Sea-Watch 3
Reuters/Guglielmo Mangiapane
„Unnötige Grausamkeit“

Politiker protestieren auf Flüchtlingsschiff

Das Rettungsschiff der deutschen NGO Sea-Watch hat am Donnerstag vergeblich versucht, in den Hafen Lampedusas einzufahren. Daraufhin bestiegen italienische Oppositionspolitiker das Schiff – und wollen es erst wieder verlassen, bis eine Lösung für die Landung der Geflüchteten erreicht wird.

Eine Gruppe italienischer Parlamentarier der oppositionellen Demokratischen Partei (PD) erreichte am Donnerstagnachmittag an Bord eines Schlauchbootes das Rettungsschiff „Sea-Watch 3“. Das Schiff mit 43 Geflüchteten versuchte am Nachmittag, im Hafen anzulegen, wurde jedoch von der italienischen Küstenwache gestoppt.

Die PD-Parlamentarier gingen mit einer Gruppe von Journalistinnen und Journalisten an Bord des Rettungsschiffs – und wollen es nur gemeinsam mit den Geflüchteten verlassen. „Diese unnötige Grausamkeit muss beendet werden, sie (die Flüchtlinge, Anm.) haben das Recht zu landen“, appellierten die Parlamentarier laut Medienangaben. Das Schiff befindet sich laut Angaben der Crew derzeit eine Seemeile vom Hafeneingang entfernt.

Riccardo Magi, Nicola Fratoianni, Graziano Delrio, Matteo Orfini und Carola Rackete
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Die Parlamentarier Magi, Fratoianni, Delrio, Orfini und die deutsche Kapitänin Carola Rackete an Bord der „Sea-Watch 3“

In der Nacht auf Freitag konnten zwei Flüchtlinge an Land gehen. Ein 19-Jähriger mit starken Schmerzen und sein minderjähriger Bruder konnten die „Sea-Watch 3“ verlassen, kündigte die Crew auf dem Kurznachrichtendienst Twitter an. „Wir können nicht warten, bis jeder Einzelne ein Notfall ist, damit die EU ihre Rechte anerkennt“, sagte die deutsche Kapitänin Carola Rackete. Sie bemängelte, dass Italien und die EU die Migranten in Stich gelassen hätten.

Salvini fordert Festnahme der Crew

Der italienische Innenminister Matteo Salvini forderte die Festnahme der Crew. „An Bord befinden sich Personen, die die Gesetze Italiens verletzen, in erster Linie die Kapitänin. Wenn das Schiff konfisziert und die Crew festgenommen wird, bin ich froh“, sagte Salvini am Donnerstag in einem Radiointerview.

„Wir können in Italien nicht alle landen lassen. Die Gesetze eines Landes sind ernst zu nehmen. Die Personen an Bord der ‚Sea-Watch‘ sind keine Schiffbrüchigen, sondern Menschen, die 3.000 Dollar bezahlen, um ihr Land zu verlassen. Ich erlaube nicht, dass ausländische private Vereine die Einwanderungspolitik eines Landes mit seinen Gesetzen, Rechten und seiner Würde bestimmen“, so Salvini.

Humanitäre Organisationen warfen Salvini „Unmenschlichkeit“ vor. Aktivistinnen und Aktivisten von Menschenrechtsorganisationen verbrachten bereits die zweite Nacht auf dem Platz vor der Kirche Lampedusas, um ihre Solidarität mit den Geflüchteten an Bord der „Sea-Watch 3“ auszudrücken.

Carola Rackete
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Die deutsche Kapitänin erklärte, sie sei bereit gewesen, die Menschen an Bord von Schlauchbooten an Land gehen zu lassen

„Regeln müssen respektiert werden“

Auch der italienische Verkehrsminister Danilo Toninelli, der für Italiens Häfen zuständig ist, betonte, dass die „Sea-Watch 3“ das internationale Seerecht verletzt habe. „Die Crew weiß das genau, die Regeln müssen respektiert werden“, sagte Toninelli.

Die NGO konterte auf Twitter: „Wir waren dazu gezwungen, weil nicht eine einzige EU-Institution Verantwortung übernommen hat. Müssen wir alleine weitermachen, oder erinnert sich irgendwer an die eigene Verpflichtung, auf See Leben zu retten?“ Die Crew betonte, es seien 24 Stunden vergangen, seitdem der Notstand gemeldet worden sei, aufgrund dessen die deutsche Kapitänin zum Eintritt in italienische Hochheitsgewässer gezwungen worden sei.

Medien: Kapitänin drohen 15 Jahre Haft

Rackete erklärte, sie sei bereit gewesen, die Menschen an Bord von Schlauchbooten an Land gehen zu lassen. Sie sei jedoch von der italienischen Küstenwache zu Geduld aufgerufen worden, da eine „rasche Lösung“ in Sicht sei. „Die Lage an Bord hat sich verschlechtert. Einige Migranten wollen ins Meer springen. Wir müssen in den Hafen gelangen, um Probleme zu vermeiden“, so Rackete.

Rackete drohen laut italienischen Medien 15 Jahre Haft wegen Beihilfe zur Schlepperei. Ihr drohen außerdem eine Geldstrafe von 50.000 Euro und die Konfiszierung des Schiffes. Die NGO Sea-Watch sammelte in den vergangenen Tagen über Facebook 65.000 Euro für die Anwaltskosten.

Migranten auf der Sea-Watch 3
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42 Geflüchtete befinden sich derzeit an Bord des Rettungsschiffes

„Die EU hat die Pflicht einzugreifen“

Die EU-Parlamentarier der PD richteten einen Appell an EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos für eine sofortige Lösung des Problems. „Die EU hat die Pflicht, mit allen Mitteln einzugreifen, um diesem Stillstand ein Ende zu setzen und die Landung der Migranten in einem sicheren Hafen zu ermöglichen“, hieß es in einem offenen Brief an Avramopoulos.

Die EU-Mitgliedsstaaten wurden unterdessen zu „Solidarität“ bei der Suche nach einer Lösung für die 42 Menschen an Bord aufgerufen. „Wir prüfen, welche EU-Mitgliedsstaaten zur Aufnahme der Migranten bereit sind“, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission. Der italienische Premier Giuseppe Conte sagte am Rande des G-20-Gipfels im japanischen Osaka, dass „drei oder vier Länder“ zur Aufnahme der Menschen bereit seien. „Die Umverteilungsprozedur ist in die Wege geleitet worden“, so Conte am Freitag.

Conte sprach auch mit dem niederländischen Premier Mark Rutte und machte Druck für die Aufnahme der Migranten. Die „Sea-Watch 3“ ist unter niederländischer Flagge unterwegs. Rutte erklärte, sein Land sei nicht für das Verhalten einzelner Personen zuständig, so Conte. Die „Sea-Watch 3“ patrouilliert laut eigenen Angaben vor der libyschen Zone von 24 Seemeilen und sucht dort aktiv nach Booten in Seenot. Das Schiff sticht von Malta aus in See. Die NGO gibt an, so Tausende Menschen gerettet zu haben. Wiederholt wollte dann kein Land die Geflüchteten aufnehmen.