Schüler im Gespräch mit einem Lehrer
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Antrag von ÖVP und FPÖ

Sexualpädagogik ohne externe Vereine

Nach der Diskussion über den christlich-konservativen Verein TeenSTAR wollen ÖVP und FPÖ externe Vereine ganz aus dem Sexualkundeunterricht verbannen. Die Lehrkräfte sollten stattdessen dieser Aufgabe zusätzlich nachkommen.

Nur mit den Stimmen der beiden Ex-Regierungsparteien wurde Mitte Juni im Unterrichtsausschuss des Nationalrats ein Entschließungsantrag beschlossen.

ÖVP und FPÖ ersuchen Bildungsministerin Iris Rauskala darin, „die erforderlichen Schritte einzuleiten, damit eine altersgerechte und weltanschaulich neutrale Sexualerziehung ohne Beiziehung von schulfremden Personen oder Vereinen, sondern durch an der Schule wirkenden Pädagoginnen und Pädagogen sichergestellt ist“. Vereine könnten außerhalb des Unterrichts unterstützend eingreifen, hieß es in einer Aussendung.

Kritik von SPÖ, NEOS, JETZT und Grünen

Im Bildungsministerium sagte man gegenüber der APA, dass man an Entscheidungen des Gesetzgebers gebunden sei. „Wichtig ist uns, dass die Kinder und Jugendlichen auf die Bedürfnisse des eigenen Körpers altersgerecht vorbereitet werden und dass das so professionell wie möglich erfolgt. Da geht es insbesondere um eine stabile Persönlichkeitsentwicklung.“

Kritik an dem Entschließungsantrag, den beide Parteien Mitte Juni im Nationalrat eingebracht hatten, kam bereits zuvor von der SPÖ, NEOS, JETZT und den Grünen. Sie sehen unter anderem die gesamte schulische Sexualerziehung gefährdet.

Auslöser war die Causa TeenSTAR

Ende vergangenen Jahres waren Schulungsmaterialien von TeenSTAR öffentlich geworden, in denen u. a. Homosexualität als heilbares Identitätsproblem und Selbstbefriedigung als schädlich dargestellt wurden. Weiters wurden kein Sex vor der Ehe und natürliche Empfängnisverhütung propagiert.

Nach längerer Diskussion empfahl Ex-ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann den Schulen deshalb, nicht mehr mit TeenSTAR zusammenzuarbeiten. Außerdem sollten sich sexualpädagogische Vereine ab 2020/21 für den Einsatz an Schulen akkreditieren müssen.

ÖVP und FPÖ zogen jetzt viel weiter: „Eine eingehende Prüfung der Sachlage zeigt, dass die vom Staat vorgegebene Neutralität (‚Indoktrinationsverbot‘) in diesem Unterrichtssegment oft nicht gewährleistet ist“, heißt es im Entschließungsantrag. „Ein staatlicher Sexualkundeunterricht muss in sachlicher, kritischer und pluralistischer Weise erfolgen.“

„Grob fahrlässig“

SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid appellierte vor der Abstimmung per Aussendung an ÖVP und FPÖ, gemeinsam mit allen Fraktionen einen Weg für den Erhalt bewährter Sexualaufklärung auf hohem Niveau zu suchen. Würden externe Vereine verboten, verliere man deren Know-how und lasse die Lehrenden mit dem Thema allein.

Für NEOS-Bildungssprecher Douglas Hoyos ist es „absoluter Humbug und grob fahrlässig“, als Folge der Causa TeenSTAR alle Expertinnen und Experten von den Schulen zu verbannen. Gleichzeitig forderte er ein besseres Ausbildungsangebot für Lehrende, Qualitätsstandards und -kontrollen.

Lehrenden fehlt „passende Ausbildung“

JETZT-Bildungssprecherin Stephanie Cox befürchtete, dass „dann überhaupt keine Sexualpädagogik passiert“. Lehrerinnen und Lehrer hätten im Regelfall gar nicht die passende Ausbildung dafür. Vereine hingegen hätten zum Teil über Jahrzehnte viel Erfahrung gesammelt – nur wegen vereinzelter schwarzer Schafe wie TeenSTAR von der Zusammenarbeit abzugehen, sei daher nicht sinnvoll, so Cox zur APA.

Die Grünen bezeichneten das „unsinnige Verbot“ als Retourkutsche dafür, dass Faßmann den Schulen schließlich von einer Zusammenarbeit mit TeenSTAR abgeraten hat.

Experten wollen weiter an Schulen kommen

Auch Expertinnen und Experten warnten. Damit werde Sexualpädagogik an Schulen de facto abgeschafft, heißt es Mitte Juni in einem Appell, der von Fachleuten und rund 100 Institutionen – von den Pfadfindern bis zur Aids-Hilfe – unterstützt wird.

Der Ausschluss von sexualpädagogischen Vereinen aus dem Unterricht sei „ein fundamentaler Rückschritt in der Prävention von sexualisierter Gewalt, ungewollten Schwangerschaften und sexuell übertragbaren Infektionen“, so Gabriele Rothuber von der Fachstelle Selbstbewusst.

Laut den Experten würden Jugendliche dadurch mit ihren Fragen, Ängsten und Unsicherheiten allein gelassen. Schüler wollten intime Fragen zu Sexualität nämlich nicht mit ihren Lehrerinnen und Lehrern besprechen und auch für diese würden dabei persönliche Grenzen überschritten.

Katholische Jugend pocht auf Sexualpädagogik

Auch der Bundesvorstand der Katholischen Jugend Österreich sprach sich gegen den Entschließungsantrag von ÖVP und FPÖ aus. „Durch den Antrag soll die Hinzunahme von externen ExpertInnen im Bereich der schulischen Sexualpädagogik komplett untersagt werden“, warnte die Katholische Jugend Anfang Juli in einer Aussendung – mehr dazu in religion.ORF.at.