Ein Polizist hinter einer eingeschlagenen Scheibe
Reuters/Jorge Silva
Demos in Hongkong

Peking schlägt harte Töne an

Am Tag nach der zeitweiligen Besetzung des Parlaments hat Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam das Verhalten einiger Demonstranten und Demonstrantinnen scharf kritisiert und ihnen Konsequenzen angedroht. Auch Peking brach sein Schweigen – was auf einen härteren Kurs hindeuten könnte.

„Ich bin sehr empört und verzweifelt und verurteile es aufs Schärfste“, sagte Lam in einer Pressekonferenz Dienstagfrüh. Der „extreme Einsatz von Gewalt“ und der Vandalismus durch Protestierende hätten viele Menschen traurig gemacht und schockiert. Die Regierung werde „das gesetzwidrige Verhalten bis zum Ende verfolgen“. „Das ist etwas, das wir ernsthaft verurteilen sollten, denn in Hongkong ist nichts wichtiger als die Rechtsstaatlichkeit“, sagte Lam.

Polizeichef Stephen Lo sagte, die „gewalttätigen Akte der Protestierenden“ hätten nichts mehr mit der friedlichen Äußerung von Forderungen zu tun. Hunderte Demonstranten hatten am Montag das Parlament der chinesischen Sonderverwaltungszone gestürmt und vorübergehend besetzt. Die Regierungskritiker verschafften sich am Jahrestag der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie an China gewaltsam Zutritt zum Plenarsaal und befestigten eine Flagge aus der Kolonialzeit am Podium.

Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam
AP/Vincent Yu
Lam: „Nichts ist wichtiger als die Rechtsstaatlichkeit in Hongkong“

Die Polizei zog sich zunächst zurück, nachdem sie über Stunden versucht hatte, die Menschen vom Eindringen abzuhalten. Schließlich räumten mit Schutzschilden, Schlagstöcken und Gewehren mit Gummigeschoßen ausgerüstete Beamte das Areal und durchsuchten das Parlamentsgebäude. Darin stießen die Sicherheitskräfte nicht auf Widerstand, die Besetzerinnen und Besetzer hatten sich bis dahin schon aus dem Gebäude zurückgezogen. Im Plenarsaal blieben nur einige Journalistinnen und Journalisten übrig.

Scharfe Worte aus China

Chinesische Staatsmedien veröffentlichten am Dienstag nach Tagen des Schweigens über die Proteste in Honkong Aufnahmen vom Einsatz der Polizei am Vortag. Die Berichterstattung und die Veröffentlichung eines scharfen Leitartikels in der offiziellen Zeitung der Kommunistischen Partei, der „Global Times“, könnten darauf hindeuten, dass die chinesische Führung nun bereit ist, härter gegen die Demonstranten vorzugehen. „Diese gewalttätigen Angreifer halten sich in ihrer Überheblichkeit nicht an das Gesetz von Hongkong und sorgen für Wut und Trauer in Hongkong“, hieß es in dem Kommentar.

US-Präsident Donald Trump dagegen stellte sich später hinter die Demonstranten. Diese würden „Demokratie“ fordern. „Leider wollen einige Regierungen keine Demokratie“, sagte Trump in Richtung Chinas.

Demonstranten in Hong Kong
AP/Kin Cheung
Millionen Hongkonger gehen seit Wochen auf die Straße

Dauerhafter Verzicht auf Auslieferungsgesetz?

In Hongkong gibt es seit Wochen beispiellose Proteste, die sich zunächst vor allem gegen ein geplantes und inzwischen ausgesetztes Auslieferungsgesetz richteten. Dieses Gesetz würde es Hongkongs Behörden erlauben, von China beschuldigte Personen an die Volksrepublik auszuliefern. Kritiker warnen, Chinas Justiz sei nicht unabhängig und diene der politischen Verfolgung. Auch drohten Folter und Misshandlungen. Inzwischen richten sich die Proteste generell gegen die pekingtreue Führung.

Die Protestbewegung will weiter auf die Straße geben, bis das Gesetz offiziell zurückgenommen wird, inhaftierte Mitglieder freikommen und Polizisten bestraft werden, die schon bei einem Protest am 12. Juni gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen waren. Am Dienstag deutete Lam einen dauerhaften Verzicht auf das Auslieferungsgesetz an. Das Gesetzesprojekt werde nicht wieder vorgelegt werden, sagte sie laut CNN.

Demonstration in Hongkong
AP
Bis zum Montag verliefen die Proteste völlig gewaltfrei

Gespaltenes Protestlager

Der Sturm des Parlaments sorgt indessen für Uneinigkeit innerhalb der Protestbewegung – Berichten zufolge sollen sich Teile dezidiert von einem Abweichen von der Linie der friedlichen Kundgebungen ausgesprochen haben. „Die Demonstranten sind sich nicht einig über Taktiken und Ziele, und es fehlt ihnen eine konsequente Verhandlungsposition“, schrieb die „New York Times“ und zitierte Jean-Pierre Cabestan, Politologe an der Hong Kong Baptist University: „Jetzt hat Peking eine gute Ausrede, um noch kompromissloser zu werden.“

Der britische Außenminister Jeremy Hunt warnte China am Dienstag allerdings eindringlich davor: Es würde schwerwiegende Konsequenzen haben, wenn die chinesisch-britische Erklärung zu Hongkong nicht eingehalten würde. Großbritannien stehe hinter den Menschen in seiner ehemaligen britischen Kolonie.