Sebastian Kurz
ORF.at/Roland Winkler
Neue Zahlen der ÖVP

Kurz sammelte deutlich mehr Spenden ein

Einen Tag nachdem publik geworden ist, dass die ÖVP im Wahljahr 2017 eine Großspende vom Porr-Hauptaktionär Klaus Ortner erhalten hat, versucht die Partei von Ex-Kanzler Sebastian Kurz, in Sachen Parteispenden in die Offensive zu gehen – und räumt ein, dass Kurz deutlich mehr Spenden sammelte, als bisher bekannt war.

Zugleich kritisierte die ÖVP die anderen Parteien. Diese schossen sich ihrerseits auf die ÖVP ein. Das Forum Informationsfreiheit zeigte die ÖVP an. Transparenz bei den Parteifinanzen wird damit zu einem immer zentraleren Thema.

ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer legte am Freitag in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz die Spenden für den Wahlkampf 2017 offen: Demnach waren es in Summe 4,4 Millionen Euro, direkt an die Bundespartei gingen drei Mio. Bekannt waren bisher „nur“ 2,1 Millionen. Nehammer gab die Zahl einen Tag nach einem „Kurier“-Bericht über Ortners Großspenden bekannt.

Der ÖVP-Generalsekretär bestätigte am Freitag den „Kurier“-Bericht. Laut Nehammers Angaben war Ortner der größte Einzelspender für die ÖVP im Wahljahr 2017. Dass es einen Zusammenhang zwischen den Großspenden und der Berufung von Ortners Tochter, Iris Ortner, in den Aufsichtsrat der Staatsholding ÖBAG gibt, bestritt Nehammer zugleich. Iris Ortner sei eine der besten Managerinnen Österreichs. Es dürfe keine „Sippenhaftung“ geben, so Nehammer.

Viel mehr Spenden als bekannt

In Summe hat Kurz’ Partei jedenfalls deutlich mehr Spenden erhalten als bisher bekannt. Wie Nehammer in einer Pressekonferenz sagte, hat allein die Bundespartei im Wahljahr fast drei Mio. Euro an Spenden eingenommen (2,96 Mio. Euro). Inklusive Spenden an Landes- und Gemeindeparteien sowie an Wahlwerber und nahestehende Organisationen hat die ÖVP 4,4 Mio Euro eingenommen, wie aus den bei der Pressekonferenz verteilten Unterlagen hervorgeht.

Die Differenz von rund 900.000 Euro zwischen der auf Kurz’ Website veröffentlichten Liste und der tatsächliche erhaltenen Summe erklärte Nehammer damit, dass in der veröffentlichten Liste nur die im Wahlkampf eingelangten Spenden aufgelistet worden seien. Viele Spender hätten aber davor oder danach gespendet.

Beliebte Stückelung

Größter Einzelspender war den Angaben zufolge die IGO-Gruppe des Tirolers Ortner, des Hauptaktionärs des Baukonzerns Porr. Die diversen Firmen des Konzerns überwiesen im Wahljahr 438.000 Euro an die ÖVP, wie aus den Unterlagen der Partei hervorgeht (Nehammer sprach zuerst irrtümlich von 428.000 Euro). Damit ist er größter Einzelspender vor KTM-Chef Stefan Pierer (436.563 Euro).

Anders als Pierer hat Ortner seine Spenden allerdings auf mehrere Tranchen verteilt, womit die sofortige Veröffentlichung der Großspende auf der Rechnungshof-Homepage umgangen wurde. Laut Nehammer waren es insgesamt neun Tranchen. Ortner spendete nach eigenen Angaben auch 2018 und 2019 – wie viel, ist noch nicht bekannt.

Grafik zu ÖVP-Parteispenden
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/ÖVP

Drei weitere Großspender

Ortner ist nicht der Einzige, der Spenden an die ÖVP in mehrere Beträge gestückelt hat. Das geht aus der Spendenliste hervor, die die ÖVP als Vorgriff auf ihren Rechenschaftsbericht am Freitag veröffentlicht hat. Darin scheinen nämlich drei weitere, bisher nicht beim Rechnungshof veröffentlichte Großspenden über 50.000 Euro auf.

