DB-Zug am Frankfurter Bahnhof
AP/Michael Probst
Auf Gleise gestoßen

Fassungslosigkeit nach Tod eines Buben

Auf dem Frankfurter Bahnhof ist am Montag ein achtjähriger Bub ums Leben gekommen. Er war zusammen mit seiner Mutter von einem offenbar völlig Fremden auf die Gleise gestoßen worden. Die Frau konnte sich retten, für das Kind kam jede Hilfe zu spät. Die Frage nach dem Warum bleibt.

Bestürzung, Schock und Trauer machten sich am Montag breit, Augenzeugen am Frankfurter Hauptbahnhof brachen weinend zusammen. Ein Mann hatte am Vormittag eine Frau und ihren achtjährigen Sohn auf das Gleisbett gestoßen. Die 40-jährige Mutter habe sich auf einen Fußweg zwischen zwei Gleisen gerettet. Der Achtjährige wurde von einem einfahrenden ICE erfasst und getötet.

Ein Tatverdächtiger wurde festgenommen, der 40 Jahre alte Mann soll aus Eritrea stammen. Nach Informationen der dpa wohnt er in der Schweiz. Bisher hat er sich noch nicht zu der Attacke geäußert. Wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte, wird er am Dienstag dem Haftrichter vorgeführt. Die Polizei ermittelt wegen eines Tötungsdelikts und wertet Videoaufnahmen aus. Sie rief Zeugen dazu auf, sich zu melden.

Mutter im Spital

Der Verdächtige soll auch bei einer weiteren Person versucht haben, sie auf die Gleise zu stoßen. Er flüchtete zuerst, wurde aber von Passanten verfolgt und später von der Polizei außerhalb des Bahnhofs festgenommen. Der mutmaßliche Täter und seine Opfer kannten den Ermittlungen zufolge einander nicht. Die Mutter des Buben wurde in ein Krankenhaus gebracht und notfallmedizinisch versorgt. Die Deutsche Bahn kündigte an, eine Hotline zur psychologischen Betreuung für Zeugen des Vorfalls freizuschalten. Der Frankfurter Hauptbahnhof gehört zu den größten Bahnhöfen in Deutschland und wird täglich von fast 500.000 Menschen besucht.

DB-Zug am Frankfurter Bahnhof
APA/dpa/Frank Rumpenhorst
Nach der Tötung des Kindes herrschte am Bahnhof Ausnahmezustand

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier von der CDU zeigte sich nach dem Tod des Buben erschüttert. „Es macht fassungslos, dass Mutter und Kind vor einen einfahrenden Zug gestoßen wurden“, so Bouffier. Die Aufklärung der „abscheulichen Tat“ liege nun in den Händen der zuständigen Behörden. Bouffier sprach der Familie sein Beileid aus.

Viele Politiker äußerten sich ähnlich zu dem Fall. Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) unterbrach seinen Urlaub. Er wolle sich mit Vertretern der Sicherheitsbehörden treffen, sagte ein Sprecher des Ministeriums der dpa. Am Dienstag will Seehofer die Presse informieren.

Seehofer warnt vor zu schneller Bewertung

„Der Täter wird für die Tat mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zur Verantwortung gezogen werden.“ Soweit nötig, stelle er dem Land Hessen jede Unterstützung etwa der Bundespolizei oder des Bundeskriminalamts zur Verfügung. Seehofer verwies darauf, dass „in Teilen der Öffentlichkeit“ bereits eine Bewertung der Tat vorgenommen werde. „Dies ist seriös aber erst möglich, wenn die Hintergründe aufgeklärt sind“, betonte der Minister. Auf Twitter brachten manche Nutzer die Tat am Montag in Verbindung mit der deutschen Asylpolitik.

Ähnlicher Fall erst vor einer Woche

Der Fall erinnert an eine Attacke, die sich vor gut einer Woche in Voerde im Bundesland Nordrhein-Westfalen ereignet hatte: Dort hatte ein Mann eine Frau an einem Bahnhof vor einen Regionalzug gestoßen und so getötet. Der 28-jährige Tatverdächtige – ein in Deutschland geborener Serbe – sitzt wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft.

Wie im Frankfurter Fall kannten der mutmaßliche Täter und das Opfer den Ermittlern zufolge einander nicht. Nach den Untersuchungen einer Blutprobe gibt es bei dem 28-Jährigen Hinweise auf Kokainkonsum. Es seien bei ihm Abbauprodukte von Kokain im Blut nachgewiesen worden. „Das heißt aber nicht, dass er konkret unter Kokaineinfluss stand“, sagte der Duisburger Staatsanwalt am Montag.

ÖBB mit unterschiedlichen Sicherheitskonzepten

Auch in Österreich gab es ähnliche Fälle. Im Mai wurde ein Mann auf die Gleise der Wiener U-Bahn-Linie U3 gestoßen. Ein 20-Jähriger gestand die Tat und gab an, sich verfolgt gefühlt zu haben. Auch hier hatten die beiden Beteiligten einander nicht gekannt.

Ein Delikt wie die Tötung des Kindes in Frankfurt ist von Bahnbetreibern nur sehr schwer zu verhindern. Die ÖBB verfügen über ein System an Risikoeinstufungen mit darauf ausgelegten Sicherheitskonzepten, etwa Notrufsäulen an den Bahnsteigen, Videokameras oder Security-Personal. Diese werden stetig Evaluierungen und Verbesserungen unterzogen. Die ÖBB empfahlen am Montag den Fahrgästen, am Bahnsteig „stets höchste Aufmerksamkeit vor dem Einfahren eines Zuges walten zu lassen und das persönliche Umfeld besonders bei hohem Passagieraufkommen immer im Blick zu behalten.“