Löscharbeiten beim Tanker Frontline
APA/AFP/Tasnim News
Angriffe auf Tanker

Iran wirft USA „Sabotagediplomatie“ vor

Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif hat den USA vorgeworfen, die Öltankervorfälle am Donnerstag als Vorwand zu nehmen und eine „Sabotagediplomatie“ gegen den Iran zu betreiben. „Ohne Schnipsel an Beweisen haben die USA sofort den Iran beschuldigt … damit ist klar, dass das amerikanischen B-Team auf Plan B und auf Sabotagediplomatie umgeschaltet hat“, schrieb Sarif auf seiner Twitter-Seite am Freitag.

Die Amerikaner wollen laut Sarif mit dem Plan B die Sanktionen und den „Wirtschaftsterrorismus“ gegen den Iran überschatten. Mit dem B-Team bezeichnete Sarif das Team von US-Sicherheitsberater John Bolton, der laut Teheran nichts anderes als einen Regimewechsel im Iran plane und dafür sogar einen militärischen Konflikt provozieren würde. „Ich hatte schon vor einigen Monaten vor solch einem Szenario (des B-Teams) gewarnt“, so der iranische Chefdiplomat.

Am Donnerstag waren zwei Öltanker im Golf von Oman durch mutmaßliche Angriffe schwer beschädigt worden. US-Außenminister Mike Pompeo hatte gesagt, die US-Regierung gehe aufgrund von Informationen des Geheimdienstes, des Typs der verwendeten Waffen und der ausgeklügelten Ausführung der Taten davon aus, dass der Iran hinter den Angriffen stecke. „Es ist die Einschätzung der US-Regierung, dass die Islamische Republik Iran verantwortlich für die Angriffe ist, zu denen es heute im Golf von Oman kam“, sagte Pompeo in Washington. Es handle sich um eine „nicht hinnehmbare Eskalation der Spannung durch den Iran“.

Löscharbeiten beim Tanker Frontline
AP/Frontline Front Altair
Der brennende Tanker von einem Löschschiff aus aufgenommen

USA veröffentlichen Video

Das US-Militär veröffentlichte ein Video, das die iranischen Revolutionsgarden belasten soll. Das US-Zentralkommando (Centcom), das die amerikanischen Truppen im Nahen Osten führt, teilte am Donnerstag (Ortszeit) mit, das Video zeige, wie ein Boot der Revolutionsgarden auf den Tanker „Kokuka Courageous“ zufahre. Die Menschen an Bord des iranischen Schnellbootes vom Typ „Gaschti“ seien dabei „beobachtet und aufgenommen“ worden, wie sie eine nicht explodierte Haftmine wieder vom Schiffskörper entfernten.

US-Militär veröffentlicht Video

Das von den USA veröffentliche Video soll laut US-Militär den Angriff auf den Tanker „Koku Courageous“ zeigen. Laut USA soll es ein Boot der iranischen Revolutionsgarden zeigen. (Quelle: APTN/US Central Command)

Auf dem Video ist zu erkennen, wie sich Menschen an Bord eines Schnellbootes an der Wand eines Öltankers zu schaffen machen und von dort etwas zu entfernen scheinen. Das Boot fährt danach wieder weg von dem Tanker. Centcom sprach von einem „Haftminenangriff“ im Golf von Oman.

Karte vom Oman
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: BBC

Keine Beweise in UNO-Sicherheitsrat

US-Präsident Donald Trump hatte das Atomabkommen mit dem Iran im vergangenen Jahr einseitig aufgekündigt. Danach traten wieder harte US-Wirtschaftssanktionen gegen den Iran in Kraft. Nach einer Sitzung des UNO-Sicherheitsrats bekräftigte der stellvertretende amerikanische UNO-Botschafter Jonathan Cohen die Haltung der USA, dass Teheran verantwortlich sei. „Keine Gruppe in der Region verfügt über die Ressourcen oder die Fähigkeiten, um mit dieser Genauigkeit zu agieren. Der Iran jedoch hat die Waffen, die Expertise und das Wissen der Geheimdienste, um das zu machen.“

Mike Pompeo
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Laut US-Außenminister Mike Pompeo weist alles in Richtung Iran – Beweise dafür wurden allerdings nicht gezeigt.

