Der designierte britische Premier Boris Johnson
Reuters/Toby Melville
May-Nachfolger

Johnson wird neuer britischer Premier

Boris Johnson folgt Theresa May als britischer Premierminister und Parteichef der Torys nach. Das wurde am Dienstag von der Konservativen Partei in einem Veranstaltungscenter in London verkündet.

Johnson konnte sich gegen seinen Konkurrenten Jeremy Hunt mit 92.153 zu 46.656 Stimmen durchsetzen, wie es vom Parteivorstand hieß. Damit konnte Johnson einen deutlichen Sieg erlangen, der bereits im Voraus von vielen Beobachterinnen und Beobachtern erwartet wurde.

Johnson dankte in seiner Rede seinem Gegner Hunt und auch seiner Vorgängerin May. Hunt sei eine „Quelle exzellenter Ideen“ gewesen, die er nun stehlen werde, so der sichtlich gut gelaunte Johnson. Zum bevorstehenden Ausstieg Großbritanniens aus der EU sagte Johnson, dass man den Brexit „am 31. Oktober erledigt“ haben werde, es herrsche nun der „Geist des Erledigenwollens“ („Spirit of can do“). Wie einen „schlummernden Riesen“ werde man die Partei wiederbeleben, so Johnson. Sein Ziel sei es, dieses „großartige Land“ zu „vereinigen“. Die Kampagne sei jetzt vorbei, „jetzt beginnt die Arbeit“, so Johnson abschließend.

Premier ab Mittwoch

Johnson wird sein neues Amt als Premierminister offiziell am Mittwoch antreten. 159.320 Parteimitglieder konnten in den vergangenen Wochen über die Nachfolge von May per Briefwahl abstimmen, die Wahlbeteiligung lag bei 87,4 Prozent. Vor Bekanntgabe des Ergebnisses trafen die Ministerinnen und Minister ein letztes Mal zu einem Treffen des Kabinetts bei May in Downing Street 10 ein.

Jeremy Hunt und Boris Johnson
AP/Stefan Rousseau
Johnson (r.) konnte sich gegen seinen Konkurrenten Hunt in der Stichwahl durchsetzen

Der Abstimmung ging ein internes Auswahlverfahren über mehrere Runden voraus. Neben Johnson und Hunt hatten sich etwa auch Umweltminister Michael Gove und Innenminister Sajid Javid der Wahl gestellt. Bis zur Stichwahl waren nur die Tory-Abgeordneten wahlberechtigt, erst dann durften auch die Parteimitglieder entscheiden.

Johnson mit großen Zielen

Der Brexit-Hardliner will Großbritannien am 31. Oktober aus der Europäischen Union herausführen – notfalls auch ohne Abkommen. Ein „No Deal“-Brexit würde vermutlich vor allem für die Wirtschaft unangenehme Konsequenzen haben, da es zu einer Wiedereinführung von Zöllen kommen könnte. May war mit ihrem mit Brüssel ausgehandelten Abkommen dreimal im Parlament gescheitert.

Minister treten zurück

Gleich im Anschluss an Johnsons Rede am Dienstag kündigte Justizminister David Gauke seinen Rücktritt an. Er gratulierte Johnson auf Twitter. Es sei eine Ehre gewesen, im Justizressort zu arbeiten, er werde aber nun als Abgeordneter ins Parlament zurückkehren. Ähnlich verabschiedete sich Entwicklungshilfeminister Rory Stewart. Auch Finanzminister Philip Hammond sagte, er werde eher zurücktreten, als unter Johnson zu dienen.

Schon vor Bekanntgabe des Ergebnisses gab es eine Handvoll Rücktritte. So kündigte die Tory-Abgeordnete Anne Milton nur eine knappe halbe Stunde vor der Präsentation in London ihren Rücktritt an. Alan Duncan aus dem Außenministerium trat bereits am Montag zurück.

Starkes, aber nicht bestes Ergebnis

Johnson, der 66 Prozent der Stimmen erlangte, schnitt besser ab als die Parteichefs der Opposition: So konnte Labour-Chef Jeremy Corbyn zuletzt 62 Prozent der Stimmen seiner Partei hinter sich versammeln, Jo Swinson, die Chefin der Liberaldemokratin, wurde erst am Montag mit 63 Prozent gewählt, schreibt der „Guardian“.

Im Vergleich mit vorherigen Tory-Ergebnissen steht Johnson besser da als Iain Duncan Smith, der 2001 als erster Parteichef der Torys von den Parteimitgliedern gewählt wurde. David Cameron wurde 2005 hingegen mit 68 Prozent an die Spitze der Torys gewählt und schnitt damit besser als Johnson ab.

Corbyn spricht sich für Neuwahl aus

Labour-Chef Corbyn zeigte sich nach der Präsentation Johnsons naturgemäß wenig begeistert. Johnson habe die Unterstützung von „weniger als 100.000 Tory-Mitgliedern“, aber „nicht die Unterstützung des Landes“ gewonnen, so Corbyn in einem Tweet. Er forderte Johnson zu einer Neuwahl auf. „Die Bevölkerung sollte in einer Parlamentswahl entscheiden, wer Premierminister wird.“ „Besorgt“ zeigte sich die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon. Die meisten Menschen in Schottland hätten sich wohl nicht für Johnson entschieden, so Sturgeon.

Die Chefin der nordirischen DUP, auf deren Stimmen die Torys im britischen Parlament angewiesen sind, gratulierte Johnson. Man freue sich auf Gespräche über die gemeinsamen Ziele, so Arlene Foster, und darüber, wie man den Brexit auf den Weg bringen könne.

Glückwünsche von Washington bis Berlin

Aus dem Ausland kamen umgehend Glückwünsche: US-Präsident Donald Trump gratulierte Johnson – er werde „großartig“ sein, so Trump auf Twitter. Australiens Premier Scott Morrison wünschte Johnson alles Gute, man hatte bisher gute Beziehungen zu Großbritannien und werde diese auch „mit Boris“ pflegen. „Ich gratuliere Boris Johnson und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit“, sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Unsere Länder soll auch in Zukunft eine enge Freundschaft verbinden.“

Gratulation und Absage aus Brüssel

Auch der scheidende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gratulierte Johnson. Er wolle mit Johnson „auf die bestmögliche Weise zusammenarbeiten“, teilte eine Sprecherin der EU-Kommission in Brüssel mit. Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier machte unterdessen erneut klar, dass die EU die von Johnson geforderte Neuverhandlung des Austrittsabkommens ablehnt.

Barnier schrieb auf Twitter: „Wir freuen uns darauf, mit Boris Johnson nach seiner Amtsübernahme konstruktiv zusammenzuarbeiten, um die Ratifizierung des Austrittsabkommens zu erleichtern und um einen geregelten Brexit zu gewährleisten.“ Möglich sind nach Barniers Worten lediglich Änderungen an der politischen Erklärung zu den künftigen Beziehungen.

Trumps Tochter sorgt für Lacher

Donald Trumps Tochter Ivanka sorgte mit einem Fehler in einem Tweet für Lacher. Sie hatte Johnson zu seinem Amt als Premier des „United Kingston“ statt United Kingdom gratuliert. Kingston ist die Hauptstadt von Jamaika. Der Tippfehler erinnerte an Ausrutscher ihres Vaters, der sich in seinen Twitter-Botschaften immer wieder in der Tastatur vergreift. Im Juni hatte Trump mit seiner Bezeichnung des britischen Thronfolgers Charles als „Prince of Whales“ – den „Prinzen der Wale“ – für Spott im Internet gesorgt.