Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein im Parlament
ORF.at/Roland Winkler
Nationalrat

Bierlein setzt „auf Dialog“

Die Regierung stellt sich am Mittwoch im Nationalrat vor. Den Anfang machte Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein. „Für Verlässlichkeit stehen und für Vertrauen werben wir“, begann Bierlein ihre Rede. Es sei eine „einmalige Situation in der Geschichte der Zweiten Republik“, so die Bundeskanzlerin, die die erste vom Bundespräsidenten eingesetzte Bundesregierung leitet. Sie setze weiterhin „auf Dialog“.

„Unsere Bundesverfassung hatte Gelegenheit zu zeigen, was alles in ihr steckt“, so die Verfassungsexpertin Bierlein. „Ich bin sicher, ich spreche in aller Namen, wenn ich unserem Bundespräsidenten (Alexander Van der Bellen, Anm.) für sein umsichtiges Vorgehen danke“, so Bierlein weiter. Sie habe in ihrer Antrittsrede um möglichst breiten Dialog gebeten. Sie habe in den ersten Tagen zahlreiche Gespräche führen können.

„Diesen Dialog möchte und werde ich in meiner gesamten Amtszeit aufrechterhalten“, so Bierlein. „In diesem Hohen Haus schlägt das Herz der österreichischen Demokratie und, meine Damen und Herren, dieses Herz schlägt kräftig.“ Die Bundesregierung sei im Gegensatz zu den Abgeordneten im Nationalrat weder direkt noch indirekt gewählt worden, so die Bundeskanzlerin weiter. „Meine Worte müssen sich damit unterscheiden.“

„Stabilität und Sicherheit gewährleisten“

„Wir haben die Aufgabe, Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten“, so Bierlein weiter. Die Regierung werde mit all ihren Kräften das Vertrauen der Menschen „in diesem Land gewinnen dürfen“. Auf tagespolitisches Kalkül werde verzichtet, auch das Prinzip der größtmöglichen Sparsamkeit werde der Bundeskanzlerin zufolge eingehalten. „Vor allem werden wir aber unsere Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern nicht verlieren.“

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein im Parlament
ORF.at/Roland Winkler
Bierlein sagt, sie wolle ein lebenswertes, wirtschaftlich erfolgreiches und weltoffenes Österreich

Zur Debatte über den Termin für die Nationalratswahl im Herbst meinte Bierlein: „Wie auch der Bundespräsident gesagt hat, hätten wir uns einen früheren Termin gewünscht, aber wir respektieren die Entscheidung des Nationalrates.“ Während SPÖ und FPÖ den 29. September als Wahltermin anstrebten, pochte die ÖVP auf einen möglichst frühen Termin.

Bierlein hofft auf Einigkeit

Die Übergangsregierung werde auch ihre Interessen in Europa und der Welt wahrnehmen. Sie setze dabei auf die Expertise der Diplomatinnen und Diplomaten. Auch das Votum über den EU-Beitritt Österreichs vor 25 Jahren war ein Thema: „Österreich ist und bleibt verlässlicher Partner in Europa und der ganzen Welt.“ Es sei wesentlich, dass die Auswahl der österreichischen Kandidatin oder des Kandidaten für Brüssel von fachlicher Expertise geleitet sei. „Ich appelliere an Sie, sehr geehrte Damen und Herren, in diesem Prozess Einigkeit zu zeigen.“

Erklärung von Bundeskanzlerin Bierlein

Die neue Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein hat sich am Mittwoch den Abgeordneten im Nationalrat vorgestellt. Als Aufgabe der neuen Regierung sieht sie es, „Stabilität und Sicherheit“ sicherzustellen.

Man stehe vor großen Herausforderungen wie der Digitalisierung, dem Klimawandel, einem nachhaltigen, finanzierbaren Sozialsystem und demografischen Veränderungen. „Es liegt an uns, mit diesen Herausforderungen umzugehen“, so die Kanzlerin. Als Ziel nannte sie ein lebenswertes, wirtschaftlich erfolgreiches und weltoffenes Österreich. „Diese Regierung verfügt über keine Mehrheit, daher gibt es auch keine Unterscheidung zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien.“ Das Finden von Konsens liege in der Verantwortung des Parlaments.

„Wir sind von unterschiedlicher ethnischer Herkunft, Religion und sexueller Orientierung“, leitete sie den Abschluss ihrer Rede ein. „Für mich als langjährige Richterin gibt es ein verbindendes Element: die Menschlichkeit.“ Es gehe darum, Gemeinsames vor Trennendes zu stellen und ein Vorbild für die Jugend zu sein. „Nichts hält das Gemeinwesen besser zusammen als Verlässlichkeit. Für Verlässlichkeit stehen und für Vertrauen werben wir“, so Bierlein abschließend.

