Homestead in den USA
AP/Lynne Sladky
US-Massenquartiere

Kinder laut Amnesty „wie im Gefängnis“

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die temporäre Notfalleinrichtung Homestead in Florida untersucht und schlägt Alarm: Rund 2.000 Kinder und Jugendliche seien nach ihrer Flucht in die USA festgenommen und „ohne angemessene Betreuung“ in dem Massenquartier eingesperrt worden.

Das Camp Homestead, das nach einem nahen Ort benannt ist, gerät immer wieder in die Schlagzeilen. Wiederholt gab es Proteste, seitdem US-Präsident Donald Trump in der Migration eine „Null Toleranz“-Devise ausgab. Seither wurden Tausende Soldatinnen und Soldaten an der Grenze zu Mexiko stationiert und mehr als 2.000 Kinder aus Einwandererfamilien von ihren Eltern getrennt.

Angesichts scharfer Proteste im In- und Ausland sah sich Trump gezwungen, die systematischen Familientrennungen wieder zu stoppen. In Homestead sind aber noch rund 2.000 Kinder und Jugendliche in äußerst schlechten Verhältnissen untergebracht, wie die Menschenrechtsorganisation Amnesty International nun öffentlich machte.

„Temporär“ seit über einem Jahr

Tausende würden auf ihrer Flucht in die USA festgenommen und „ohne angemessene Betreuung“ in Massenquartieren eingesperrt, so Amnesty. In einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht fordert die NGO, Homestead zu schließen und die Bedingungen in anderen Einrichtungen genauer zu überwachen. Die Zustände in dem Camp in Florida würden gegen die Menschenrechte verstoßen, heißt es. Die Kinder und Jugendlichen würden dort „wie im Gefängnis eingesperrt“ leben.

Demonstration gegen Homestead in den USA
AP/Lynne Sladky
Wiederholt gab es Proteste gegen die Unterbringung der Kinder und Jugendlichen

Nach einer oft traumatischen Flucht würden die Jugendlichen in Homestead nicht angemessen betreut, kritisiert die Menschenrechtsorganisation. Das liege vor allem daran, dass das Quartier als „temporäre Notfalleinrichtung“ nicht die gleichen Unterbringungsstandards wie andere, dauerhaft bestehende Einrichtungen, erfüllen muss. Auch die Tatsache, dass Homestead als „temporäre“ Einrichtung bezeichnet wird, stieß bei Amnesty International auf Kritik. Das Quartier sei nämlich bereits seit Mai 2018 in Betrieb.

Strikte Überwachung

„Sie sitzen wie Gefangene fest und unterliegen einem strikten Zeitplan. Die Kinder müssen Ausweise mit Barcodes tragen, die beim Betreten und Verlassen von Gebäuden gescannt werden“, heißt es im Bericht. Selbst für grundlegende Bedürfnisse müssten sie Antragsformulare ausfüllen. Mädchen zum Beispiel sogar dann, wenn sie Binden benötigen. Der Schulunterricht in der Notfalleinrichtung sei außerdem nur ungenügend gewährleistet.

Amnesty besuchte die Einrichtung laut eigenen Angaben zweimal, im April und Juli 2019. Anfang April waren dort mehr als 2.100 Kinder im Alter zwischen 13 und 17 Jahren untergebracht. Zwischenzeitlich saßen dort sogar fast 2.500 Minderjährige fest. Durchschnittlich verbrachten Jugendliche in Homestead 89 Tage, bevor sie entweder an Angehörige oder Patenfamilien übergeben oder in eine andere Einrichtung verlegt wurden. Eigentlich sei geplant gewesen, dass Kinder „höchstens 20 Tage“ in Homestead verbringen, so Amnesty.

Ruf nach Schließung

„Kinder sollten niemals inhaftiert werden. Wenn das jedoch unumgänglich ist, dann nur so kurz wie möglich und in kindgerechter Umgebung“, lautet eine der Forderungen der NGO. Die temporäre Notfalleinrichtung Homestead müsse so rasch wie möglich geschlossen werden und die dort inhaftierten Kinder in geeignete, kleinere Unterkünfte gebracht oder an Angehörige übergeben werden, denn „die überwiegende Mehrheit der unbegleiteten Jugendlichen haben Angehörige und Bekannte, die bereit wären, sie aufzunehmen“.

Außerdem müssten weitere Untersuchungen über die Unterbringungsbedingungen in Homestead und anderen Einrichtungen geführt werden. Einrichtungen, die wie Homestead gegen die Menschenrechte der unbegleiteten Jugendlichen verstoßen würden, müssten ebenfalls so rasch wie möglich geschlossen werden, so die NGO.

Trumps Ex-Stabschef im Vorstand

Das Camp war 2016 unter US-Präsident Barack Obama eröffnet worden. Als der Bedarf schwand, schloss es zeitweise. Unter Trump wurde es wieder eröffnet und vergrößert. Es wird von der privaten Firma CHS (Comprehensive Health Services) betrieben. Es ist ein Tochterunternehmen von Caliburn International, dessen Vorstand auch John Kelly angehört, Trumps ehemaliger Stabschef. Laut US-Medienberichten erhielt CHS kürzlich einen Großauftrag der Regierung für die Unterbringung Minderjähriger ohne Ausschreibung. „Es gab kein Wettbieten, und es passierte unter dem Radar“, schrieb die Zeitung „Miami Herald“. Die Regierung rechtfertigte das Vorgehen mit der Dringlichkeit der Unterbringung.