicht benachrichtigt.

„Behörden haben Angst“

Ein Mitbegründer von GreatFire.org nannte die jüngste Sperrung „symbolisch“. „Die Inhalte, die wirklich zählen, sind die chinesischen Inhalte“, sagte Charlie Smith unter Verwendung eines Pseudonyms gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Die Maßnahme zeige jedoch „die Angst, die chinesische Behörden vor der Wahrheit haben“.

Das erneute Vorgehen gegen Wikipedia könne in Verbindung mit Übersetzungssoftware stehen, die es einfacher für Chinesen mache, sich Informationen über Wikipedia zu besorgen, erläuterte Smith. Fotos könnten auch tabu sein, „und es gibt keinen Mangel an Bildern mit Bezug zu den Tiananmen-Protesten auf Wikipedia“, fügte er hinzu.

Weitreichende Blockaden

Die Regierung in Peking kontrolliert das Internet rigoros, auch wenn das zunehmend schwieriger wird. Gesperrt ist etwa schon länger die Suchmaschine Google. Auch Netzwerke wie Facebook, Twitter, YouTube und WhatsApp sind blockiert – ebenso Nachrichtenseiten der „New York Times“, des „Wall Street Journal“ und aus Sicht der Zensoren politisch heikle und chinakritische Websites.

Wer die Blockaden umgehen will, braucht einen VPN-Tunnel (Virtual Private Network). Vor allem vor wichtigen politischen Ereignissen und für die Regierung heiklen Gedenktagen gehen die Behörden jedoch stärker gegen solche geschützten Verbindungen vor.

Blutiges Ende

Das Massaker auf dem Tiananmen-Platz, dem Platz des himmlischen Friedens, jährt sich in drei Wochen zum 30. Mal. Im Frühjahr 1989 hatten sich dort über Wochen hinweg Demonstrantinnen und Demonstranten versammelt und politische Reformen von der kommunistischen Führung gefordert. In der Nacht auf dem 4. Juni 1989 rollten Panzer an.

Das Militär eröffnete das Feuer auf die Demonstrierenden. Bis heute verschweigt die chinesische Regierung die wahre Zahl der Opfer. Es dürften jedoch mehrere hundert Tote gewesen sein. Tausende landeten in Gefängnissen oder Arbeitslagern.