Jabloner: Befinden uns in „heikler Zeit“

Nach der Kanzlerin ergriff Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner das Wort. Er sprach von einer zuletzt „heiklen Zeit“, von einer Verfassungs- oder Staatskrise habe allerdings nie die Rede sein können. Die Übergangsregierung sei über den vom Volk gewählten Bundespräsidenten demokratisch legitimiert, ihre Handlungsmöglichkeiten seien aber beschränkt. „Das halte ich auch für richtig und angebracht.“

Vizekanzler Jabloner im Nationalrat

Der neue Vizekanzler Clemens Jabloner sprach vor den Abgeordneten von einer „heiklen Zeit“ nach dem Bruch der alten Regierung. Von einer Staatskrise habe aber nie eine Rede sein können.

Die Regierung habe sich das Vertrauen des Nationalrats täglich zu erwerben, daher sei ihm der Austausch mit dem Parlament ein besonderes Anliegen, so Jabloner. Ansonsten stellte er sich vorbehaltlos hinter Bierlein: „Ich identifiziere mich mit jedem Wort, das die Frau Bundeskanzlerin vor mir gesagt hat.“

Kleiner Vorgeschmack auf den Wahlkampf

Sämtliche Parlamentsparteien haben der neuen Regierung nach deren Erklärung im Nationalrat ihre Unterstützung zugesichert. Ansonsten wurde allseits ein wenig Vorwahlkampf betrieben. Sämtliche Fraktionen machten klar, dass es noch vor der Wahl diverse Beschlüsse geben sollte, die aber nicht allzu viel Geld kosten dürften.

Die gerade aus einer Koalition mit der FPÖ geschiedene ÖVP warnte neuerlich vor einem rot-blauen Pakt. Dieser habe sich etwa beim späten Wahltermin gezeigt, wie Klubchef August Wöginger ausführte. Das konterte FPÖ-Chef Norbert Hofer: Dass die ÖVP vor einer langen Wahlkampagne warne, wundere ihn, sei diese doch die einzige Partei, die ihren Wahlkampf bereits gestartet habe.

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein im Parlament
ORF.at/Roland Winkler
Die Gesetzgebungsperiode wird per Beschluss vorzeitig beendet

SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner zeigte sich angetan vom Kabinett Bierlein und der Tatsache, dass erstmals in Österreich eine Frau dieses Amt innehat: „Frau Bundeskanzlerin. Eine Anrede, die mir übrigens sehr gut gefällt“, so Rendi-Wagner. Inhaltlich warb die SPÖ-Chefin erneut dafür, „den Schutz unseres Wassers in die Verfassung zu schreiben“ und das Rauchverbot in der Gastronomie wiedereinzuführen.

Hofer wies in diesem Punkt darauf hin, dass seine Partei im Gegensatz zur ÖVP aus Glaubwürdigkeitsgründen eben keine beschlossenen Gesetze rückgängig mache. Zudem warb Hofer für die von ÖVP und FPÖ getroffene Raucherregelung. Diese stelle den Jugendschutz und die Wahlfreiheit der Wirtinnen und Wirte sicher.

„Wahlzuckerl zum Nulltarif“

Wöginger warnte indes vor einem „Casino-Parlamentarismus“, der sündteure Wahlzuckerln zur Folge hätte. Allerdings will auch die ÖVP Beschlüsse fassen wie eine Anhebung der Mindestpensionen und den Ausbau der Ganztagsschulen. Wichtig ist der Volkspartei auch das Verbot der Plastiksackerln.

JETZT forderte Maßnahmen zum Klimaschutz. Diese seien ein „Wahlzuckerl zum Nulltarif“, wie der geschäftsführende Klubobmann Wolfgang Zinggl befand. NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger wiederum sprach von der Verantwortung, nichts das Budget Belastendes zu beschließen. Bedauerlich ist für sie, dass in der laufenden Gesetzgebungsperiode nichts getan wurde, um das Pensionssystem abzusichern.

Fünf ÖVP-Abgeordnete angelobt

Gleich im Anschluss beschließt der Nationalrat, seine Gesetzgebungsperiode vorzeitig zu beenden, womit der Weg für eine Neuwahl im Herbst frei ist. Eingebracht werden in der Sitzung zahlreiche Anträge. Mittlerweile wurde bekannt, dass sich SPÖ, NEOS und JETZT auf einen gemeinsamen Antrag zum Rauchverbot in der Gastronomie geeinigt haben. Zudem werde man einen Fristsetzungsantrag einbringen, damit die Gesetzesmaßnahme noch im Juli beschlossen werden kann.

Überdies wurden zu Beginn der Sitzung fünf ÖVP-Abgeordnete angelobt. Es sind das die drei ausgeschiedenen Regierungsmitglieder Juliane Bogner-Strauß, Elisabeth Köstinger und Josef Moser sowie die beiden niederösterreichischen Mandatare Lukas Brandweiner und Christian Stocker. Ausgeschieden sind Angela Fichtinger, Franz Hörl, Angelika Kuss-Bergner, Johann Rädler und Josef Smolle. Köstinger fungiert auch als Klubobmann-Stellvertreterin, ebenso die künftige Europaabgeordnete Angelika Winzig.