Proteste in Hong Kong
APA/AFP/Philip Fong
Hongkong

Demonstranten weiten Proteste aus

In Hongkong haben Tausende Menschen am Wochenende erneut gegen Polizeigewalt sowie ein umstrittenes Auslieferungsgesetz protestiert. Die Demonstrantinnen und Demonstranten weiteten ihre Proteste dabei aus. Und die von China bestellte Gouverneurin Carrie Lam soll ihren Rücktritt angeboten haben.

Bei den neuerlichen Protesten kam es in der chinesischen Sonderverwaltungsregion zu heftigen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten. Bei brütender Hitze marschierten Demonstranten dabei in Sha Tin, einer Stadt zwischen Hong Kong Island und der Grenze zu China. Sie weiteten damit ihre Proteste vom Finanzdistrikt im Stadtzentrum auf die Vorstädte aus.

In Sha Tin forderten die Menschen am Sonntag, dass Regierungschefin Lam das umstrittene Gesetz zur Auslieferung an China nicht nur aussetzt, sondern formell zurückzieht. Das Gesetz ist umstritten, weil Chinas Justiz nicht unabhängig ist und als Werkzeug der politischen Verfolgung dient. Auch warnen Kritiker vor Folter und Misshandlungen in China.

„Derzeit gibt es wirklich keinerlei Vertrauen in China. Deshalb protestieren die Menschen“, so die 73-jährige Jennie Kwan. „Haben sie nicht 50 Jahre (nach der Übergabe der britischen Kolonie an China, Anm.) versprochen, nichts zu ändern? Und wir haben all die Veränderungen gesehen.“

Proteste in Hong Kong
AP/Kin Cheung
Proteste gab es am Wochenende gleich an mehreren Plätzen

Demo gegen Polizeigewalt im Zentrum

In der Innenstadt Hongkongs schlossen sich am Sonntag Hunderte Menschen einer Demonstration von Journalisten an, die gegen Polizeigewalt protestierten. Die Medienschaffenden werfen Polizisten vor, sie misshandelt zu haben, während sie über die Proteste der vergangenen Monate berichtet hätten.

Zuvor war es bereits am Samstag zu Protesten sowie Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Die Polizei ging mit Schlagstöcken und Pfefferspray vor. Tausende Menschen hatten zuvor in Sheung Shui nahe der Grenze zu China gegen chinesische Händler protestiert. Dabei wurde auch wieder Widerstand gegen das ausgesetzte Gesetz für Auslieferungen an China geäußert.

Carrie Lam
AP/Vincent Yu
Peking will sich derzeit nicht offen in den Konflkt einmischen und lehnte daher ein Rücktrittsangebot von Lam ab

Ärger über fliegende Händler

Die Demonstranten ärgerten sich über fliegende Händler aus China, die über die Grenze nach Hongkong kommen, um zollfrei einzukaufen und die Waren in China zu verkaufen. Der Handel sorgt für steigende Preise und leere Regale in den Geschäften in den New Territories genannten Nachbarschaften nahe der Grenze zur Volksrepublik. Auch lassen die Händler oft Verpackungen einfach auf den Straßen liegen.

Nach der Demonstration kam es zu Zusammenstößen. Die Polizei berichtete, angegriffen worden zu sein und die Demonstranten vertrieben zu haben. Dagegen beklagten Aktivisten, dass Polizisten übermäßig Gewalt angewendet hätten.

Peking will, dass Lam das Chaos aufräumt

Lam hat laut einem Bericht der „Financial Times“ in den vergangenen Wochen mehrmals angeboten, ihren Rücktritt einzureichen. Ihr Rücktritt ist eine der zentralen Forderungen der Demonstranten. Peking habe Lam aber nicht erlaubt zurückzutreten. Die chinesische Führung bestehe darauf, dass Lam „das Chaos, das sie selbst verursacht hat, aufzuräumt“. „Niemand sonst kann das machen – und niemand will diesen Job“, zitierte die Finanzzeitung namentlich nicht genannte Vertreter aus der Hongkonger Regierung.

Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe 1997 an China nach dem Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“ als eigenes Territorium autonom regiert. Anders als die Menschen in der Volksrepublik genießen die Hongkonger nach dem Grundgesetz für die chinesische Sonderverwaltungsregion das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie Presse- und Versammlungsfreiheit.