Der kuwaitische UNO-Botschafter Mansur al-Otaibi sagte nach dem Treffen des Gremiums, Beweise für die Anschuldigungen der USA seien nicht diskutiert worden. Auch habe der Sicherheitsrat zunächst keine Maßnahmen angesichts der steigenden Spannungen beschlossen. Es müsse seiner Meinung nach eine unabhängige und gründliche Untersuchung geben. Kuwait steht dem Sicherheitsrat momentan vor.

Teheran deutet US-Beteiliung an

Der Iran wies indes die „haltlose Behauptung“ der USA kategorisch zurück. In einer Mitteilung der Vertretung des Landes bei den Vereinten Nationen hieß es: „Der ökonomische Krieg und Terrorismus der USA gegen das iranische Volk sowie ihre massive Militärpräsenz in der Region sind weiterhin die Hauptursachen für Unsicherheit und Instabilität in der weiteren Region des Persischen Golfs.“

Der Iran forderte: „Die USA und ihre regionalen Verbündeten müssen die Kriegshetze stoppen und die schädlichen Verschwörungen sowie die Operationen unter falscher Flagge in der Region beenden.“ Damit schien der Iran andeuten zu wollen, dass die USA und ihre Alliierten selber für die Angriffe verantwortlich sein könnten. Mit „Operationen unter falscher Flagge“ („false flag operations“) sind Angriffe gemeint, die einem Gegner in die Schuhe geschoben werden sollen, um damit etwa einen Anlass für einen militärischen Konflikt zu schaffen.

Iran: Für Sicherheit in Straße von Hormus verantwortlich

Der iranische Präsident Hassan Rouhani bezeichnete die USA als „schwere Bedrohung für die Stabilität“ in der Region und in der Welt. Die US-Regierung habe in den vergangenen zwei Jahren eine „aggressive Herangehensweise“ gezeigt und „alle internationalen Regeln“ verletzt, sagte Rouhani am Freitag bei einem Treffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) in Kirgistans Hauptstadt Bischkek.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu warnte vor übereilten Reaktionen. Die Vorfälle am Donnerstag seien wirklich sehr besorgniserregend, aber man dürfe nicht hastig reagieren, sagte er am Freitagvormittag in einem von CNN Türk übertragenen Interview mit der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. „Das muss ernsthaft untersucht werden.“ Zu den Vorwürfen der USA in Richtung Iran sagte er: „Wir glauben, dass es keinen Zweck hat, das auf die Schnelle einem einzigen Land anzulasten.“ Man könne nicht behaupten, binnen weniger Stunden alle Beweise gefunden zu haben. Das könne die Spannungen in der Region nur steigern.

China für mehr Zusammenarbeit mit Iran

Die EU schloss sich den US-Schuldzuweisungen vorerst nicht an. „Wir sind dabei, die Lage zu bewerten und Informationen zu sammeln“, sagte ein ranghoher EU-Beamter am Freitag in Brüssel. Man habe es mit einer komplexen Situation zu tun und könne zum derzeitigen Zeitpunkt nur dazu aufrufen, größtmögliche Zurückhaltung walten zu lassen und Provokationen zu vermeiden, sagte der Beamte. Er verwies darauf, dass es vermutlich am Montag bei einem EU-Außenministertreffen in Luxemburg Gespräche zum Thema geben werde.

China stellte dem Iran indes bei derselben Veranstaltung einen Ausbau der Zusammenarbeit in Aussicht. Präsident Xi Jinping habe seinem iranischen Amtskollegen Rouhani eine stetige Entwicklung der Beziehungen zugesichert, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. „Wir alle wollen keinen Krieg in der Golfregion“, sagte der chinesische Außenministeriumssprecher Geng Shuang am Freitag in Peking. China sei besorgt über die jüngsten Spannungen im Nahen Osten. Alle Parteien sollten ihre Differenzen durch Dialog lösen und Frieden und Stabilität sichern. Die Sicherheit der Schifffahrt in den betreffenden Seegebieten müsse gewahrt werden.

