Raketensysteme
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Russland

Rüstungssektor ökonomische „Zeitbombe“

Präsident Wladimir Putin lenkt die Geschicke Russlands seit 20 Jahren. Seither rüstete das Land deutlich auf, Moskau brüstet sich mit atomwaffenfähigen Unterwasserdrohnen und Hyperschallwaffen. Für Russlands Rüstungsindustrie sollte diese Entwicklung einen Geldregen bedeuten. Trotzdem schlägt sie Alarm: Man lebe „von der Hand in den Mund“.

Zuletzt feierte das Land seine militärische Macht im Mai öffentlich mit viel Pomp am Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über Hitler-Deutschland. Mehr als 13.000 Soldaten marschierten über den Roten Platz, anschließend gab es eine enorme Waffenschau mit Raketen und Luftabwehrsystemen.

Das alles kostet viel Geld: In den vergangenen zehn Jahren gab der Kreml rund 20 Billionen Rubel (rund 284 Mrd. Euro) für Rüstung und Waffeninnovationen aus, wie die Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg berichtet. Allein im vorigen Jahr steckte Russland etwa 55 Milliarden Euro in Armee und Ausrüstung. Zudem ließ Putin eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 18 auf 20 Prozent bekanntgeben, auch dieses Geld fließt in die Rüstung.

Kreditkosten explodieren

Doch die Industrie sieht davon offenbar nicht viel, so Bloomberg. Sie lebe „von der Hand in den Mund“, wie Russlands Vizepremier Juri Borisow kürzlich auf einer Branchenkonferenz zugegeben habe. Es gebe nicht mehr genug Ressourcen, um in neue Technologie zu investieren. Man habe Präsident Putin bereits gebeten, sich um diesen Darlehensbestand zu kümmern. Dabei gehe es um rund zwei Billionen Rubel, deren jährliche Kosten die Gewinne der Branche überstiegen, so Borisow.

Wladimir Putin
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Ließ aufrüsten: Putin beim Test einer Kalaschnikow im Militärpark von Kubinka

Viele der unbezahlten Posten reichten viele Jahre zurück und würden laut Analysten wohl nie bezahlt werden. Schuld daran seien Fehler im Management und Ineffizienz in den zum Großteil staatlich gelenkten Herstellerfirmen. Der Kreml schränkte zudem seit 2017 seine öffentlichen Ausgaben ein und brachte den Sektor dadurch noch mehr unter Druck. „Diese Zeitbombe geht jetzt hoch“, zitierte Bloomberg Konstantin Makienko vom russischen Thinktank Center for Analysis of Strategies and Technologies (CAST).

Finanzministerium winkt ab

Denn Russland gibt die Gelder für neue Systeme üblicherweise erst frei, wenn diese komplett sind. Die Hersteller müssen die Mittel bis dahin auslegen und sich Geld von Banken leihen. Und diese Kredite kosten, im Jahr belaufen sich die Zinsen im Schnitt auf rund zehn Prozent. Daher bleiben den Waffenherstellern Schulden – für Beobachter ein Resultat falscher Planung.

Seit 2016 fuhr der Kreml zudem die Rüstungsausgaben hinunter, wenn auch auf hohem Niveau. Auch die Angst vor möglichen US-Sanktionen gegen Käufer russischer Waffen schmälert die Einnahmen. Die Exporte von Waffen und Rüstungssystemen leiden darunter.

Vor drei Jahren widmete sich der Kreml bereits einmal dem Problem und zahlte rund elf Milliarden Euro, damit die Branche ihre Schulden bedienen konnte. Dieses Mal bleibt das Finanzministerium aber strikt, vergangene Woche verwehrte es Vizepremier Borisow eine Soforthilfe von rund neun Milliarden Euro, die es dem Rüstungssektor erlauben würden, normal weiterzuarbeiten. „Die Darlehen wurden von kommerziellen Banken zur Verfügung gestellt, ohne Beteiligung der Regierung. Diese nun abzuschreiben steht nicht auf unserer Agenda“, so Finanzminister Anton Siluanow.