„Elefantenrunde“ im ORF
ORF
EU-Wahl

„Elefantenrunde“ im Zeichen „Ibizas“

Die letzte große Diskussionsrunde der Spitzenkandidaten der (EU-)Parlamentsparteien vor der EU-Wahl ist im Zeichen des „Ibiza-Skandals“ gestanden. Gleich zu Beginn der „Elefantenrunde“ im ORF-Fernsehen wurde über die innenpolitische Situation diskutiert, bei der die Standpunkte teils weit auseinandergingen. Auf europäischer Ebene wurden wenige Tage vor der Wahl allerdings auch einige Gemeinsamkeiten gefunden.

Die von Claudia Reiterer moderierte Diskussionsrunde mit Othmar Karas (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ), Harald Vilimsky (FPÖ), Claudia Gamon (NEOS), Werner Kogler (Grüne) und Johannes Voggenhuber (Initiative 1 Europa) stand im Gegensatz zu vorherigen Wahlauseinandersetzungen im ORF vor komplett geänderten Vorzeichen. Nach Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ und der für den Herbst angekündigten Neuwahl war folglich die Innenpolitik am Anfang bestimmendes Thema der „Elefantenrunde“.

Schieder und Vilimsky wollten sich auf die Zustimmung zum Misstrauensantrag gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zwar noch nicht festlegen. Das werde erst am Montag entschieden, sagte Vilimsky, aber: „Mein Vertrauen ist weg. Sebastian Kurz hat innerhalb von zwei Jahren zweimal die Regierung gesprengt.“ Aus Schieders Sicht wäre Österreich auch nach einem Misstrauensantrag handlungsfähig: „Die Regierung Kurz-Strache ist gescheitert.“

Misstrauensantrag gegen Sebastian Kurz: Ja oder nein?

Die Spitzenkandidaten der verschiedenen Parteien erklären, wie sie zum Misstrauensantrag stehen und wie sie abstimmen würden.

Forderung nach Stabilität und Transparenz

Kurz müsse nun für Sauberkeit und Transparenz sorgen, denn dubiose Unterstützervereine gebe es auch in der ÖVP, so Schieder. Zum Beleg hielt er ÖVP-Spitzenkandidat Karas ein am Donnerstag erschienenes Zeitungsinserat einer „Initiative Karas für Europa“ vor. Wobei Karas meinte, er wisse selbst nicht, wer das bezahlt habe: „Ich habe das Inserat heute zum ersten Mal gesehen.“ Nur wenige Minuten danach meldete sich Michael Ikrath, ehemaliger ÖVP-Nationalratsabgeordneter, via Twitter und reklamierte die Anzeige für sich.

Vor einem Misstrauensantrag am Montag warnte Karas eindringlich, der auf den Bundespräsidenten verwies und „Stabilität“ sowie „Kontinuität“ forderte. NEOS-Kandidatin Gamon will unterdessen, dass „der Bundeskanzler für die Vorgänge die Verantwortung übernimmt“, man werde Kurz jetzt an seinen Taten messen.

Für Grünen-Kandidat Kogler rächt sich nun, dass Kurz das Parlament eineinhalb Jahre lang als „verlängerte Werkbank der Parteizentralen“ behandelt habe. Und für Voggenhuber ist Kurz der Hauptverantwortliche für das aktuelle „Desaster“. Kurz habe mit der FPÖ eine „besonders hässliche Pflanze“ aus dem Sumpf der rechtspopulistischen Parteien Europas in die Regierung geholt.

CO2-Steuer und Schnellzüge

Im Anschluss an die knapp halbstündige Debatte über die Ereignisse in der Innenpolitik standen zahlreiche Europathemen im Mittelpunkt, angeführt von der Klimakrise. NEOS-Kandidatin Gamon befürwortet eine CO2-Steuer und fordert einen „Systemwandel“ beim Thema Steuerpolitik. Man habe oft das Problem, dass Kurzstreckenflüge günstiger als die Zugfahrt seien. Das Steuersystem müsse ökologisiert werden, so Gamon.

Was tun gegen die Erderwärmung?

Die Spitzenkandidaten der Parteien erklären, mit welchen Maßnahmen sie die Klimaerwärmung aufhalten wollen.

Karas, der sich innerhalb der EU schon über Jahre für eine solche Steuer einsetzt, sieht „Blockaden“ innerhalb der Union dafür verantwortlich, dass diese noch nicht umgesetzt werden konnte. Man müsse „an einem Strang ziehen“, damit man ein „Gesamtpaket“ auf die Beine stellen könne. Klimapolitik sei ein zentrales Thema: „Es kann nicht genug geschehen.“ Grünen-Kandidat Kogler konterte, dass gerade die ÖVP häufig aufseiten der Blockierer stehe.

Schieder sieht den Ausbau von Schnellzügen zwischen europäischen Hauptstädten als wichtig an. Damit werden auch Arbeitsplätze geschaffen, so Schieder. Über einen Vorstoß von Vizekommissionspräsident Frans Timmermans, wonach alle Kurzstreckenflüge verboten werden sollen, könne man „mittelfristig“ nachdenken. Zum Ausbau müsste man „300 bis 400 Milliarden Euro“ europaweit in die Hand nehmen.