Konkret handelt es sich bei den Großspenden um Zuwendungen von Dorotheum-Geschäftsführer Martin Böhm und Markus Braun, Vorstand des deutschen Zahlungsdienstleisters Wirecard. Beide Namen finden sich zwar unter den bereits bekannten Spendern, die auf der Homepage der ÖVP veröffentlicht wurden.

Allerdings scheinen sie dort nur mit 40.000 Euro auf – also zu wenig für eine sofortige Veröffentlichung beim Rechnungshof. Tatsächlich hat Böhm im Verlauf des Wahljahres aber 100.000 Euro gespendet, Braun 70.000 Euro. Auch hier hat die Stückelung in mehreren Teilbeträgen eine sofortige Veröffentlichung beim Rechnungshof also verhindert.

Turnauers stückelten ebenfalls

Ebenfalls unter den „Spendenstücklern“ des Jahres 2017 ist die ILAG Vermögensverwaltung der Industriellenfamilie Turnauer, die dieses Modell schon 2013, 2014 und 2016 praktiziert hat. Sie überwies den ÖVP-Zahlen zufolge 100.000 Euro. Das Geld floss nach Angaben eines Parteisprechers an die Wiener Landespartei.

Wahlkampfspenden: ÖVP legt Finanzen für 2017 offen

Nachdem immer mehr Kritik über die Wahlkampfspenden der ÖVP laut geworden war, hat die Partei nun ihre Finanzen für 2017 offengelegt.

ÖVP gegen Verbot von Stückelung

ÖVP-Generalsekretär Nehammer plädierte in der Pressekonferenz dafür, die Schwelle für die sofortige Veröffentlichung von Großspenden von aktuell 51.000 auf 25.000 Euro zu senken. Zum Verbot des Spendensplittings zeigte sich Nehammer aber zurückhaltend. Man könne das bei den aktuellen Verhandlungen diskutieren, aber für ihn stelle sich die Frage, wie weit man in die Möglichkeiten der Spender eingreifen wolle. Außerdem betonte Nehammer, dass die ÖVP alle Spenderinnen und Spender (im Rechenschaftsbericht, Anm.) an den Rechnungshof gemeldet und alle gesetzlichen Vorschriften eingehalten habe: „Für uns als Volkspartei sind Spenden nichts Verwerfliches, solange sie den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen.“ Der Bericht des Rechnungshofs erscheint aufgrund der lang laufenden Meldefristen allerdings erst rund zwei Jahre nach dem jeweiligen Wahlgang.

ÖVP: Überschreitung nicht wesentlich durch Spenden

Zurückgewiesen wurde vom ÖVP-Generalsekretär der Verdacht der anderen Parteien, die ÖVP habe die massive Überschreitung der Wahlkampfkosten vor allem durch Spenden finanziert. Anstatt der erlaubten sieben hat die ÖVP 2017 ja 13 Mio. Euro ausgegeben. Der Großteil davon wurde laut Nehammer durch Parteienförderung und Bankdarlehen finanziert (7,3 Mio. Euro), weitere 3,6 Mio. Euro kamen ihm zufolge von den Ländern und Bünden, 2,1 Mio. Euro aus Wahlkampfspenden.

Kritik an SPÖ

Er verwies außerdem darauf, dass auch der heutige Bundespräsident Alexander Van der Bellen seinen Wahlkampf maßgeblich durch Spenden finanziert hatte, ebenso NEOS. Zudem forderte Nehammer die SPÖ-Gewerkschafter (FSG) und den roten Pensionistenverband auf, die Umgehung des Parteiengesetzes durch zwischengeschaltete Vereine zu beenden. Um zu verhindern, dass Spenden an diese Vorfeldorganisationen offengelegt werden müssen, haben FSG und SPÖ-Senioren ja neue Vereine gegründet, die offiziell die Mitspracherechte in der Partei wahrnehmen, aber keine nach außen wahrnehmbaren Aktivitäten setzen.

