Türkisches Bohrschiff bei Zypern
AP/Türkisches Verteidigungsministerium
Gasstreit

EU beschließt Sanktionen gegen Türkei

In Reaktion auf die als illegal erachteten türkischen Erdgaserkundungen vor Zypern haben die EU-Außenministerinnen und -Außenminister Strafmaßnahmen gegen die Türkei beschlossen. Konkret sollen unter anderem EU-Gelder für die Türkei gekürzt und die Verhandlungen über ein Luftverkehrsabkommen eingestellt werden. Das geht aus einem am Montag in Brüssel verabschiedeten Text hervor.

Die EU will die Türkei mit den Strafmaßnahmen dazu bewegen, die Erdgassuche vor dem Mitgliedsstaat Zypern einzustellen. Sie sehen auch vor, bis auf Weiteres keine Spitzengespräche mehr zu Themen wie Wirtschaft und Handel zu führen. Die Europäische Investitionsbank wird zudem aufgerufen, eine Einschränkung der Kreditvergabe zu prüfen.

Sollte die Türkei nicht einlenken, seien dem deutschen Europastaatsminister Michael Rothauch zufolge andere Arten von Sanktionen denkbar. Sie könnten nach dem Ministerbeschluss gezielt an den Bohrungen beteiligte Unternehmen oder Einzelpersonen treffen.

Türkei weist Vorwürfe zurück

Die Türkei weist die Vorwürfe illegaler Bohrungen zurück. Sie vertritt den Standpunkt, dass die Gewässer, in denen sie aktiv ist, zu ihrem sogenannten Festlandsockel gehören. Die Türkei hält den Norden Zyperns seit 1974 besetzt und will mit den Bohrungen auch die Anteile der türkischen Zyprioten am Erdgasgeschäft sichern.

Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten hatten die Strafmaßnahmen bereits im Juni angedroht. „Der Europäische Rat bekundet seine große Besorgnis über die unrechtmäßigen Bohrungen, die die Türkei derzeit im östlichen Mittelmeer durchführt, und bedauert, dass die Türkei noch nicht auf die wiederholten Aufforderungen der Europäischen Union zur Einstellung dieser Tätigkeiten reagiert hat“, hieß es damals in der Abschlusserklärung. In dem am Montag beschlossenen Text wird diese Position noch einmal untermauert.

Bohrschiff „Fatih“
APA/AP/Turkish Defense Ministry
Das türkische Bohrschiff „Fatih“ unterwegs im Mittelmeer

Für die Wirtschaft und Verbraucher sind die beschlossenen Strafmaßnahmen schlechte Neuigkeiten. Das mit der Türkei geplante Luftverkehrsabkommen soll zum Beispiel eigentlich neue Flugverbindungen ermöglichen und für günstigere Tickets sorgen. Die EU-Kommission ging zuletzt davon aus, dass die Flugticketpreise nach einer Marktöffnung um bis zu 50 Prozent sinken und bis zu 48.000 neue Arbeitsplätze entstehen könnten.

Schallenberg: EU-Haltung „nur logisch“

Außenminister Alexander Schallenberg kündigte bereits vor Beginn der Beratungen der EU-Außenministerinnen und -Außenminister Sanktionen der EU im Streit über die Gasbohrungen vor Zypern an. „Wir werden heute eine Reihe von Maßnahmen gegen die Türkei beschließen, unter anderem weniger Geld, weniger Kreditvergaben durch die EIB, Aussetzung der Verhandlungen zum Luftverkehrsabkommen“, sagte Schallenberg am Montag beim Eintreffen in Brüssel.

Die Haltung der EU sei „nur logisch“, so Schallenberg. Die EU habe die Besetzung Nordzyperns durch die Türkei völkerrechtlich nie anerkannt. Daher stehe die EU auch hinter dem Wunsch Zyperns, selbst über seine Ressourcen zu bestimmen. Selbstverständlich seien noch weitere Sanktionen möglich. „Wir stehen absolut hinter Zypern“, sagte Schallenberg.

