Szene aus dem belastenden  „Ibiza – Videos“ in der Causa Strache
APA/Spiegel/Süddeutsche/Harald Schneider
„Ibiza-Skandal“

Die FPÖ und die Macht der Bilder

Genau eine Woche nach dem von der FPÖ ausgelösten Skandal, der die Republik erschüttert, beherrschen nicht der Inhalt des „Ibiza-Skandals“, sondern Spekulationen und Taktik die Öffentlichkeit. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), der wegen seiner Aussagen in dem Video zurücktreten musste, sowie die FPÖ insgesamt arbeiten an der Täter-Opfer-Umkehr. In die Quere kommt ihnen dabei allerdings die Macht der Bilder.

Die Koalition in den Abgrund gerissen, die eigene Partei aus der Regierung katapultiert – das hat Strache mit seinen aufgezeichneten Angeboten, Staatsaufträge einer bestimmten Firma zuzuschanzen und die Regeln für Parteispenden zu umgehen, geschafft. In solchen sowie weniger dramatischen Fällen verschwinden die Betroffenen in der Regeln für einige Zeit von der Bildfläche – nicht so Strache, der sich auf Facebook und via Medien zur aktuellen Entwicklung weiter zu Wort meldet.

Nicht nur Strache, sondern auch andere führende Vertreter der Freiheitlichen machten von Anfang an klar, dass Straches Aussagen zwar unverzeihlich und eine „b’soffene Gschicht“ seien – das eigentlich Empörende machen sie aber woanders aus: bei jenen, die das Treffen auf Ibiza organisierten und aufnahmen und dieses Material nach fast zwei Jahren nun an Medien weiterspielten.

Vom Täter sofort zum Opfer

Die FPÖ betreibe derzeit eine „Täter-Opfer-Umkehr“ und spiele taktisch ein Doppelspiel, „good cop – bad cop“, um einen Absturz zu verhindern, sagt der Politologe Peter Filzmaier gegenüber ORF.at. Der entlassene Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) soll mit seinen Angriffen auf ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz verhindern, dass Stammwähler ins Nichtwählerlager abdriften. Neoparteichef Norbert Hofer dagegen soll mit Botschaften der Zurückhaltung und Einsicht gemäßigte Rechte halten. Denn auf diese „spekuliert Kurz jetzt ganz offen“. Die Täter-Opfer-Umkehr und die Verdrängung des eigentlichen Skandals sei für die erste Gruppe wichtig.

„Auch FPÖ denkt: ‚Wir bekommen das hin‘“

Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle sagt, für die FPÖ gebe es eigentlich keine strategische Alternative. Ein Schuldeingeständnis wäre für die Partei fatal, so die Politologin sinngemäß. Sie erwartet, dass die FPÖ zunächst versuchen wird, den engsten Kreis zusammenzuhalten – die Funktionäre und die Kernwählerschaft. „Diesen Prozess“ habe die FPÖ ja schon mehrmals durchgemacht, so die Expertin unter Verweis etwa auf die Parteispaltung in Knittelfeld 2002. Die tröstliche Aufmunterung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen an die Bevölkerung – „wir kriegen das schon hin“ – würde sich auf andere Weise wohl auch ein guter Teil der FPÖ denken.

Doku über den „Ibiza-Skandal“

Ein Knalleffekt, ein politisches Erdbeben, am Rand einer veritablen Staatskrise: Das Lockvogel-Video mit Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus aus der Villa auf Ibiza erschüttert das ganze Land.

Warum die Umkehrung funktioniert

Die Täter-Opfer-Umkehr funktioniert laut Stainer-Hämmerle bei der FPÖ so gut, „weil sie als einzige Partei eine Stammwählerschaft habe, die sehr skeptisch gegenüber allen anderen Eliten ist“. Sie sei daher auch empfänglich für Verschwörungstheorien. Bei der Causa Hypobank, die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler viele Milliarden kostete, war der FPÖ Ähnliches gelungen. Unterstützend für den Versuch, die Tatsache, eine Regierungskrise ausgelöst zu haben, zu verschleiern, wirkt die persönliche Tangente: Strache als Opfer, da seine teils anzüglichen Aussagen über die Ibiza-Gastgeberin offenbar eine Ehekrise mit Gattin Philippa Strache auslösten.

FPÖ will Bilder wegbekommen

Weder Stainer-Hämmerle noch Filzmaier glauben derzeit aber, dass das unnachgiebige Verhalten ein Hinweis darauf ist, dass Strache im Nationalratswahlkampf wieder eine – wenn auch untergeordnete – Rolle spielen könnte. Stainer-Hämmerle erinnert daran, dass es Ähnliches in Kärnten mit den Gebrüdern Scheuch gegeben habe. Auch diese seien im Hintergrund vielleicht teils noch aktiv gewesen, doch nicht an vorderster Front. Ein Comeback Straches „auf der Bühne ist eigentlich unmöglich“: Die FPÖ versuche jetzt vielmehr, die Bilder des Videos aus dem öffentlichen Bewusstsein wegzubekommen. Sobald Strache wieder auf einer Bühne auftauche, wären auch diese Bilder wieder da, so Stainer-Hämmerle.

Filzmaier sieht die Macht der Bilder, die die Freiheitlichen selbst gern wirksam einsetzen, ebenso als Gefahr für die FPÖ. Es sei jedenfalls noch zu früh, als dass Strache öffentlich wieder für seine Partei auftreten könnte. Man wisse ja nicht, ob nicht noch andere Sequenzen des Treffens mit der angeblichen Oligarchennichte publik werden. Außerdem gebe es Ermittlungen wegen möglicher Finanzflüsse.

Dass Strache, der weit hinten auf der FPÖ-Kandidatenliste für die EU-Wahl steht, nun in einer Art Trotzreaktion der Stammwählerschaft ausreichend Vorzugsstimmen für ein Mandat bekommen könnte, glaubt auch sein bisheriger Sprecher Martin Glier nicht. Dass Strache auf der Liste stehe, sei ja ein Formalakt gewesen. Und wenn, würde Strache wohl auf das Mandat verzichten.