Designierte deutsche Verteidungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer
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Nun doch Ministerin

Kramp-Karrenbauer sorgt für Erstaunen

„Politikbeben“, „Alles oder nichts“, „Ein starkes Signal“, aber auch „Eine Zumutung für die Truppe“ – ein Blick in deutsche Medien zeigt: Auch am Tag nach der Bekanntgabe, dass CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer den durch den Wechsel von Ursula von der Leyen nach Brüssel vakant gewordenen Chefinnensessel im deutschen Verteidigungsministerium übernimmt, sorgt das Thema für Erstaunen.

Damit habe niemand gerechnet, hieß es von Beobachtern, habe Kramp-Karrenbauer doch nach der Übernahme des CDU-Bundesparteivorsitzes immer einen Posten in CDU-Kanzlerin Angela Merkels Kabinett ausgeschlossen. Davon ist seit Dienstagabend keine Rede mehr – vielmehr übernahm Kramp-Karrenbauer nun das für eine Politkarriere riskante Verteidigungsressort.

Kramp-Karrenbauer erhielt am Mittwochvormittag im Beisein von der Leyens und Merkels am Berliner Schloss Bellevue ihre Ernennungsurkunde vom stellvertretenden Bundesratspräsidenten, Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD). Er vertrat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der auf Urlaub ist. Von der Leyen nahm bei der Zeremonie ihre Entlassungsurkunde entgegen.

Designierte deutsche Verteidungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen
APA/AFP/Axel Schmidt
Von der Leyen und ihre Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer schreiten eine Ehrenformation vor dem Verteidigungsministerium ab

Im Anschluss wurde Kramp-Karrenbauer vor ihrer neuen Wirkungsstätte, dem Berliner Bendlerblock, mit militärischen Ehren empfangen. Zusammen mit ihrer Vorgängerin schritt Kramp-Karrenbauer eine Ehrenformation der Deutschen Bundeswehr ab. Ausstehend ist noch die Vereidigung. Wie ein Sprecher des deutschen Bundestages mitteilte, findet am nächsten Mittwoch eine Sondersitzung statt.

Das Ministeramt nehme sie „mit einem hohen Respekt, mit vollem Herzen und voller Überzeugung“, wie Kramp-Karrenbauer an ihrer neuen Wirkungsstätte sagte. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundeswehr übernähmen „auf ganz besondere Art und Weise“ Verantwortung bis hin zu Kampfeinsätzen, sagte Kramp-Karrenbauer: „Deswegen haben sie auch höchste politische Priorität verdient.“

„Da muss eine CDU-Parteivorsitzende zugreifen“

„Entweder, Kramp-Karrenbauer scheitert dort wie so viele ihrer Vorgänger. Oder aber sie hat Erfolg – und kann dann mit Fug und Recht Anspruch auf die Kanzlerschaft erheben“, lautet etwa die Analyse der AFP. Ähnlich die dpa: Das Verteidigungsministerium könne sich zwar schnell zu einem Minenfeld entwickeln und sei oft für einen Skandal gut, wer aber „die Aufgabe meistert, kann auch zu Höherem berufen sein“.

„Leben ist immer Risiko“, sagte der Unionsfraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus gegenüber dem ZDF-„Morgenmagazin“. Die 56-jährige Parteichefin habe mit der beschlossenen Übernahme des Verteidigungsministeriums nicht zuletzt Führungsqualitäten gezeigt. Kramp-Karrenbauer habe die notwendigen Kompetenzen für das Amt der Verteidigungsministerin, sagte Brinkhaus unter Hinweis auf ihr Amt als CDU-Chefin, frühere Ministerpräsidentin und Innenministerin des Saarlandes.

Den Chefsessel im Verteidigungsministerium bezeichnete Brinkhaus schließlich als Kernposition im Kabinett und auch für die CDU. Da müsse eine CDU-Parteivorsitzende auch zugreifen, so der Unionsfraktionsvorsitzende weiter: „Wenn man sich schwierige Aufgaben nicht zutraut, dann ist man falsch in der Politik. Sie traut sich das zu.“

Laut CSU-Vizechefin Julia-Klöckner hätte Kramp-Karrenbauer jedes Kabinettsressort übernehmen können – „aber die Bundeswehr ist ein herausragendes Ressort mit großen Herausforderungen, und sie macht es zur Chefsache“. Dass Kramp-Karrenbauer immer wieder gesagt habe, sie werde nicht als Ministerin in die Regierung eintreten, und diesen Schritt jetzt doch gehe, mache sie nicht unglaubwürdig, so Klöckner am Mittwoch im SWR: „Besondere Umstände erfordern auch besondere Entscheidungen.“

Aus Selbstverteidigung in die Offensive

Etliche Beobachter waren sich am Mittwoch einig, dass Kramp-Karrenbauer mit dem Eintritt in Merkels Kabinett jenen Mut beweise, der ihr in den vergangenen Monaten bisweilen abhandengekommen zu sein schien. Zuletzt habe es eher so ausgesehen, als würde Selbstverteidigung zur Paradedisziplin der künftigen Verteidigungsministerin werden.