Iran: Sicherheit in Straße von Hormus „unsere Aufgabe“

Der Iran sieht es als seine Aufgabe an, die Sicherheit in der für die Schifffahrt wichtigen Straße von Hormus zu gewährleisten. Dass sein Land beschuldigt werde, für Angriffe auf Öltanker im Golf von Oman verantwortlich zu sein, sei alarmierend, sagte der Sprecher des Außenministeriums in Teheran, Abbas Mussawi, am Freitag dem staatlichen Rundfunk zufolge. „Es ist unsere Aufgabe, für Sicherheit in der Straße zu sorgen, und wir haben die Besatzung der angegriffenen Tanker so schnell wie möglich gerettet.“ Die Vorwürfe Pompeos seien alarmierend.

USA schicken weiteres Kampfschiff in Region

Der Golf von Oman ist über die Straße von Hormus mit dem Persischen Golf verbunden. Die Straße von Hormus ist einer der wichtigsten Wasserwege weltweit, der vor allem für Öltransporte aus der Golfregion eine zentrale Rolle spielt. Fast ein Fünftel der Öltransporte weltweit gehen durch die Straße von Hormus. Der Iran hatte wiederholt damit gedroht, diese Passage zu sperren, sollte er sein Erdöl wegen US-Sanktionen nicht verkaufen können.

Das US-Militär verlegte zuletzt unter anderem einen Flugzeugträgerverband und eine Bomberstaffel in die Region, was Sorgen vor einem militärischen Konflikt aufkommen ließ. Am Donnerstag wurde der Zerstörer „USS Mason“ in das Gebiet in Marsch gesetzt, in dem sich der mutmaßliche Angriff auf die beiden Tanker ereignet hatte. Auch die „USS Bainbridge“ war an Ort und Stelle, wie Centcom mitteilte.

Yutaka Katada
AP/Jae C. Hong
Der japanische Reeder beschreibt den Angriff

Japanischer Reeder: Fliegende Objekte

Unterdessen bestritt der japanische Betreiber des von einem deutschen Unternehmen gemanagten Tankers, dass sein Schiff von einem Torpedo getroffen worden sei, wie es zuvor geheißen hatte. Insgesamt habe es zwei Angriffe im Abstand von einigen Stunden gegeben, sagte der Präsident der japanischen Firma Kokuka Sangyo bei einer Pressekonferenz in Tokio am Freitag. Die Besatzungsmitglieder hätten noch vor der zweiten Explosion ein „fliegendes Objekt“ gesehen, das auf sie zugesteuert sei. Die Besatzung sei mittlerweile auf den Tanker „Kokuka Courageous“ zurückgekehrt, sagte Yutaka Katada weiter.

Betroffen waren am Donnerstag ein von einem deutschen Unternehmen gemanagter Frachter, der einer japanischen Firma gehört, sowie ein Schiff einer norwegischen Reederei. Beide Tanker wurden beschädigt, die Besatzungen wurden zunächst in Sicherheit gebracht.

Angriffe auch im Mai

Der Iran untersucht die schweren Zwischenfälle. Mehrere Expertenteams seien mit Hubschraubern über das Seegebiet geflogen, in dem es Explosionen gegeben habe, sagte ein Sprecher der Rettungsabteilung der iranischen Flotte zuvor. Die Ergebnisse der Untersuchungen sollten schon bald bekanntgegeben werden, zitierte die Nachrichtenagentur IRNA den Sprecher. Erst Mitte Mai waren vier Öltanker vor der Küste der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) attackiert worden. Saudi-Arabien machte den Iran und von ihm unterstützte Kräfte dafür verantwortlich. Der Iran wies die Vorwürfe zurück.