Metro-Einkaufswagen
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Daniel Kretinsky

Tschechiens Rene Benko greift nach Metro

In wenigen Tagen wird der tschechische Investor und Milliardär Daniel Kretinsky 44 Jahre alt. Sein derzeit dringlichster geschäftlicher Wunsch ist die Übernahme eines deutschen Traditionskonzerns, der Metro AG. Kretinsky hat in wenigen Jahren ein bemerkenswertes Firmenimperium aufgebaut, Skepsis schlägt ihm dennoch entgegen.

Kretinsky und sein slowakischer Partner Patrik Tkac veröffentlichten am 21. Juni ein Übernahmeangebot durch ihre Investmentgesellschaft EP Global Commerce: Sie bieten den Metro-Aktionären 16 Euro je Stammaktie und 13,8 Euro je Vorzugsaktie und bewerten das Unternehmen somit mit rund 5,8 Milliarden Euro. Das entspreche einer Prämie von 34,5 Prozent für die Aktionäre, erklärten sie, allerdings nicht auf Basis des aktuellen Aktienkurses. Vielmehr gelte der Aufschlag für die Zeit vor dem Einstieg der EP bei Metro im August 2018 – ab diesem Zeitpunkt ging es mit dem Kurs stetig bergauf.

Der Metro-Vorstand zeigte sich von dem Angebot wenig begeistert: Man sei fest überzeugt, dass dieses das Unternehmen „erheblich unterbewertet und dessen Wertschöpfungsplan nicht reflektiert“. Dem schlossen sich Vertreter von Kleinaktionären an: „Wir würden den Metro-Aktionären abraten, so ein Angebot anzunehmen“, sagte Jella Benner-Heinacher, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).

Metro-Filiale in Vösendorf
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Die Metro AG hat weltweit 150.000 Mitarbeiter und rund 770 Märkte in 26 Ländern

Unter den tausend Reichsten

Inzwischen hat sich die EP über Aktienkäufe und Kaufoptionen bereits den Zugriff auf mehr als 30 Prozent der Anteile gesichert, doch angestrebt wird die volle Kontrolle. Die komplette Übernahme des Konzerns soll Kretinsky und seinem Geschäftspartner die operative Handhabe verschaffen, „um die erfolgreiche Beschleunigung des Transformationsprozesses“ voranzutreiben, berichtete das Magazin „Finance“. Es sei nötig, eine Reihe von Initiativen in den Bereichen Organisation, Geschäft und Prozesse umzusetzen, sagte er. Verschlafe die Metro das, „wäre das Unternehmen erheblichen Risiken durch stagnierende oder rückläufige Ergebnisse ausgesetzt.“

Der 1975 in Brünn geborene Kretinsky ist einer der wohlhabendsten Tschechen – auf einer „Forbes“-Liste der reichsten Menschen rangiert er auf Platz 924 mit einem Vermögen von geschätzt rund 2,6 Milliarden Dollar. Nach Universitätsabschlüssen in Politikwissenschaften und Jus stieg er 1999 als Wirtschaftsanwalt bei der Investmentfirma J&T-Gruppe ein. Dort arbeitete er bereits mit seinem jetzigen Geschäftspartner Tkac zusammen. 2009 wurde er Vorsitzender der von J&T gegründeten Energeticky Prumyslovy Holding (EPH), die ihm mittlerweile zu 94 Prozent gehört.

Investitionen in Braunkohle

Die Holding vereint mehr als 50 Unternehmen mit 25.000 Mitarbeitern aus dem Energiesektor unter einem Dach. Der erste Schwerpunkt von EPH lag auf Infrastrukturprojekten, gekauft wurde beispielsweise das slowakische Pipeline-Unternehmen Eustream, das auch russisches Gas nach Europa transportiert. Später verlagerte sich der Konzern auf Stromerzeugung – man erstand Kohlekraftwerke von Eon in Italien und Centrica in Großbritannien, im September 2016 wurde der Verkauf von Braunkohle-Tagebauwerken von Vattenfall an EPH in Deutschland finalisiert. Mit diesen „schmutzigen“ Investitionen machte Kretinsky viel Geld – Sympathien brachten sie ihm weniger ein.

Investor Daniel Kretinsky
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Viel Geld, viel Diskretion: Daniel Kretinsky

„Vielleicht begann es als Versuch, irgendwann aber wurde Kretinsky klar, dass mit der Energiewende eine drastische Abwanderung von Investoren aus traditionellen Kohlekraftwerken einhergeht“, zitierte die „Financial Times“ („FT“) unlängst Jozef Kotrba, den Vorsitzenden des Beratungsunternehmens Deloitte in Tschechien. „Und er bemerkte, dass zwischen dem Moment, in dem diese Investitionen als wertlos gelten, und dem Moment, in dem die Werke wirklich abgedreht werden, eine große Chance besteht, Geld zu verdienen.“

Kotrba findet aber wertschätzende Worte für Kretinsky, der stets im Hintergrund agiert und kaum öffentlich in Erscheinung tritt: „Er ist sehr besonnen, sehr diplomatisch, im Gegensatz zu vielen anderen Big Playern, und das hat viel dazu beigetragen, sein Imperium hauptsächlich mit externen Ressourcen aufzubauen.“

Umfassendes Imperium

Dieses Imperium ist durchaus weit gestreut: Kretinsky hält Anteile an dem Medienunternehmen Czech News Center, das unter anderem „Blesk“, das meistgelesene Boulevardblatt Tschechiens, herausgibt. Außerdem besitzt er Beteiligungen am zweitgrößten tschechischen Onlinehändler, der Mall.cz-Gruppe. Er kaufte Ringier und Axel Springer ihr tschechisches Joint Venture ab, zu dem zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften gehören.

Aufsehen erregte vor allem sein Einstieg bei der französischen Zeitung „Le Monde“, an der er jetzt zehn Prozent hält. Zuvor hatte er bereits das Nachrichtenmagazin „Marianne“ gekauft, später übernahm er auch die französische Ausgabe der Modezeitschrift „Elle“. Zudem hat Kretinsky in den Fußballclub Sparta Prag investiert.

„Tschechische Sphinx“

Welche Pläne genau Kretinsky für die Metro hegt, ist unklar. Der von einem polnischen Magazin als „tschechische Sphinx“ bezeichnete Milliardär sei jedenfalls nicht an kurzlebigen Projekten interessiert, sagen einstige Geschäftspartner: „Ich kenne niemanden, der so tief in jedes Detail einer Investition eintaucht“, zitierte die „FT“ einen Banker. „Sein Anlagehorizont ist extrem langfristig, fast wie bei einer Familiendynastie.“

Respekt zollte ihm auch die „Süddeutsche Zeitung“: „Bei aller gebotenen Skepsis ist zu begrüßen, dass nun endlich jemand anpacken will, vor Energie sprüht und die Dinge bewegen will. Das ist ein gutes Zeichen, für die Metro insgesamt, aber auch für die Mitarbeiter. (…) Es ist fast tollkühn, sich auf das Abenteuer Metro einzulassen. Dass er scheitert, ist viel wahrscheinlicher, als dass er reüssiert. Es trotzdem zu wagen ist anzuerkennen.“ Dieser Wagemut fehle den „satten, in alpenländischer Abgeschiedenheit lebenden Erben einer einstmals erfolgreichen Händlergeneration“. Deren „unternehmerischen Unzulänglichkeiten“ wüssten nun „findige Investoren wie Kretinsky oder der Österreicher Rene Benko zu füllen“.