„Kramp-Karrenbauer machte Fehler, wirkte verunsichert und fand nicht so recht hinein in ihre neue Rolle als CDU-Chefin neben der weiter amtierenden CDU-Kanzlerin Merkel“, urteilte die AFP, der zufolge innerhalb der CDU allmählich auch „Murren über die ausbleibenden Erfolge der neuen Chefin laut“ geworden sei. Das dürfte den Angaben zufolge auch der Hauptgrund sein, warum Kramp-Karrenbauer – selbst zur Überraschung des CDU-Präsidiums – doch einen Kabinettsposten übernimmt.

Designierte deutsche Verteidungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Kanzlerin Angela Merkel
APA/AFP/Tobias Schwarz
Kramp-Karrenbauer hat von Merkel im Dezember den CDU-Parteivorsitz übernommen – ob auch die Kanzlerschaft folgt, bleibt offen

„Keinerlei Erfahrungen“

„Nachdem sie wochenlang einen Regierungseintritt ausgeschlossen hat, wird sie nun ausgerechnet Verteidigungsministerin“, lautete die Kritik von FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Kanzlerin und Union zeigten erneut, „dass sie die Belange der Bundeswehr nicht im Geringsten interessieren. Sonst würden sie die gebeutelte Bundeswehr nicht für Personalspielchen missbrauchen.“

FDP-Vizefraktionschef Alexander Graf Lambsdorff nannte die Entscheidung für die CDU-Vorsitzende „eine Zumutung für die Truppe und für unsere NATO-Partner“. Nichts könne Merkels Geringschätzung der Bundeswehr klarer ausdrücken als diese Personalie. „Annegret Kramp-Karrenbauer hat keinerlei außen-, sicherheits- oder verteidigungspolitische Erfahrungen. Respekt vor der Bundeswehr und Glaubwürdigkeit sehen anders aus.“

Mit „Gorch Fock“ in den Schlagzeilen

Der grüne Sicherheitspolitiker Tobias Lindner sagte der „Passauer Neuen Presse“ (Mittwoch-Ausgabe), die neue Führung im Verteidigungsressort müsse „unbedingt das angeknackste Verhältnis zur Truppe reparieren“. Wichtig sei es, dass „Pläne nicht nur verkündet, sondern auch umgesetzt werden“.

Das Verteidigungsministerium sorgte zuletzt etwa mit den ausufernden Reparaturkosten für das Schulschiff „Gorch Fock“- und einer Berateraffäre für Schlagzeilen und damit auch Kritik an der Amtsführung der bisherigen Ressortleiterin von der Leyen. Laut Militärexperten sind das zwar Aufreger in Berlin, sicherheitspolitisch aber eher „Peanuts“. Größte Herausforderung für das Verteidigungsministerium seien die Modernisierung und Instandhaltung von Waffensystemen und Material mit der Neuordnung des lähmenden Beschaffungswesens, die Personalgewinnung angesichts zunehmender Konkurrenz um Fachkräfte und die Digitalisierung der Armee.

Nachwehen der Von-der-Leyen-Wahl

Ob das Verteidigungsministerium für Kramp-Karrenbauer das erhoffte Sprungbrett oder doch ein Schleudersitz wird, ist allein mit Blick auf ihre Vorgänger mehr als fraglich. Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Thomas de Maiziere und von der Leyen (beide CDU), sie alle galten als mögliche Nachfolger Merkels und wurden es dann doch nicht. Nur von der Leyen, die am Dienstag zur EU-Kommissionspräsidentin gewählt wurde, hat es danach bis in ein höchstes Amt geschafft.

Gleichzeitig sorgt von der Leyens Karrierewechsel nach Brüssel in der deutschen Koalition, konkret die Nein-Stimmen der sozialdemokratischen EU-Abgeordneten, für Gesprächsbedarf. In ihrer Rolle als CDU-Chefin kündigte Kramp-Karrenbauer am Dienstag in den ARD-„Tagesthemen“ an, dass sie mit den Sozialdemokraten darüber sprechen wolle.

Die Sozialdemokraten müssten der CDU-Chefin zufolge „jetzt den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland erklären, warum sie an diesem Tag für jemanden aus der eigenen Regierung, aus der Großen Koalition nicht die Hand heben konnten“. „Mir erschließen sich die Beweggründe nicht“, wie Kramp-Karrenbauer sagte.