Der Vorsitzende der Hellenic Solution party, Kyriakos Velopoulos
Reuters/Costas Baltas
Griechenland wählt

Obskurant mögliches Zünglein an der Waage

Kyriakos Velopoulos schlägt den Bau verminter Mauern an Griechenlands Grenzen vor. Auf seinem Teleshoppingkanal verkauft er diverse Wundermittel, selbst „exklusive Kopien von handgeschriebenen Briefen Jesu Christi“. Und seine Partei Elliniki Lysi („Griechische Lösung“) könnte nach der Parlamentswahl am Sonntag eine mitentscheidende Rolle bei der Koalitionsbildung in Athen spielen.

Parteichef Velopoulos hofft am 7. Juli auf ein ähnliches Wunder wie bei der EU-Wahl im Mai, als die junge Gruppierung 4,2 Prozent der Stimmen und einen Parlamentssitz erreichte. Die Hürde für den Einzug ins Athener Parlament liegt bei drei Prozent, in aktuellen Umfragen kommt Elliniki Lysi (EL) auf bis zu 3,5. Erobert Velopoulos tatsächlich Mandate, könnte das die vom konservativen Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis erhoffte Machtübernahme erschweren.

„Das größte Problem liegt nicht bei den Linken, sondern bei den Rechten“, zitierte das griechische Infoportal Euro2Day kürzlich einen Berater der in Umfragen überlegen führenden konservativen Nea Dimokratia (ND). Deren Parteichef, Mitsotakis, hat eine Zusammenarbeit mit Elliniki Lysi explizit ausgeschlossen – das könnte die Mehrheitssuche im zersplitterten Parlament erschweren. Die regierende linke SYRIZA von Ministerpräsident Alexis Tsipras liegt in Umfragen nur auf Platz zwei.

Der griechische Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis
APA/AFP/Angelos Tzortzinis
Mitsotakis erscheint der Wahlsieg sicher – die Suche nach etwaigen Koalitionspartnern dürfte allerdings schwierig werden

Kleinparteien entscheiden Geschicke

Das griechische Wahlrecht sieht derzeit vor, dass die stimmenstärkste Partei 50 Bonussitze der insgesamt 300 erhält. Je nachdem, wie viele Parteien – 20 stellen sich der Wahl – die Sperrklausel überschreiten, reichen für die absolute Parlamentsmehrheit 34 bis 35 Prozent. Je weniger der Kleinparteien die Hürde schaffen, umso größer sind die Chancen für die ND, diese zu erreichen. Sollte Mitsotakis weder die absolute Mehrheit erreichen, noch einen Koalitionspartner finden, drohen rasche Neuwahlen.

„Wenn ich keine Mehrheit erhalte, müssen die Griechen mitten im Hochsommer erneut zur Wahl“, zitierte das Onlinemagazin Telepolis unlängst Mitsotakis. Insofern spielt das Abschneiden des 53-jährigen Chefs der „Griechischen Lösung“ eine nicht unerhebliche Rolle. Velopoulos wurde in Deutschland als Sohn ausgewanderter Bauern geboren, wuchs dann in Thessaloniki auf. Er war Mitglied der rechtsnationalistischen orthodoxen Sammlungsbewegung LAOS, schaffte aber nie den Sprung ins Parlament. Am 28. Juni 2009 gründete er dann seine eigene Partei.

Wundermittel aller Art

Früher war Velopoulos als Journalist tätig und versuchte sich als Buchautor, nun ist er Besitzer und Moderator des Teleshoppingkanals „Alert TV“, wo er etwa Kräutermittel und Cremen gegen Leiden aller Art feilbietet – von Arthritis bis zu Depression, von Alzheimer bis zu Haarausfall. Dass sein eigenes Haupthaar dabei immer schütterer wird, sorgt für hämische Kommentare.

Velopoulos ist ein Freund von Verschwörungstheorien: Einem Bericht der Zeitung „Kathimerini“ zufolge behauptete er, dass die tödlichen Waldbrände nahe Athen im vergangenen Sommer Teil einer zionistischen Verschwörung gewesen seien, um den Import chinesischer Waren nach Westeuropa anzukurbeln.

Putin-Fan und EU-Gegner

Ein Foto des russischen Präsidenten Wladimir Putin ziert Velopoulos’ Büro, Gerüchte über Spenden aus Moskau an seine Partei halten sich beharrlich. Ansonsten gilt sein politisches Augenmerk ausschließlich „nationalen Interessen“, er lehnt die Mitgliedschaft Griechenlands bei der EU ab, fordert die Rückkehr zu einer nationalen Währung und plädiert für die volle wirtschaftliche Unabhängigkeit seines Landes.

Wahlplakate in Thessaloniki
APA/AFP/Sakis Mitrolidis
In Griechenland herrscht Wahlkampf – ob es der letzte in diesem Sommer sein wird, steht in den Sternen

Ein „christliches Europa ohne Islamisten“ wäre sein Ziel, der Zustrom von „illegalen Migranten“ sollte durch Minenfelder und eine Mauer entlang der nordöstlichen Grenze zur Türkei eingedämmt werden. Für Menschenhändler, Drogendealer und Pädophile schwebt Velopoulos die Todesstrafe vor, zumindest aber, sollte sich das Volk gegen ihre Wiedereinführung aussprechen, eine lebenslange Haftstrafe.

Griechenland nach der Krise

Im Gegenzug für Milliardenkredite hat Griechenland drastische Sparvorgaben der EU umsetzen müssen – und das wird sich auf die jetzige Wahl auswirken.

Im Parteiprogramm der „Griechischen Lösung“ finden sich diese Zielsetzungen rhetorisch weichgespült wieder: „Wir träumen von einem Land mit Grenzen, aber einem Hellenismus ohne Grenzen, und glauben an ein Vaterland. (…) Die Griechen müssen ihre Heimat zurückerobern und ihre Sprache, Kultur und Religion bewahren.“

Trotz des Überraschungserfolgs im Mai warfen im Vorfeld der Parlamentswahl drei Parteimitglieder das Handtuch – möglicherweise ein Indiz dafür, dass es um die politische Substanz und den Zusammenhalt innerhalb der Gruppierung nicht allzu gut bestellt ist.

Überlebenschancen ungewiss

Vassiliki Georgiadou, Politikwissenschaftler an der Pantion-Universität in Athen, warnte gegenüber „Kathimerini“ dennoch davor, Velopoulos zu unterschätzen: „Er ist der der Kern der Bewegung. Daraus könnten neue Teile erwachsen.“ Nicht zuletzt deshalb, weil ein Konkurrent auf der politischen Bühne, die rechtsextreme Chrysi Avgi („Goldenen Morgenröte“), kaum mehr Wählergunst findet. Aus gutem Grund: Von der Parteispitze abwärts laufen gegen zahlreiche Mitglieder Anklagen, unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Sollte Velopoulos’ Bewegung den Sprung ins Parlament schaffen, würden ihr zudem finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, die ihr den Aufbau eines ordentlichen Parteiapparats ermöglichen würden. „Es ist zu früh, um vorherzusagen, ob ihr Erfolg einmalig war“, sagte Georgiadou. „Sicher ist, dass sie nun anders behandelt werden wird – als ernsthafter Mitbewerber.“