Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein
Reuters/Francois Lenoir
Parteiinteressen

Schwierige Suche nach EU-Kommissar

Die Suche nach Österreichs EU-Kommissar bzw. -Kommissarin läuft auf Hochtouren. Sie wird sich allerdings schwierig gestalten, muss doch auch den unterschiedlichen, weit auseinanderliegenden Parteiinteressen Rechnung getragen werden. Ein Kompromiss aller Beteiligten ist gefragt.

Denn Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein ist nach der einstimmigen Entscheidung im Ministerrat für einen Kandidaten oder eine Kandidatin auf die Zustimmung der Fraktionen im Hauptausschuss des Nationalrats angewiesen. Dadurch könnte sich eine Pattsituation ergeben, denn SPÖ und FPÖ werden in der jetzigen politischen Situation kaum einem Kandidaten oder einer Kandidatin der ÖVP, die den Posten bisher immer besetzt hat, zustimmen. Laut „Kurier“ kritisieren beide Parteien, dass die ÖVP den Posten als „Erbpacht“ sehe.

Bierlein führt mit allen Parteien Gespräche, lässt sich aber nicht in die Karten schauen. Sie hat nach Angaben von Regierungssprecher Alexander Winterstein von Donnerstag weder Präferenzen für eine Frau noch für einen Experten oder eine Expertin.

Bierlein legt Kriterien fest

Sie habe nur drei Hauptkriterien: Der Kandidat oder die Kandidatin müsse eine klar proeuropäische Haltung, Kompetenz und ein gewisses Maß an politischem Können haben, sagte Winterstein am Donnerstag. Die Frage, ob Bierlein einen Experten/eine Expertin bzw. eine Frau favorisiert, ließ Winterstein unbeantwortet. Er wolle sich auf keinerlei Spekulationen einlassen.

Die Kanzlerin habe keine Präferenzen. Entscheidend seien die Gespräche mit den Parteien, denn „ohne Mehrheit im Hauptausschuss gibt es keinen Kandidaten“. Das Ergebnis des EU-Rates, das zwei Frau in Spitzenämtern hervorgebracht hat, sei für die Kanzlerin „ein ausgezeichnetes Ergebnis. Jetzt ist das Parlament am Zug.“

Auch die von den EU-Staats- und -Regierungschefs vorgeschlagene EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat am Ende des Tages mitzureden und kann den österreichischen Vorschlag für die Kommission ablehnen. Weiters ist unklar, welches Aufgabengebiet in der Kommission Österreich zugeschlagen wird.

Erste Namen kursieren

Laut „Kurier“ kursieren bereits einige Namen. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner setzt auf Expertentum. Laut der Zeitung werden der Ökonom Thomas Wieser, der sechs Jahre lang beamteter Leiter der Euro-Gruppe war, und der ehemalige Spitzendiplomat Dietmar Schweisgut, der die EU in China vertrat, von SPÖ-Seite genannt. Dass die FPÖ auf einen Kandidaten aus ihren Reihen pocht, gilt laut der Zeitung indes als unwahrscheinlich. Die FPÖ gefalle „sich in der Rolle des Züngleins an der Waage“, wie der „Kurier“ weiter schreibt.

Bei ÖVP-Namen werden die Listenzweite bei der EU-Wahl, die ehemalige Staatssekretärin Karoline Edtstadler, und der ÖVP-Listenführer Othmar Karas, der erst diese Woche erneut zu einem der 14 Vizepräsidenten des Europaparlaments gewählt wurde, genannt. Doch auch der bisherige österreichische Kommissar Johannes Hahn scheint noch Chancen zu haben. Laut „Kurier“ gilt er am ehesten als möglicher Konsenskandidat aller Parteien.

Von Fischler bis Hahn

Hahn machte bereits Ende Juni deutlich, dass er sich eine weitere Amtszeit vorstellen kann. „Ich würde bereit sein. Es wäre aber keine Katastrophe, wenn es nicht passieren würde“, sagte Hahn in Bezug auf eine etwaige Verlängerung seiner Tätigkeit als EU-Kommissar dem „Wall Street Journal“ und der APA. Freilich liege es an der Regierung, diese Frage zu entscheiden, und es sei klar, dass man einen derartigen Posten nicht ewig besetzen könne.

Alle EU-Kommissare, die Österreich seit dem EU-Beitritt nach Brüssel entsandte, kamen aus der ÖVP. Der frühere Landwirtschaftsminister Franz Fischler hatte das Amt des EU-Agrarkommissars für zwei Funktionsperioden von 1995 bis 2004 unter den Kommissionspräsidenten Jacques Santer und Romano Prodi inne. In der ersten Jose-Manuel-Durao-Barroso-Kommission von 2004 bis 2009 war dann die frühere Außenministerin Benita Ferrero-Waldner für die EU-Außenbeziehungen zuständig.

Ihr folgte 2010 der frühere Wissenschaftsminister Hahn, der im ersten Barroso-Kabinett zunächst die EU-Regionalpolitik übernahm. In Jean Claude Junckers EU-Kommission ist Hahn seit 2014 für die EU-Erweiterung und für die Nachbarschaftspolitik zuständig.