Strafzettel an einer Windschutzscheibe
ORF.at/Carina Kainz
Zu uneinheitlich

Rechnungshof kritisiert Verkehrsstrafen

Der Rechnungshof (RH) hat Verkehrsstrafen ins Visier genommen. Anhand von Strafen in Nieder- und Oberösterreich wurde das System in Österreich überprüft. Der RH kam dabei zu einem vernichtenden Schluss: Die Verkehrsstrafen sind zu uneinheitlich. Bemängelt wurde von den Prüferinnen und Prüfern, dass es kein zentrales, bundesweit abrufbares Verwaltungsstrafregister gibt.

„Den Strafbehörden war es daher kaum möglich, eventuell offene Geldforderungen oder Freiheitsstrafen außerhalb der eigenen Zuständigkeitsbereiche – in der Regel die Grenzen der Bezirkshauptmannschaften – zu erkennen“, heißt es vom RH weiter.

„In die Verkehrsstrafenverfolgung sind eine Vielzahl an Stellen wie Bund, Länder und Gemeinden sowie die Autobahnen– und Schnellstraßenfinanzierungsaktiengesellschaft (ASFINAG) involviert. Für die Verkehrsüberwachung sind die Organe der Bundespolizei, die Mautaufsichtsorgane der ASFINAG und – sofern eingerichtet – die Gemeindewachkörper verantwortlich“, dröselt der Bericht die Zuständigkeiten auf.

Polizist mit Radarpistole
APA/Barbara Gindl
Ein Polizist mit einer Laserpistole zum Messen der Geschwindigkeit

Das Problem mit Wiederholungstätern

Die operative Abwicklung obliege den Bezirkshauptmannschaften, den Strafämtern der Landespolizeidirektionen und den Magistraten. So sei es nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich, Wiederholungstäterinnen und –täter zu identifizieren und das beim Strafausmaß entsprechend zu berücksichtigen. Insgesamt nahmen Bund und ASFINAG sowie die Länder Niederösterreich und Oberösterreich im Jahr 2017 laut dem RH-Bericht rund 310 Millionen Euro aus Verkehrsstrafen ein – ein Plus von rund 18 Prozent gegenüber 2013 (rund 263 Mio. Euro).

Je nach Bundesland sind die Strafgelder und Toleranzgrenzen unterschiedlich. Tatbestands- und Strafkataloge listeten für Delikte im Straßenverkehr auf, welcher Strafbetrag bzw. welcher Strafrahmen zur Anwendung gelange. Das Innenministerium erstellte auch einen Bundestatbestandskatalog, der allerdings für die Länder nicht verbindlich war. Das heißt, dass es bei identischen Delikten je nach Bundesland unterschiedliche Strafgelder gab.

Unterlassene Hilfeleistung: Von 90 bis 365 Euro Strafe

Der RH-Bericht listet einige Beispiele auf: So waren im Bundestatbestandskatalog bei unterlassener Hilfeleistung 365 Euro vorgesehen, in Niederösterreich mit 70 Euro weniger als ein Fünftel. Eine Organstrafe wegen vorschriftswidrigen Vorbeifahrens an einem Kindertransport kostete in Niederösterreich 50 Euro, in Oberösterreich mit 20 Euro weniger als die Hälfte. Ähnliche Unterschiede gab es bei der Übertretung von Geschwindigkeitsbegrenzungen – mehr dazu in noe.ORF.at.

Rechnungshof kritisiert Verkehrsstrafen

Der Rechnungshof kritisiert, dass Verkehrsstrafen in den neun Bundesländern nicht einheitlich sind. Zudem fehle ein zentrales System, weshalb Wiederholungstäter nicht entdeckt werden.

Den Toleranzbereich konnten laut dem RH-Bericht die Behörden selbst festlegen. In Oberösterreich kamen erlassmäßig festgelegte Straftoleranzen zur Anwendung; Niederösterreich gab diese nicht bekannt. Die unterschiedlichen Beträge seien eine Folge der Ermessensspielräume, die der Gesetzgeber den Behörden eingeräumt habe. „Die relevanten Gesetze sahen Strafrahmen und keine bestimmten Strafbeträge vor. Darüber hinaus interpretierten die Landesverwaltungsgerichte die Bestimmungen und die Strafrahmen unterschiedlich“, so der RH.

Der Rechnungshof empfiehlt in seinem Bericht daher, bundesweit einheitliche Strafgeldhöhen und Strafrahmen bei abgekürzten Verfahren festzulegen. Ebenso wären bundesweit einheitliche Regeln zu treffen, welche Delikte anonymverfügungsfähig sind.

Grenzüberschreitend wird es noch komplizierter

Eine besondere Herausforderung für die Behörden stellte laut dem Rechnungshof die grenzüberschreitende Verfolgung von Verkehrsstrafen dar. Die EU erließ dazu im Jahr 2015 eine Verkehrsdelikterichtlinie, die sich auf acht – die Verkehrssicherheit besonders gefährdende – Delikte konzentrierte.

2017 betrafen rund 99 Prozent dieser Verkehrsdelikte in Österreich Geschwindigkeitsübertretungen. Von den rund 1,5 Millionen Delikten, die in Österreich im Jahr 2017 unter die Anwendung der Richtlinie fielen, betrafen 523.010 oder rund 35 Prozent Fahrzeuge mit deutscher Zulassung.

Hier gab es nach wie vor Probleme bei der Vollstreckung der Strafen, weil nach deutschem Recht die Lenkerauskunft nicht vorgesehen ist – vielmehr würden Frontbilder der lenkenden Person die Verkehrsstrafenverfolgung unterstützen. Frankreich, Lettland und Rumänien verweigerten im untersuchen Zeitraum jedes Rechtshilfeersuchen bei Verkehrsdelikten. Bei Fahrzeugen aus Drittstaaten erschwerten fehlende oder unzureichende rechtliche Grundlagen eine wirksame Verfolgung von Verkehrsdelikten oder ließen diese nicht zu. Ausnahmen bildeten die Schweiz und Liechtenstein, so der RH-Bericht.