Zeuge in BUWOG-Prozess: Es gab zwei Optionen

Der heute befragte Zeuge im Korruptionsprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/parteilos) und andere um die Privatisierung der Bundeswohnungen (BUWOG u. a.), ein ehemaliger Mitarbeiter der beratenden US-Investmentbank Lehman Brothers, hat per Videoschaltung aus London die Vorgänge um die Vergabe erläutert. Dabei sagte er, es hätte auch die Möglichkeit von nur einer Runde gegeben.

Zeuge war bei Öffnung anwesend

Die Angebote für die Bundeswohnungen waren am Freitag, 4. Juni 2004, beim Notar geöffnet worden. Der Zeuge war bei der Öffnung anwesend, ebenso der Spitzenbeamte im Finanzministerium, Heinrich Traumüller. Übers Wochenende wurden dann vom Lehman-Team und der Anwaltskanzlei Freshfields die Angebote analysiert und Präsentationen für die Sitzung am Montag, 7.6., im Finanzministerium erstellt. Bei der Sitzung am Montag war auch Grasser anwesend. Ein Protokoll dieser Sitzung gibt es nicht.

In der Sitzung am Montag habe es zwei Optionen gegeben, so der Zeuge: ein Zuschlag basierend auf den vorliegenden Angeboten der CA Immo und des Österreich-Konsortiums. Dann hätte die CA Immo die Privatisierung gewonnen, weil ihr Angebot höher war als das des Österreich-Konsortiums mit Immofinanz, RLB OÖ und anderen. Oder eine schnelle zweite Runde mit „Last and Final Offers“, bei der die beiden Bieter neue Angebote abgeben können.

Das Österreich-Konsortium hatte in der ersten Runde zwar Zusatzangebote abgegeben, aber diese waren nicht gültig, so der ehemalige Lehman-Mitarbeiter, denn sie hätten nicht den Vorgaben entsprochen. Die CA Immo hatte in ihrem Angebot ein Zinsänderungsrisiko in Abschlag gebracht. Daher habe man gesehen, dass es vielleicht noch Luft nach oben gebe, so der Zeuge. Am 7. Juni, bei der Sitzung im Finanzministerium sei dann darüber diskutiert worden, ob man gleich den Zuschlag erteile oder eine zweite und letzte Runde abhalte.

Entscheidung für zweite Runde

Nach kurzer Diskussion sei dann für eine zweite Runde entschieden worden. Anwesend seien neben Grasser auch Traumüller sowie weitere Mitarbeiter des Ministeriums gewesen sowie das Lehman- und Freshfields-Team. Es seien bei dieser heiklen Sitzung vom Finanzministerium mehr Leute eingeladen worden als vom Lehman-Team, das sich um die Einhaltung der Vertraulichkeit kümmerte, gewünscht waren, so der Zeuge. Grasser habe sich nach der Diskussion für eine zweite Runde entschieden.

Warum man die Sitzung der Auswahlkommission, die für den Tag darauf bereits angesetzt war, kurzfristig absagte, das wisse er nicht. Es sei aber logisch gewesen, denn die Kommission hätte ja nur noch einmal dasselbe diskutieren können, die Entscheidung war schon gefallen.

Überhaupt sei die Kommission eigentlich keine „Auswahlkommission“ gewesen, denn sie hätte nichts auswählen können, sondern nur anhand der Zahlen feststellen, wer vorne lag. In der Auswahlkommission seien Experten sowie jene Beamte des Ministeriums gesessen, die sich ohnehin in regelmäßigen Absprachen mit Lehman um die Privatisierung kümmerten, nämlich Traumüller und Josef Mantler.

Angebote knapp beieinander, „Spekulation“ über Leck

In der zweiten Runde lag dann das Angebot des Österreich-Konsortiums leicht vorne. Dass die Angebote so knapp beieinanderlagen und außerdem das Österreich-Konsortium mit rund 961 Mio. Euro knapp über der Finanzierungsbestätigung der CA Immo in der ersten Runde lag, sei damals schon bei Lehman intern diskutiert worden, so der Zeuge.

Man habe über ein mögliches Leak (Leck, Anm.), also eine undichte Stelle im geheimen Privatisierungsverfahren, nachgedacht, „aber das war reine Spekulation“, meinte er. „Wir haben kein offensichtliches Leck gesehen.“

Das Konsortium zahlte im Geheimen ein Prozent des Kaufpreises, rund 9,6 Mio. Euro, an die nun Mitangeklagten Peter Hochegger und Walter Meischberger, die dem Verdacht zufolge mit Insiderinformationen dem Konsortium zum Sieg bei der Vergabe verhalfen. Laut Anklage profitierte auch Grasser von der Millionenprovision, was dieser dementiert.