Ältere Frau
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Erhöhung der Mindestpension

Streit über wahre Kosten entbrannt

Kurz vor dem geplanten Beschluss nächste Woche im Nationalrat ist über die Erhöhung der Mindestpensionen bei langen Versicherungszeiten ein Streit entbrannt. Dabei geht es um die zu erwartenden Kosten. Diese seien nämlich nach Einschätzung des Sozialministeriums höher als von der damaligen Regierung von ÖVP und FPÖ vorgerechnet, wie am Samstag mehrere Medien berichteten.

Wenn nämlich eine Erhöhung der Mindestpensionen auch EU-Bürgerinnen und -Bürgern gewährt werden muss, wovon Fachleute im Bereich Europa- und Arbeitsrecht ausgehen, könne der Plan der Vorgängerregierung durchaus mehr Kosten verursachen. Die ehemaligen Regierungsparteien widersprachen dieser Einschätzung und kritisierten, ohne sie beim Namen zu nennen, Sozialministerin Brigitte Zarfl als SPÖ-Vertreterin in der Regierung.

Die von den Fraktionen der einstigen ÖVP-FPÖ-Regierung geplante Erhöhung sieht vor, dass ab 2020 Menschen mit 40 Beitragsjahren eine Mindestpension von 1.315 Euro brutto erhalten, jene mit 30 Beitragsjahren 1.080 Euro. Vor allem Österreicherinnen und Österreicher, die lange ins System eingezahlt haben, sollen davon profitieren. Die ÖVP geht von Kosten in Höhe von 50 Millionen Euro aus. Diese seien auch bereits im Stabilitätsprogramm eingerechnet worden.

Unterschiedliche Berechnungen

Die Berechnungen des jetzigen Sozialministeriums aber gehen pro Jahr von rund 110.000 Betroffenen aus – und da würden sich die Mehrkosten „im Extremfall“ auf 421,4 Millionen Euro pro Jahr summieren. Die unterschiedlich berechneten Beträge sind deshalb möglich, da eine unterschiedliche Zahl der künftig potenziellen Bezieherinnen und Bezieher angenommen wurde. Die ÖVP schätzt die Anzahl Bezieherinnen und Bezieher der Mindestpension offenbar sehr gering ein.

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ORF.at/Roland Winkler
Zarf stand am Samstag indirekt in der Kritik

Laut einer Einschätzung des Sozialministeriums hätte laut EU-Recht jede Bürgerin und jeder Bürger der Union, die oder der zumindest ein Jahr in Österreich gearbeitet hat und mit im Ausland erworbenen Versicherungsmonaten auf 40 oder 30 Jahre kommt, Anspruch auf den Bonus, berichteten „Krone“ und „Presse“ am Samstag, die aus einem internen Papier des Sozialministeriums zitieren. Es handle sich nämlich um eine Versicherungsleistung. Dadurch könnten insgesamt 421,4 Millionen Euro in andere EU-Länder abfließen. Auf Anfrage waren dazu aus dem Sozialministerium keine weiteren Angaben zu erhalten.

Wöginger: „Offenbar eine Wunschvorstellung der SPÖ“

Dem widersprach die ÖVP, die zugleich Sozialministerin Zarfl indirekt angriff. „Dass die Pensionen künftig ins Ausland abfließen, ist offenbar eine Wunschvorstellung der SPÖ und des von ihr nominierten Vertreters in der Regierung“, so Klubchef August Wöginger gegenüber der APA. „Das werden wir verhindern.“ Die Kosten bezifferte er abermals mit rund 50 bis 60 Millionen Euro und nicht „wie von der SPÖ genannt 420 Millionen Euro“.

Auch die FPÖ reagierte erbost. Die „Behauptung“ des Sozialministeriums sei an Absurdität nicht zu überbieten, teilte FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch in einer Aussendung mit. Offenbar versuche die SPÖ mit aller Kraft, die Erhöhung „madig“ zu machen. Zur rechtlichen Absicherung der Erhöhung werde es kommende Woche noch legistische Adaptierungen geben.

Im vorliegenden Gesetzesantrag wird darauf eingegangen. Die Erhöhung der Mindestpensionen sei demnach nicht als Erhöhung einer Versicherungsleistung zu betrachten, sondern als „Ausgleichzulagen- oder Pensionsbonus“. Dieser stelle eine Honorierung der langen Zugehörigkeit zum Sozialversicherungssystem dar. Dieses unterliege nicht dem „Leistungsexport“ an andere EU-Bürgerinnen und -Bürger. Für den Fall, dass Brüssel dagegen argumentiert, haben ÖVP und FPÖ vor, bei einem Wohnort außerhalb Österreichs nur den Bonus, nicht aber die ganze Mindestpension auszuzahlen. Die Berechnung solle dann außerdem nur anteilsmäßig für die in Österreich geleisteten Beitragszeiten erfolgen.

NEOS stellt Verschiebung in den Raum

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner stellt sich in der Diskussion hinter Zarfl. Rendi-Wagner schlug gegenüber der APA vor, lieber neu zu verhandeln. „Es droht tatsächlich die Gefahr, dass die geplante Erhöhung der Mindestpension auch in andere EU-Länder exportiert werden muss“, so Rendi-Wagner zum Papier des Sozialministeriums. Das sei ÖVP und FPÖ durchaus bewusst gewesen, da dies sogar im Gesetzesantrag angesprochen werde. Anstatt aber jetzt die „untadelige Expertenministerin“ anzugreifen, schlägt die SPÖ-Chefin vor, rasch in intensive Gespräche und Verhandlungen zu gehen.

Grundsätzlich befürwortet Rendi-Wagner Verbesserungen für Mindestpensionistinnen und -pensionisten, aber: „Der gute österreichische Weg ist der des Dialogs und nicht der wechselseitigen Beschuldigungen.“ Um eine Pensionsverbesserung ab Jänner 2020 zu erreichen, könne eine Beschlussfassung im Nationalrat auch erst im September-Plenum erfolgen. Eine Verschiebung auf September stellte am Samstag außerdem NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger in den Raum. Sie zeigte sich zudem verärgert über die unterschiedlichen Kostenschätzungen. Sie habe sich deshalb an die anderen Fraktionen gewandt, um das Vorhaben noch einmal zu besprechen. ÖVP und FPÖ hätten bereits zugesagt, berichtete sie der APA.