Poker um Juncker-Nachfolge beginnt

Nach dem Eintreffen der ersten Hochrechnungen der EU-Wahl hat der Poker um die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident umgehend begonnen.

Für die Europäische Volkspartei (EVP), die laut der Prognose vor den Sozialdemokraten liegt, sagte die stellvertretende Fraktionschefin Esther de Lange, wenn die EVP tatsächlich Erste werde, stelle sie auch den Führungsanspruch. Es gebe keinen Schritt zurück hinter das Spitzenkandidatensystem, sagte De Lange.

Timmermanns erhebt keinen Anspruch

Die Sozialdemokraten (S&D) pochen auf ihren Spitzenkandidaten Frans Timmermans – dieser habe eine „mehr als realistische Chance“ auf den Posten, sagte der deutsche Sozialdemokrat Udo Bullmann gestern Abend in Brüssel. Die EVP habe weder die Resultate noch die Stärke, um Europa zu führen. Er wolle eine „progressive Mehrheit“.

Timmermanns selbst erhebt keinen Anspruch auf das Amt. „Meine politische Fraktion hat verloren, deshalb müssen wir bescheiden sein und ein klares Programm präsentieren“, so Timmermans in der Nacht nach Bekanntgabe der Prognosen. Seine Fraktion wolle mit anderen progressiven Parteien zusammenarbeiten und ein Programm erstellen, das die „Träume, aber auch die Sorgen“ der EU-Bürger berücksichtige.

Für die EU-Bürger sei es nicht wichtig, wer die Kommission leite, sondern was dieser tun werde. „Es wäre mir eine Ehre, dieses Programm zu leiten“, räumte Timmermans allerdings ein. Zuerst gelte es aber, eine Koalition zu bilden, danach könne man „Game of Thrones“ spielen, sagte er.

ALDE lässt Unterstützung für Weber offen

Unterdessen ließen die Liberalen (ALDE) offen, ob sie Weber als Kommissionspräsidenten unterstützen. Auf jeden Fall sehe man das Aus der Mehrheit von EVP und S&D als Verdienst der Liberalen an. „Das ist dem Umstand geschuldet, dass wir Zulauf bekommen haben“, sagte Fraktionschef Guy Verhofstadt in Brüssel.

Jetzt müsse einmal über Inhalte geredet werden, wobei man nur mit proeuropäischen Fraktionen verhandeln werde, kündigte Verhofstadt an. Er wünscht sich eine stabile Parlamentsmehrheit, mit der Europa in puncto Steuergerechtigkeit, Kampf gegen den Klimawandel und Lösung reformiert werden könne.

Die dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erhebt aber auch den Anspruch auf den Kommissionschefposten. „Es wäre merkwürdig, in Debatten mit Kandidaten teilzunehmen, die diesen Anspruch haben, wenn ich nicht sagen würde, dass ich dieselben Ambitionen habe – also ja“, so Vestager.

Weber kündigt Gespräche an

Weber kündigte zuvor an, nun stünden die Gespräche auf EU-Ebene an. „Ich als Parlamentarier werde jetzt die Hand ausstrecken den anderen Fraktionen gegenüber – denen, die auch an Europa glauben.“ Er suche einen Kompromiss mit Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen. Das betreffe sowohl Personen wie Inhalte, sagte Weber in der Nacht in der ARD.

Es sei klar, dass ökologische Themen stärker berücksichtigt werden müssten. Da die konservative EVP die stärkste Fraktion im neuen Europäischen Parlament werde, erhebe sie Anspruch auf die Besetzung des EU-Kommissionspräsidenten-Posten. Er forderte zudem, dass das EU-Parlament einen Spitzenkandidaten zum nächsten EU-Kommissionspräsidenten macht und keinen anderen Kandidaten unterstützt.