Eine Rettungskraft hilft einem Migranten am Mittelmeer in ein Boot
APA/AFP/Federico Scoppa
Zustände in Libyen „unhaltbar“

UNO fordert sichere Häfen für Flüchtlinge

Die unhaltbaren Zustände für Flüchtlinge und andere Migranten in Libyen müssen die Europäer und andere Aufnahmeländer nach Überzeugung der Vereinten Nationen zum Umdenken zwingen.

Die europäischen Länder sollten ihre eingestellten Such- und Rettungsaktionen im Mittelmeer wieder aufnehmen und die Menschen in sichere Häfen bringen, verlangten der Chef des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR), Filippo Grandi, und der Chef der Organisation für Migration (IOM), Antonio Vitorino, am Donnerstagabend in einer Erklärung in Genf. Zudem seien dringend mehr Aufnahmeplätze für in Libyen Gestrandete nötig.

Die Rückführung von Geflüchteten nach Libyen, die auf dem Mittelmeer gerettet werden, müsse gestoppt werden. Libyen sei ein gefährliches Pflaster. Eine Tragödie wie der Tod von mehr als 50 Migranten, die vergangene Woche bei einem Raketeneinschlag im Internierungslager Tadschura östlich von Tripolis umkamen, dürfe sich nie wiederholen. Die Region ist seit Beginn der Offensive von General Chalifa Haftar, der die Regierung in der Hauptstadt stürzen will, heftig umkämpft.

UNHCR: 850.000 Betroffene in Libyen

Nach Angaben von UNHCR und IOM halten sich in Libyen rund 50.000 registrierte Flüchtlinge und Asylsuchende auf, ebenso 800.000 weitere Migranten. Alle diese Menschen müssten besser davor geschützt werden, in die Hände von Menschenschmugglern zu fallen, verlangten Grandi und Vitorino.

„Die libysche Regierung sollte endlich erlauben, dass Lager unter dem Dach von UNHCR und IOM aufgebaut werden können, damit die Migranten human betreut werden und sicher sind“, forderte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn nach Angaben der deutschen „Welt“ (Donnerstag-Ausgabe). Erhöhten Handlungsbedarf sieht Asselborn auch bei der EU. Diese müsse „dringend“ auf die international anerkannte Regierung in Libyen einwirken, damit die libysche Küstenwache gerettete Menschen nicht mehr wie bisher in Militärlager bringe.

Italien verstärkt Kooperation mit libyscher Küstenwache

Eine Lösung in dieser Frage ist nicht in Sicht – ungeachtet dessen kündigte Italien, das Hauptankunftsland der aus Libyen über das Mittelmeer flüchtenden Menschen, zuletzt eine verstärkte Kooperation mit der libyschen Küstenwache an. Der von der EU unterstützte Deal sieht vor, dass das Land Bootsflüchtlinge auf dem Weg nach Europa auf dem Mittelmeer abfängt und in das Bürgerkriegsland zurückbringt.

Die Zahl der Flüchtlingsankünfte in Italien hat sich seit der von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisierten Vereinbarung drastisch verringert. Jedoch kommen mehr Menschen mit kleinen Booten selbstständig an den italienischen Küsten an – vor allem aus Tunesien. Ministerpräsident Giuseppe Conte werde daher Gespräche mit dem tunesischen Premier Youssef Chahed aufnehmen, wie die Küste des nordafrikanischen Landes besser geschützt werden könne.

Über 60 Tote bei nur einem Unglück

Ungeachtet der sinkenden Flüchtlingszahlen steigt die Zahl der im Mittelmeer ertrunkenen Menschen nahezu täglich. Es haben sich mittlerweile auch die Befürchtungen bestätigt, dass vergangene Woche vor Tunesien mindestens 68 Menschen ums Leben kamen, als ein Schlauchboot sank.

Das Schlauchboot mit 86 Menschen an Bord war nach IOM-Angaben am Mittwoch vergangener Woche nur wenige Stunden nach dem Start in Libyen gesunken. Ziel der Geflüchteten sei Italien gewesen. Nach Angaben von Helfern überlebten nur drei Menschen das Unglück.

Erst im Mai waren 60 Menschen bei der Überfahrt über das Mittelmeer vor der tunesischen Küste ums Leben gekommen. UNHCR hatte damals von einem der „schlimmsten Vorfälle im Mittelmeer in den vergangenen Monaten“ und von „der tödlichsten Meeresüberquerung der Welt“ gesprochen.

Kritik von Kurz

ÖVP-Chef Sebastian Kurz lehnt die Forderung von UNHCR-Chef Grandi ab, neue Rettungsaktionen im Mittelmeer zu starten. „Europa muss im Kampf gegen illegale Migration Kurs halten und sehr genau aufpassen, welche Signale es aussendet“, betonte Kurz in einer am Freitag der APA übermittelten Stellungnahme. Die Rettung aus der Seenot dürfe nicht mit einem Ticket nach Mitteleuropa verbunden sein, so Kurz.