BUWOG-Prozess: Grassers Anwalt sieht „Amtsmissbrauch“

Der 103. Verhandlungstag im BUWOG-Prozess – vor einer sechswöchigen Sommerpause – hat heute emotional begonnen, wenn auch mit einem anderen Start als erwartet. Statt mit der Befragung des Belastungszeugen Michael Ramprecht eröffnete der Anwalt von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/parteilos) Norbert Wess mit Angriffen gegen die Staatsanwaltschaft – was diese umgehend zurückwies.

Richterin Marion Hohenecker quittierte die Ausführungen von Wess mit der Frage, ob die Verteidigung das gesamte Verfahren wieder von vorne beginnen will. Wess ließ das offen. „Ich kann es nicht sagen“, so Wess, der abschließend meinte: „Nix ist fix.“

Fragerecht „faktisch eingeschränkt“

Zuvor hatte der Anwalt ausgeführt, dass er ein Muster in der Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft sieht: Gespräche würden nicht im Akt landen, wodurch die Verteidigung erschwert werde. Dadurch werde das Fragerecht „faktisch eingeschränkt“, er äußerte den Verdacht auf Amtsmissbrauch.

Wess nannte mehrere Beispiele, so etwa das gestern vom Zeugen Willibald Berner erwähnte Gespräch mit dem damaligen Staatsanwalt im Verfahren im Cafe Landtmann, bei dem auch ein Sachverständiger dabei war, und zwar vor Berners Zeugenbefragung im Ermittlungsverfahren im Herbst 2009. Wess stellte daher den Antrag auf Heranschaffung aller Vermerke der Staatsanwaltschaft, die verhandlungsrelevant seien. Diesem Antrag schlossen sich weitere Verteidiger an.

Vorwürfe zurückgewiesen

Danach ergriff Oberstaatsanwalt Alexander Marchart das Wort, um Wess auf angeblich mangelnde Aktenkenntnis hinzuweisen – mit Quellenangaben und dem Verweis auf das Verfahren um die Immofinanz, das dem jetzigen Verfahren vorgelagert war. Marchart wies die Vorwürfe des Grasser-Verteidigers gegen die Staatsanwaltschaft zurück, alles sei rechtmäßig erfolgt. „Man muss den Akt auch lesen“, forderte er Wess auf.

Anschließend startete die Befragung von Ramprecht durch Wess. Ramprecht fühlte sich mehrfach durch die Art der Befragung des Grasser-Anwalts provoziert und wurde zunehmend lauter. Ramprecht ist mit dem gestrigen Zeugen Berner befreundet, beide gelten als Belastungszeugen im Prozess gegen Grasser und andere. Berner hatte Grasser gestern in einer ganztägigen Aussage mehrfach belastet, seine Aussage konnte noch nicht abgeschlossen werden. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.