Innenministerium (BMI) in der Wiener Innenstadt in der Herrengasse
ORF.at/Carina Kainz
Hausdurchsuchung

Opposition vermutet Warnung an Sellner

Der doch länger anhaltende E-Mail-Verkehr zwischen dem Chef der rechtsextremen Identitären, Martin Sellner, und dem späteren Attentäter von Christchurch beschäftigt nun auch die Innenpolitik. Kurz vor einer Hausdurchsuchung löschte Sellner die Nachrichten, was laut Opposition Fragen aufwirft. Zudem wurden weitere Spenden an die rechtsextreme Gruppe aus dem Umfeld der FPÖ bekannt.

Sellner bekam vergangenes Jahr eine Spende über 1.500 Euro vom rechtsextremen Australier Brenton Tarrant, der später Dutzende Menschen in Moscheen im neuseeländischen Christchurch tötete. Sellner hatte wiederholt betont, er habe sich danach per Mail für die Spende bedankt, weiter habe der Kontakt nicht gereicht. Laut einem Bericht der ZIB2 vom Dienstag gab es jedoch mehr Mail-Verkehr. Und: Wenige Stunden vor einer Hausdurchsuchung bei Sellner habe dieser die Mails gelöscht. Screenshots davon seien aber später auf Sellners Laptop gefunden worden.

Pilz recherchierte

SPÖ, NEOS und Jetzt verlangten am Mittwoch in der Folge Aufklärung durch das Innenministerium. „Es fällt mir angesichts der engen Verbindungen zwischen der FPÖ und den Identitären schwer, hier an einen Zufall zu glauben“, so SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda in einer Aussendung. Er fordere Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) auf, „dringend aufzuklären, ob Sellner möglicherweise vor der Hausdurchsuchung gewarnt wurde“, so Drozda. Die jüngsten Enthüllungen würden zeigen, „dass die ÖVP/FPÖ-Regierung bis zum Hals im Identitären-Problem steckt“.

Mails zwischen Sellner und Christchurch-Attentäter publik

Nachdem einige E-Mails zwischen Identitären-Chef Martin Sellner und dem Attentäter von Christchurch bekanntgeworden sind, stellt sich einmal mehr die Frage, wie eng die Kontakte waren.

Auch Jetzt-Mandatar Peter Pilz sieht den „Verdacht“ erhärtet, „dass die Hausdurchsuchung bei Sellner im März 2019 verraten worden sein dürfte“. Das würden „Akten, Zeugenaussagen und eigene Recherchen von Peter Pilz im Innenministerium“ bestätigen, erklärte der Abgeordnete in einer Aussendung. Er kündigte eine parlamentarische Anfrage an Kickl an.

NEOS: „Gefahr für Sicherheit der Republik“

Auch Stephanie Krisper von NEOS verlangte per Aussendung Informationen. „Die Verbindungen der FPÖ zu den Identitären hat Kanzler Kurz selbst erkannt. Sie sind ihm aber egal. Uns NEOS nicht, denn es geht hier um die mögliche Unterwanderung einer politischen Partei durch verfassungsgefährdende Kräfte. Das ist nicht nur inakzeptabel, dass ist eine Gefahr für die Sicherheit der Republik.“

Auch das Interesse des Innenministers an effizienten Ermittlungen sei zu hinterfragen, so Krisper. Im Geheimdienstausschuss müsse Einiges beantwortet werden: "Wichtig wäre es der Frage nachzugehen, welche Kontakte der Christchurch-Attentäter in Österreich traf und ob Sellner vor der Hausdurchsuchung durch Behörden gewarnt wurde.“

FPÖ sieht Ermittler am Zug

Die FPÖ reagierte prompt: Generalsekretär Christian Hafenecker forderte Drozda auf, die Behörden in Ruhe arbeiten zu lassen. Er solle „seine scheinbare Berufung zum Privatdetektiv lieber in seiner eigenen Partei ausleben – da gebe es nämlich genug zu tun“, so Hafenecker. „Wie heute schon Innenminister Herbert Kickl vor dem Ministerrat gesagt hat, sind nun die Ermittlungen am Laufen, und auch eine Kooperation für den Informationsaustausch mit den neuseeländischen Behörden ist geplant. Die Ermittlungsergebnisse sollten nun in erster Linie einmal abgewartet werden. Jetzt darf kein Platz für irgendwelche Spekulationen sein, denn nun sind die Behörden am Zug, die in aller Ruhe und wie in jedem Fall akribisch ihre Arbeit machen“, so Hafenecker.