Lebendtiertransporte in der Kritik

Die Forderung Schieders nach einem Transportverbot von Lebendtieren unterstützt auch FPÖ-Kandidat Vilimsky. Dieser sprach die Forderung bei einem Interview auf dem „Gelben Sessel“ von ORF.at aus: Er wolle „auf EU-Ebene diese aberwitzigen Transporte aus dem Bereich landwirtschaftlicher Güter oder auch Lebendtiertransporte“ zurückzudrängen, sagte er damals. Am Donnerstagabend wiederholte er diese Forderung – er „freue“ sich, dass Schieder „fordert, was ich immer gesagt habe“. Vilimsky wolle ein Maximum von „vier Stunden“ für Tiertransporte.

Voggenhuber sieht Europa und auch Österreich bei den Maßnahmen gegen die Klimakrise „hinten“. „Das Realistische kann nicht unter dem Notwendigen liegen“, so Voggenhuber, und Gamon entgegnete: „Das Notwendige muss das Realistische werden.“ Die „Entscheidungssystematiken der EU“ seien nicht darauf ausgerichtet, diese „großen Fragen“ zu beantworten.

Von Facebook bis zur Biolandwirtschaft

Beim Themenblock Finanzen verwies Karas auf eine „einheitliche Steuerbemessungsgrundlage“, die er mit der SPÖ-Abgeordneten Evelyn Regner vorangetrieben habe. Auf die Frage nach einer „Registrierkasse für Konzerne“ sagte Karas, dass „Transparenz ein entscheidender Punkt sei“.

Finanzen in der Europäischen Union

Karas spricht über einen EU-weiten Mindeststeuersatz für Unternehmen. Schieder erklärt, dass man große Konzerne wie Starbucks, Google, Amazon und Facebook zerschlagen muss.

Schieder unterstützt unterdessen eine Zerschlagung von Konzernen wie Facebook, diese habe sogar ein „Facebook-Mitbegründer vorgeschlagen“. Die „Machtkonzentration“ gehöre „angegangen“. Vilimsky bestätigte unterdessen, dass er im Hinblick auf einen Anteil der Agrarpolitik am Budget von 40 Prozent, biologische Landbauern „bevorzugen“ wolle. Voggenhuber wolle unterdessen die „Agrarindustrie aus den Fördertöpfen“ drängen.

Debatte über Finanztransaktionssteuer und EU-Erweiterung

Gamon sagte zu einer Finanztransaktionssteuer, dass es sinnvoller wäre, das „global einzuführen“. Bei diesen Themen sei es wichtig, dass Europa darauf einwirken sollte, so etwas weltweit einzuführen. Kogler hält eine solche Steuer hingegen für eine „sehr vernünftige Konstruktion“. Was das Einstimmigkeitsprinzip in der EU anbelangt, sprachen sich alle Kandidaten für ein Ende aus – nur Vilimsky forderte ein „rot-weiß-rotes Veto“.

Beim Thema Erweiterung der EU warnte Gamon vor dem Einfluss Chinas und Russlands auf dem Balkan. Voggenhuber sprach sich gegen einen Beitritt der Türkei aus, Karas verwies darauf, dass es in den nächsten fünf Jahren zu keiner Erweiterung kommen werde. Schieder forderte baldige Verhandlungen mit Nordmazedonien.

Karas: Misstrauensantrag wird „nicht durchgehen“

Abschließend wurden der Kandidatin und den Kandidaten auf sie zugeschnittene Fragen gestellt, etwa, ob Kogler als grüner Kandidat sein EU-Mandat ausfüllen werde im Hinblick auf die Nationalratswahl. Momentan gebe es jedoch „genug Gründe, anzunehmen, dass es wieder knapp wird“, so Kogler, der nicht spekulieren wollte. Gamon hingegen bejahte die Frage, ob sie die vollen fünf Jahre in Brüssel sitzen werde.

Politologe Filzmaier analysiert die Diskussion der Spitzenkandidaten

Politikwissenschaftler Peter Filzmaier analysiert das letzte Aufeinandertreffen der Spitzenkandidaten vor der EU-Wahl am Sonntag.

Vilimsky sagte unterdessen, dass er „schon“ davon ausgehe, dass er weiterhin Generalsekretär der FPÖ bleiben werde. Voggenhuber sagte, er kann, was die Trennung von Jetzt und Grünen anbelange, „nichts ändern“. Er habe die Grünen mehrfach zu Gesprächen eingeladen, so Voggenhuber.

Zum Schluss stand noch einmal die Innenpolitik im Fokus. Gefragt, ob Franz Fischler – über den Gerüchte als möglicher Nachfolger an der Regierungsspitze kursierten – der „richtige Mann für das Brüsseler Parkett“ sei, wenn der Misstrauensantrag gegen Kurz durchgehe, antworte Karas, dass der Misstrauensantrag „nicht durchgehen“ werde.