Ausschreitungen in Hong Kong
APA/AFP/Vivek Prakash
Massenprotest in Hongkong

Polizei setzt erneut Tränengas ein

In den späten Abendstunden (Ortszeit) hat es bei den Massenprotesten in Hongkong erneut Ausschreitungen gegeben. Die Polizei setzte nach Warnungen Tränengas ein, um die Demonstranten und Demonstrantinnen auseinanderzutreiben. Diese begannen, Flaschen auf die Beamten zu werfen.

Einige von ihnen hatten sich trotz Sperren nach dem offiziellen Ende der Marschroute weiter in das Regierungsviertel begeben. Erstmals richtete sich der Protest am Sonntag nicht mehr nur gegen die Hongkonger Regierung, sondern auch direkt gegen Chinas Vertretung.

Nach dem Protestmarsch zogen Hunderte zum Verbindungsbüro der chinesischen Führung. Einige bewarfen das Gebäude mit Eiern und schwarzer Farbe. Auch das Emblem der Volksrepublik wurde beschmutzt. Chinas Staatsmedien reagierten empört: „Das ist ein Aufruhr“, urteilte die „Global Times“.

430.000 Menschen bei Protesten beteiligt

Die Polizei hatte schon im Vorfeld enorme Sicherheitsbedenken und daher nur eine verkürzte Marschroute genehmigt, um die Demonstration nicht am Regierungssitz und Parlament vorbeiziehen zu lassen. Diese wurden zusätzlich noch durch zwei Meter hohe Barrikaden gesichert. Laut Organisatoren waren am Sonntag rund 430.000 Menschen auf der Straße.

Ausschreitungen in Hong Kong
Reuters/Tyrone Siu
Am späten Sonntagabend (Ortszeit) gab es erneut Ausschreitungen bei den Protesten

Sie fordern einen unabhängigen Untersuchungsausschuss, der die Verhältnismäßigkeit der Polizeigewalt bei Zusammenstößen bei vorangegangenen Protesten thematisieren soll. Zudem pochen sie auf einen formgerechten Rückzug des heftig kritisierten Auslieferungsgesetzes. Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam hatte aufgrund des wochenlangen Drucks den Gesetzesentwurf inzwischen ausgesetzt und für „gestorben“ erklärt. Sie lehnt aber einen formgerechten Rückzug des Entwurfs ab.

Mit Stöcken auf Demonstrierende eingeschlagen

Es gab auch Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen Gruppen und Demonstranten. Schläger in weißen T-Shirts schlugen am U-Bahnhof Yuen Long mit Stöcken auf heimkehrende Demonstranten und Reporter ein, wie in Videos in Sozialen Medien zu sehen war. Augenzeugen vermuteten, dass chinesische Triaden hinter den Angriffen der vermutlich angeheuerten Schläger steckten.

Hongkonger Polizei setzt Tränengas gegen Regierungsgegner ein

Bei Protesten gegen die Regierung der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong hat die Polizei am Sonntag Tränengas und Gummigeschosse gegen die Demonstranten eingesetzt. Videoquelle: EBU/GBAPTN/News GB

Seit Wochen gehen Hunderttausende Hongkonger gegen das Auslieferungsgesetz auf die Straße. Viele befürchten dadurch eine Aushöhlung der Freiheiten. Mit dem Gesetz sollten Auslieferungen von Personen an China, die von der chinesischen Justiz beschuldigt werden, möglich werden. Kritisiert wurde, dass die Justiz in China nicht unabhängig sei und als Werkzeug der politischen Verfolgung diene. Entsprechend groß war der Widerstand.

Sprengstoff gefunden

Die Polizei hatte erst am Freitagabend auf Basis von Geheimdienstinformationen in einem Raum einer Unabhängigkeitsgruppe ein Waffenlager gefunden, berichtete die „South China Morning Post“ („SCMP“). Demnach seien dort zwei Kilo Sprengstoff, Brandsätze, Säure, Messer und Metallstangen gefunden worden. Bei dem Sprengstoff handelte es sich demnach um hochexplosives TATP (Triacetone Priperoxide).

Gefundenes Waffenlager in Hongkong
AP/Apple Daily
Kurz vor den erneuten Protesten wurde im Raum einer Unabhängigkeitsgruppe ein Waffenlager gefunden

„Ich denke, es ist ohne Zweifel die größte Menge, die wir jemals in Hongkong gefunden haben“, wurde Superintendent Alick McWhirter zitiert. Drei Personen wurden festgenommen. Derzeit wird untersucht, ob ein Zusammenhang mit den Protesten bestand. Laut Medienberichten gab die Gruppierung an, nichts von dem Sprengstoff gewusst zu haben. Es seien in dem Raum nur Lautsprecheranlagen und Informationsmaterial gelagert worden.

China sieht Risiko für Hongkongs Stabilität

China hatte die Ausschreitungen bei den Protesten Anfang Juli als „unverhohlene Herausforderung“ für die Formel „Ein Land, zwei Systeme“ bezeichnet. „Wenn die Gewalt weitergeht, wird das Hongkongs Wohlstand und Stabilität einen größeren Schlag versetzen“, kommentierte die Zeitung der kommunistischen Partei Chinas am Sonntag.

Demonstranten zerschlagen eine Glasscheibe im Parlamentsgebäude von Hongkong
Reuters/Thomas Peter
Am Tag der Übergabe Hongkongs an China eskalierten die Proteste

Erst am Samstag sind mehr als 100.000 Menschen in Hongkong aus Solidarität mit der Polizei und der prochinesischen Regierung auf die Straße gegangen. Der vorwiegend älteren Menge schlossen sich auch Familien und jüngere Bewohner der Metropole an. Sie schwenkten chinesische Flaggen und hielten auf Schildern Solidaritätsbekundungen mit der Polizei hoch. Nach Angaben der Polizei beteiligten sich 103.000 Menschen an der Kundgebung. Die Veranstalter sprachen nach Medienangaben von 316.000 Teilnehmern.

Hongkong wird seit der Rückgabe 1997 an China unter chinesischer Souveränität autonom in eigenen Grenzen regiert. Die Hongkonger genießen im Gegensatz zum chinesischen Festland das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie Presse- und Versammlungsfreiheit. Befürchtet wird, dass Peking diese Rechte auch in Hongkong beschneiden will. Eigentlich wurden Hongkong diese politischen Grundrechte bis 2047 zugesichert.