Antike ägyptische Wandmalerei zeigt die Herstellung von Wein
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Weinkultur

So weinselig waren die alten Ägypter

Die alten Ägypterinnen und Ägypter waren einem guten Schlückchen alles andere als abgeneigt, wie eine feuchtfröhliche Ausstellung im Wiener Papyrusmuseum zeigt. Im spannenden Katalog und in einer Buchneuerscheinung ist nachzulesen, dass auch später den Griechen und Römern nichts fremd war, was es heute gibt – von aromatisierten Sommerspritzern a la Hugo bis zum rituellen Komasaufen.

„Es wird ein Wein sein, und wir werden nimmer sein“, hat Josef Hornig vor über 100 Jahren gedichtet. Das stimmte für die Kaiserzeit, und das trifft umso mehr auf die alten Ägypter zu; die sind wirklich schon lange nicht mehr. Wein war eine der wichtigsten und ältesten Kulturpflanzen des Orients – zunächst als Grabbeigabe und als rituelles Rauschmittel, und auch Bier spielte eine zentrale Rolle. Schon die Arbeiter, die rund 2.600 vor Christus die große Pyramide von Giseh errichteten, wurden zum Teil mit Bier bezahlt. König Skorpion I. erhielt sogar vor über 5.000 Jahren als Grabbeigabe bereits 300 Amphoren mit importiertem Wein.

Später, um 330 vor Christus, im hellenistischen Großreich Alexander des Großen, das von der Adria bis zum Himalaya, vom heutigen Rumänien bis ins südliche Ägypten reichte, stieg die Verbreitung rasant an. Gewässerter Wein – ein Sommerspritzer – zählte zu den Grundnahrungsmitteln der Soldaten.

Textiles Medaillon mit Kelterszene
Österreichische Nationalbibliothek
Textiles Medaillon mit Kelterszene, 4. bis 5. Jh. n. Chr.

Wein mit Lorbeeren oder Fischsud

Die Ägypter hatten ihren Wein noch nicht gewässert, das kam erst mit den Griechen und Römern, die auch gerne am Aroma schraubten. Beliebt war etwa mit Lorbeer versetzter Wein. Dann gab es eine Art Mischung aus Vinaigrette und Kimchi, wo Fischsud mit Wein vermischt wurde, offenbar zum Kochen. Im alten Ägypten der Pharaonen war man puristischer, hier wurden auch fixe Qualitätsstufen für Wein festgelegt. Es galt: Je süßer, desto edler. Besonders ertragreich waren die Reben im Nil-Delta.

Ausstellungshinweis

„In vino veritas. Wein im alten Ägypten“, bis 12. Jänner 2020, Papyrusmuseum der Nationalbibliothek Wien, dienstags bis sonntags 10.00 bis 18.00 Uhr, donnerstags 10.00 bis 21.00 Uhr.

Zeitlos: Randalieren im Suff

Aus der Zeit rund um 1.000 vor Christus ist ein Lied mit folgendem Text überliefert: „Gib ihr Tanz und noch Gesang/Gib ihr Wein mit Bier entlang/Zerstreu ihre Vorsicht und nimm sie heut Nacht/Dann sagt sie: ‚Mein Liebling, was hast du gemacht?/ Tu’s bitte erneut, wenn der Morgen uns lacht.“ Es gibt umgekehrt auch Belege dafür, dass Frauen Männer mit Wein betrunken machen, um sie zu erobern. Frauen dürften damals auch ähnlich viel getrunken haben wie Männer, zumindest legen das bildliche Darstellungen nahe.

Zu Exzessen kam es vor allem bei religiösen Festen – bei denen der Wein kübel- bzw. amphorenweise gesoffen wurde. Belegt ist übrigens auch ein Phänomen, das heute nicht unbekannt ist: das Randalieren oder sonst wie schlechte Benehmen Betrunkener.

Weinproduktion im industriellen Maßstab

Aber beim Wein geht es natürlich nicht nur um Konsumation, sondern auch ums Anbauen und den Vertrieb. Und da brauchte es nicht wenig Administration. Die meisten der Papyri, die im Papyrusmuseum zu sehen sind, behandeln Verträge. So wird zum Beispiel ein Pachtvertrag aus dem 7. Jahrhundert vor Christus gezeigt. Inkludiert in die Pacht waren Bewässerungs- und Kelteranlagen und ein Turm zur Bewachung. Der Pächter musste dem Pachtgeber die Hälfte des Ertrags abgeben.

Andere Verträge zeigen wiederum, dass Wein bereits vor Jahrtausenden im industriellen Maßstab produziert wurde. Tausende Liter Wein wurden da für einzelne Lieferungen vereinbart. Oft gab es Abnahmeverträge, die schon vor der Ernte fixiert wurden – inklusive Garantieklauseln, falls die Qualität nicht passen sollte. Auch Nachhaltigkeit spielte eine Rolle. So ist im Papyrusmuseum ein Kaufvertrag für 2.400 gebrauchte Weinkrüge ausgestellt.

Beschriebene Papyri
Österreichische Nationalbibliothek
Korrespondenz zwischen Vater und Sohn über den Weingarten der Mutter, arabischer Papyrus, circa 9. Jh. n. Chr.

Die Kleopatra-Relativierung

Was die liebevoll gestalteten Ausstellungen im Papyrusmuseum der Wiener Nationalbibliothek so besonders macht, ist stets der Blick ganz tief in den Alltag von Menschen vor Tausenden von Jahren. In der Dauerausstellung sind etwa Belege für Scheidungsstreitigkeiten ausgestellt. Betrügereien, böse Schwiegereltern und, wie jetzt gezeigt, feuchtfröhliche Partys – die Ägypterinnen und Ägypter hatten vielleicht keine iPhones und Sozialen Netzwerke, aber im Grunde beschäftigten sie ganz ähnliche Dinge wie Menschen heute.

Apropos Relativierungen: In Mark Forsyths formidablem, humorvoll-flapsigem und dennoch höchst wissenschaftlichem, soeben bei Klett-Cotta erschienenem Buch „Eine kurze Geschichte der Trunkenheit“ findet sich eine ganz besonders schöne Relativierung, die zwar wenig mit Alkohol zu tun hat, auf die man aber durchaus anstoßen kann: „Kleopatra mag uns vielleicht unglaublich antik vorkommen, nur starb sie vor gerade mal 2000 Jahren. Die große Pyramide von Gizeh wurde 2500 Jahre vor ihrer Geburt errichtet. Damit war diese Pyramide für die gute, alte Kleopatra antiker, als sie selbst für uns ist.“