Ankara erhöhte Druck

Am Sonntag hatte die Türkei an ihren Erdgasbohrungen vor der Küste Zyperns festgehalten. Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte, die Bohrungen würden fortgesetzt, wenn die griechisch-zypriotische Regierung in Nikosia einen Kompromissvorschlag des türkischen Nordens der geteilten Insel nicht akzeptiere.

Die türkischen Zyprioten hatten der international anerkannten griechisch-zypriotischen Regierung nach türkischen Angaben am Samstag eine Zusammenarbeit angeboten. Die Regierung in Nikosia sieht in den Bohrungen durch zwei türkische Schiffe Verstöße gegen internationales Recht. Auch die Europäische Union, deren Mitglied Zypern ist, wertet die Bohrungen als illegal.

Die EU und Zypern betrachten ein Gebiet von bis zu 200 Seemeilen um die geteilte Insel, die ausschließliche Wirtschaftszone, als ihr Einflussgebiet. Im östlichen Teil des Mittelmeers sind große Öl- und Gasvorkommen entdeckt worden.

Experte: Geht nicht nur um Gasvorkommen

Für die Türkei geht es in dem Streit nicht allein um die Ausbeutung der Gasvorkommen, die in den vergangenen Jahren im östlichen Mittelmeer entdeckt wurden. „Jenseits von Energie versucht die Türkei ihre Macht in der Region durchzusetzen“, sagt Harry Tzimitras, Direktor des Prio Cyprus Centre. Die Türkei habe das Bedürfnis, „sich Gehör zu verschaffen“. Da sie auf diplomatischer Ebene isoliert ist, versucht sie nun, an Ort und Stelle Fakten zu schaffen.

Die Türkei liegt hinsichtlich der Aufteilung des Seegebiets mit allen Anrainerstaaten über Kreuz. Während sich Zypern, Griechenland, Israel und Ägypten in den vergangenen Jahren gemäß dem UNO-Seerechtsübereinkommen auf die Absteckung ihrer jeweiligen ausschließlichen Wirtschaftszonen geeinigt haben, beharrt die Türkei als einziger Staat darauf, dass zur Abgrenzung allein die Küstenlinie der Festlandmasse herangezogen wird.

Karte von Zypern und umgebenden Ländern
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: dpa/vesselfinder

Zypern schloss bereits Verträge

Ankara erkennt die ausschließliche Wirtschaftszone Zyperns nicht an, in der Nikosia bereits Verträge mit Ölkonzernen wie ExxonMobil, Total und ENI geschlossen hat. Ankara sieht das Vorgehen Zyperns als illegal an – ohne die Zustimmung und Beteiligung der Türkischen Republik Nordzypern (TRNZ). Diese wird allerdings nur von der Türkei anerkannt. Gespräche über eine Wiedervereinigung der beiden Inselteile liegen seit 2017 auf Eis.

Einen Teil des Seegebiets vor Zypern beansprucht die Türkei als Teil ihrer eigenen Wirtschaftszone. Einen anderen Teil sieht sie als Lizenzgebiet der türkischen Zyprioten. Mit der Entsendung der beiden Bohrschiffe „Yavuz“ und „Fatih“ unter dem Schutz ihrer Marine versucht sie, ihre Ansprüche durchzusetzen. Im Februar 2018 zwang die türkische Marine sogar ein Schiff des italienischen Ölkonzerns ENI zum Abzug aus dem umstrittenen Gebiet.

„Unsere Aktivitäten in unserem Kontinentalschelf basieren auf unseren legitimen Rechten“, so die türkische Regierung. Das zweite Bohrschiff sei im Lizenzgebiet der TRNZ aktiv, das der Firma Turkish Petroleum zugeteilt worden sei. „Die Türkei wird weiterhin sowohl ihre eigenen Rechte innerhalb ihres Kontinentalschelfs als auch die Rechte der türkischen Zyprioten im östlichen Mittelmeer mit Entschlossenheit schützen“, sagte Ankara.