Sollten die Verhandlungen zur Verschärfung der Transparenzregeln ein Verbot von Großspenden bringen, werde die ÖVP das zur Kenntnis nehmen und ihre politische Arbeit trotzdem erfolgreich fortsetzen, betonte Nehammer. Außerdem deponierte er erneut die weiteren Reformforderungen der ÖVP: nämlich eine Kürzung der Klubförderung für alle Fraktionen mit weniger als 40 Prozent Frauen sowie eine Kürzung der Parteienförderung des Bundes um ein Viertel.

SPÖ: Kurz muss für Aufklärung sorgen

Von den anderen im Parlament vertretenen Parteien gab es die Aufforderung an die ÖVP, die Finanzen völlig offenzulegen. Von einem „einzigen Täuschungsmanöver“ sprach SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. „Die Veröffentlichungen über die Wahlkampfspenden an die ÖVP waren einerseits ein Täuschungsmanöver und andererseits ein Schuldeingeständnis“, so Leichtfried. Die „Scheinheiligkeit“ der ÖVP habe ein unerträgliches Ausmaß erreicht. Und Leichtfried unter Bezug auf einen ÖVP-Wahlslogan weiter: Er hoffe, dass „die Anständigen und Ehrlichen“ in der ÖVP "diesen Vorgängen so schnell wie möglich ein Ende bereiten“.

FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker sprach von einem „undurchsichtigen ÖVP-System bei den Großspendern“. Beinahe täglich tauche „irgendein finanzieller Gönner im Dunstkreis der ÖVP“ auf. Hafenecker fordert eine Reform der Parteienfinanzierung und erinnert an den parteieigenen Initiativantrag, der unter anderem eine Meldepflicht von Personenkomitees beim Parteien-Transparenz-Senat und eine Begrenzung von Wahlkampfspenden auf 3.500 Euro pro Jahr vorsieht.

NEOS: Verdächtige „Salamitaktik“ der ÖVP

NEOS kritisierte, dass die ÖVP weiter „keine vollständige Rechenschaft" ablege. „Spenden zu bekommen ist nichts Unanständiges. Unanständig ist es, jahrelang zu verschleiern, von wo sie kommen“, so NEOS, das unter anderem vom Industriellen Peter Haselsteiner tatkräftig unterstützt wird. NEOS-Sprecher Nikola Donig verwies darauf, dass seine Partei die gesamten Finanzen ganzjährig und ohne Verzögerung offenlege. Die „Salamitaktik gepaart mit auffallender Aggressivität“ sei „mehr als verdächtig“, so Donig in Richtung ÖVP.

JETZT und Grüne für Strafrechtsdelikt

JETZT-Gründer Peter Pilz wertete Nehammers Angaben als „erstes Geständnis“. Es sei aber weiter unklar, wie die ÖVP ihren 13 Millionen teuren Wahlkampf genau finanziert habe. Pilz fordert seinerseits unter anderem ein Verbot von Spenden von Unternehmen. Die Verschleierung von Parteispenden müsse zudem ein strafrechtliches Delikt werden. Pilz fordert zudem die Abberufung von Iris Ortner aus dem ÖBAG-Aufsichtsrat.

Der Wahlkampfleiter der Grünen, Thimo Fiesel, forderte ebenfalls volle Transparenz. Auch die Spenden auf Landes- und Gemeindeparteien sowie an Bünde und ÖVP-nahe Vereine müssten offengelegt werden. Fiesel fordert strafrechtliche Sanktionen und das Recht des Rechnungshofs, direkt in die Parteibücher und deren Vorfeldorganisationen Einblick zu nehmen, „so wie in anderen Ländern auch“.

ÖVP angezeigt

Das Forum Informationsfreiheit, das seit Jahren für eine Verschärfung des Parteiengesetzes und die Abschaffung des Amtsgeheimnisses kämpft, hat die ÖVP wegen Ortners Großspende beim Unabhängigen Parteien Transparenz Senat (UPTS) im Kanzleramt angezeigt. Generalsekretär Mathias Huter hofft, dass der Senat noch vor der Wahl abklärt, ob gegen das Parteiengesetz verstoßen wurde. Huter räumte aber ein, dass die Klage wohl eher symbolischen Charakter hat. Der Nachweis eines Gesetzesverstoßes ist in der Praxis schwierig: Weder der Rechnungshof noch der UPTS haben Einblick in die Parteibücher.