BVT untersucht Österreich-Besuch

Sellner und Tarrant hatten via Mail Lob ausgetauscht. „Wenn du jemals nach Wien kommst, müssen wir auf einen Kaffee oder ein Bier gehen“, so Sellner. „Das Gleiche gilt für dich, wenn du jemals nach Australien oder Neuseeland kommst. Wir haben Menschen in beiden Ländern, die dich gerne in ihrem Haus aufnehmen würden“, antwortete der Australier.

Der letzte Mail-Austausch fand laut ZIB2 im Juli 2018 statt. Einen Tag später habe Tarrant Fahrzeuge und Unterkünfte in Österreich gebucht. Ob die beiden einander tatsächlich getroffen haben, werde vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ermittelt. Sellner habe ein Treffen dementiert, die Echtheit der Mails aber bestätigt.

Sellner schrieb zudem auf Twitter, er habe die Screenshots von den Mails selbst angefertigt und den Ermittlern gezeigt. Von der Hausdurchsuchung habe er vorab nichts gewusst.

Kickl sieht nichts Neues

Innenminister Kickl verwies am Mittwoch auf die laufenden Ermittlungen. Die Vermutung, dass Sellner Teil eines rechtsextremen Netzwerks sein könnte, sei nichts Neues, darauf fußten die Ermittlungen schließlich.

„Die Ermittlungen sind jetzt am Laufen, dann wird es zu einer abschließenden Beurteilung kommen“, sagte Kickl vor dem Ministerrat. Da sich die Reiseaktivitäten des späteren Attentäters nicht auf Österreich beschränkt haben, brauche es eine Kooperation mit den neuseeländischen Behörden. Ein entsprechender Informationsaustausch sei seines Wissens geplant.

Mitarbeiter Hartingers als Spender

Ebenfalls aus den Mails hervor ging, dass Sellners rechtsextreme Gruppe mehr Spenden aus dem Umfeld der FPÖ bekam als bisher bekannt. Aus einer Dankesmail Sellners vom Jänner 2018, in die die APA Einblick genommen hat, gehe hervor, dass ein Kabinettsmitarbeiter von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) sowie zwei weitere kleinere FPÖ-Funktionäre aus Tirol und Niederösterreich zu den Unterstützern der Identitären gehörten. Bereits im April war bekanntgeworden, dass mehrere FPÖ-Funktionäre an die Identitären gespendet hatten. Das BVT hatte eine entsprechende Spender- bzw. Mitgliederliste der Identitären erstellt. Die drei neuen Namen waren noch nicht auf dieser Liste.

Aus dem Sozialministerium hieß es auf Anfrage der APA, der betroffene Mitarbeiter habe die Spende vor seiner aktiven Zeit im Ministerium getätigt. Es habe sich „um eine Spende als Privatperson“ gehandelt, und diese sei vor dem Eintritt in das Kabinett getätigt worden. Seit Kabinettseintritt bestehe kein Kontakt oder Unterstützung der Identitären Bewegung, so ein Sprecher.

Viele Spenden aus Deutschland

Sellner erhielt Medienberichten zufolge auch zahlreiche Spenden aus Deutschland. Wie „Süddeutsche Zeitung“, NDR, WDR und der „Standard“ unter Berufung auf Kontoauszüge Sellners am Mittwoch berichteten, erhielt er allein in den ersten Monaten des vergangenen Jahres 20.000 Euro von rund 250 Spendern aus ganz Europa. Die meisten Spenden stammten laut „SZ“ von deutschen Bankkonten und lagen überwiegend zwischen zehn und 500 Euro.

Auf den Kontoauszügen stehe viel Zuspruch wie etwa „Danke für die gute Arbeit“, berichtete die „SZ“. Andere Überweisungsvermerke lauteten demnach „Jetzt erst recht“, „Protest gegen Willkür“ oder „Kampfspende“. Sellner sagte dem Blatt, das Geld sei für Projekte sowie Material- und Anwaltskosten verwendet worden.