Präsident Van der Bellen
APA/Roland Schlager
Mahnung an Parteien

„Es gibt eine Zeit nach dem Wahlsonntag“

Nach den turbulenten Wochen in Österreichs Innenpolitik hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Dienstag eine vorläufige Bilanz gezogen. Mit der derzeitigen Regierung zeigte er sich zufrieden. Und er formulierte Wünsche an ein künftiges Kabinett: Im nächsten Regierungsprogramm müsse dem Klimaschutz eine bedeutende Rolle eingeräumt werden. Herbert Kickl (FPÖ) würde er nicht angeloben wollen.

Van der Bellen gab Journalistinnen und Journalisten in der Präsidentschaftskanzlei einen Rück- und Ausblick seiner Amtsführung. „Es ist gelungen, die aufgeheizte innenpolitische Situation so weit abzukühlen, wie das in einer Vorwahlphase möglich ist“, sagter der Bundespräsident über die Regierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein. Nach dem „Ibiza-Video“ habe eine „Vertrauenskrise“ gedroht: „Immerhin wollte der Vizekanzler der Republik allen Ernstes 50 Prozent der ‚Kronen Zeitung‘ übernehmen lassen, um diese dann im Wahlkampf für einen FPÖ-Erfolg zu instrumentalisieren.“

Die von Expertinnen und Experten kritisierten neuen Regeln zur Parteienfinanzierung wollte Van der Bellen inhaltlich nicht bewerten. „Ich bin mir sicher, dass dieses Thema nicht endgültig vom Tisch ist.“ Den zuletzt kritisierten Rechnungshof verteidigte Van der Bellen aber gegen „Vorschussmisstrauen“: „Ich würde alle Fraktionen bitten, nicht etwas zu tun oder zu sagen, was das Vertrauen in die Institutionen schlechthin untergraben könnte.“

„Kräfte schon, aber kein Spiel“

Die Parlamentsparteien forderte Van der Bellen auf, beim „freien Spiel der Kräfte“ vor der Wahl im Herbst die Erfahrungen des Jahres 2008 zu berücksichtigen. „Kräfte schon, aber Spiel ist es keines“, so Van der Bellen. Er selbst habe damals als Abgeordneter „hautnah miterlebt“, wie schwer es gewesen sei, gegen Vorhaben zu stimmen, wenn einem das bei der Wahl habe schaden können: „Ich bitte alle Oldtimer und Newcomer im Parlament, daran zu denken, wie das 2008 war.“

Präsident Van der Bellen
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Gespräch in der Hofburg: Van der Bellen zog eine vorläufige Bilanz

Außerdem appellierte der Bundespräsident an die Parteien, trotz des Wahlkampfes die Dialogfähigkeit zu erhalten. „Es gibt eine Zeit nach dem Wahlsonntag“, erinnert der Bundespräsident an die danach nötigen Koalitionsverhandlungen. Wobei sich Van der Bellen bezüglich einer Minderheitsregierung skeptisch zeigte: „Mein Ziel wäre schon, eine Koalition mit Mehrheit im Parlament zu haben.“ Eine Dreierkoalition wäre aus seiner Sicht aber zumindest nicht ausgeschlossen.

In der Regierungskrise habe man mehrmals „Neuland“ betreten, bilanzierte Van der Bellen – erstmals habe der Bundespräsident auf Antrag des Kanzlers einen Minister entlassen, erstmals habe es einen erfolgreichen Misstrauensantrag gegen eine ganze Regierung gegeben. „All das hat es in der Zweiten Republik noch nicht gegeben.“ Sämtliche zur Bewältigung der Krise nötigen Schritte seien in der Verfassung aber wie in einer „Landkarte“ eingezeichnet gewesen. „Mein Respekt für Hans Kelsen ist enorm gewachsen“, betonte Van der Bellen. Und: „Ich bin schon ein bisschen stolz darauf, wie wir das hingekriegt haben.“

Van der Bellen rechnet nicht mit Kickl

Er wünsche sich zudem, dass in einem nächsten Regierungsprogramm der Klimawandel stärker berücksichtigt werde. Deutliche Skepsis ließ das Staatsoberhaupt bei der Frage durchblicken, ob er Herbert Kickl (FPÖ) erneut angeloben würde. Van der Bellen gab zu bedenken, dass ihm Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) selbst im Mai die Entlassung vorgeschlagen habe. Sollte die ÖVP stärkste Partei werden, „würde ich ja nicht davon ausgehen, dass Sebastian Kurz mir Herbert Kickl wieder vorschlägt“.

Van der Bellen findet klare Worte zu Kickl

Der Bundespräsident ist zufrieden mit der Übergangsregierung. Die Parteien fordert er zur Dialogfähigkeit auf. Auf die Frage, ob er Herbert Kickl (FPÖ) wieder als Minister angeloben würde, sagt Alexander Van der Bellen: „Es würde an mir scheitern.“

Zum gleichen Thema wurde Van der Bellen am Dienstag auch in der ZIB2 befragt. Sollte ihm Kickl erneut als Innenminister vorgeschlagen werden, sagte er: „Für den unwahrscheinlichen Fall, dass es tatsächlich so käme, würde es an mir scheitern.“ Ob das auch für eine anderes Ressort für Kickl gälte, ließ der Bundespräsident offen. Generell würde er sich nach den bisherigen Erfahrungen „die handelnden Personen vielleicht noch etwas genauer ansehen“, meinte er: „Man kann im Leben immer gescheiter werden, auch ich.“