Frau geht mit Hilfe eines Rollators
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Politik

In die Pflegedebatte kommt Bewegung

Die Parteien haben das Pflegethema vor der Nationalratswahl im Herbst für sich entdeckt. So einigten sie sich am Dienstag im Finanzausschuss einhellig auf die Valorisierung des Pflegegeldes. Noch vor wenigen Monaten wäre das laut JETZT, das den Antrag initiiert hatte, nicht möglich gewesen. Auf das Pflegethema sprang zuletzt auch die ÖVP auf.

Das Pflegegeld soll ab dem kommenden Jahr jährlich valorisiert werden. Die Geldleistung wurde bisher nur sporadisch erhöht und hat seit seiner Einführung im Jahr 1993 laut Fachleuten in Summe rund 35 Prozent an Wert verloren. Künftig soll sich die Erhöhung am Pensionsanpassungsfaktor orientieren, was für heuer ein Plus von zwei Prozent bedeutet hätte.

Die Valorisierung soll für alle Pflegegeldstufen erfolgen. Die ehemalige ÖVP-FPÖ-Koalition hatte ursprünglich eine Anhebung lediglich ab der vierten Pflegestufe geplant. Die noch ausständige Abstimmung über den Antrag im Nationalratsplenum soll vor der Sommerpause im Juli erfolgen. Aktuell beziehen rund 463.000 Menschen in Österreich Pflegegeld. Die Kosten für die Valorisierung dürften laut APA-Berechnungen bei rund 54 Mio. Euro pro Jahr liegen

Rossmann: „Kein Wahlzuckerl“

Dass es zu einer Einigung aller Parteien kommt, war noch vor Kurzem nicht absehbar. Die ÖVP war es etwa, die sich bis Mitte Juni nicht für den JETZT-Antrag erwärmen konnte. Zu dem Sinneswandel der Partei könnte es auch deshalb gekommen sein, weil im Nationalrat seit dem Ende der ÖVP-FPÖ-Regierung ein freies Spiel der Kräfte herrscht. Man habe sich auf einen Abänderungsantrag zu dem von JETZT eingebrachten und mehrheitlich angenommenen Fristsetzungsantrag geeinigt, so ÖVP-Klubobmann August Wöginger am Dienstag.

Grafik über Pflegegeldbezieher in Österreich
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Sozialministerium

Obwohl die Nationalratswahl vor der Tür steht – und dabei wie schon 2017 die Abschaffung des Pflegeregresses – und das Thema Pflege an Fahrt gewinnt, sieht JETZT-Klubobmann Bruno Rossmann die Einigung aber nicht als Wahlzuckerl. Vielmehr handle es sich um eine notwendige, kleine Verbesserung, so Rossmann. Die Kosten dafür wurden mit 50 Millionen Euro jährlich beziffert.

Pflegeexpertin Wild über die Zukunft der Pflege

Monika Wild vom Österreichischen Roten Kreuz über die Anpassung des Pflegegeldes an die Inflation, das Pflegesystem in Österreich und die Zukunft der Pflege.

Rossmann freute sich auch, dass dem Pflegegeld künftig der Wertverlust durch die Inflation erspart bleibe. Der JETZT-Klubobmann wies darauf hin, dass sich vor wenigen Monaten noch keine Mehrheit im Nationalrat dafür fand. „Erst das freie Spiel der Kräfte hat diesen Erfolg möglich gemacht“, so Rossmann. Trotz Kritik am freien Spiel der Kräfte stimmte auch Gerald Loacker seitens NEOS zu.

Lob von allen Seiten

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sah einen „wichtigen und notwendigen Schritt“ zur Unterstützung der betroffenen Familien und eine langjährige Forderung der SPÖ erfüllt. Auch der designierte FPÖ-Chef Norbert Hofer äußerte sich erfreut: „Heute ist ein guter Tag für die pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörige in Österreich“, sagte er – und sah ebenfalls eine „jahrelang vehement“ vorgetragene Forderung seiner Partei umgesetzt.

Auch Diakonie und Seniorenbund begrüßten die geplante Valorisierung. Als nächster Schritt müssten Pflege und Betreuung neu gedacht werden, verlangte Diakonie-Direktorin Katharina Moser in einer Aussendung. ÖVP-Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec sah in der Wertanpassung ein „wichtiges Signal der Wertschätzung“. Die Volkshilfe befürwortete die Wertanpassung ebenfalls und forderte im gleichen Atemzug eine „solidarische“ Pflegefinanzierung, was auch eine Besteuerung von Vermögen und eine Erbschafts- und Schenkungssteuer beinhalte.

ÖVP und SPÖ werben für Pflege

Erst am Montag stand das Thema Pflege mit dem Siebenpunkteplan der ÖVP sowie der damit verbundenen Welle an Kritik ganz weit oben auf der innenpolitischen Agenda. Das ÖVP-Pflegekonzept sieht unter anderem vor, dass Staat und Unfallversicherung für die Kosten der von der ÖVP geplanten neuen Pflegeversicherung aufkommen sollen. Die Pflegeversicherung soll organisatorisch in der Unfallversicherung untergebracht werden. Was nicht durch die Mittel der AUVA gedeckt werden kann, soll aus dem Staatshaushalt zugeschossen werden.

Nationalrat einigt sich auf Valorisierung des Pflegegeldes

Am Dienstag haben sich die fünf im Nationalrat vertretenen Parteien auf eine Valorisierung des Pflegegeldes ab 1.Jänner 2020 geeinigt.

SPÖ-Chefin Rendi-Wagner stellte das bereits letztes Jahr präsentierte SPÖ-Konzept am Dienstag als Gegenmodell dar, dieses würde „Pflegesicherheit“ produzieren. Das SPÖ-Konzept sieht Pflegeservicestellen, Anspruch auf Pflegekarenz, ordentlichen Lohn für Pflegepersonal und eine staatliche Pflegegarantie vor. Der Staat solle die Kosten – in der Höhe von rund einer Milliarde Euro jährlich – tragen.

„Überschriften und Luftblasen“

Zum ÖVP-Konzept sagte Rendi-Wagner, dieses reiße viele wichtige Themen an, „allerdings beschränkt sich das Konzept auf Überschriften und Luftblasen. Wenn man genauer hinschaut, dann gefährdet dieser ÖVP-Vorschlag, der ein Konstrukt mit der AUVA vorsieht, aus meiner Sicht die Unfallversorgung in Österreich und würde (…) zur Schließung einiger Unfallkrankenhäuser führen“ – Gleiches gelte für Rehabilitationseinrichtungen der AUVA.

Leichte Skepsis zum ÖVP-Plan, die Pflegefinanzierung über die Unfallversicherung abzuwickeln, kam am Dienstag von Hauptverbandsvorsitzenden Alexander Biach. Er hält eine Pflegesozialversicherung zwar für sinnvoll, würde diese aber bei der Pensionsversicherung (PVA) ansiedeln. Dort verweist man darauf, dass schon jetzt 330.000 Pflegegeldfälle von der Pensionsversicherung betreut werden. PVA-Generaldirektor Winfried Pinggera betonte, dass von seiner Einrichtung schon jetzt etwa 50 Prozent der Erstanträge auf Pflegegeld betreut werden.