Offene Festplatte
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Schredder-Affäre

ÖVP und SPÖ im Clinch

Ein Bericht, dass auch vor der Amtsübergabe von Ex-Kanzler Christian Kern (SPÖ) an seinen Nachfolger Sebastian Kurz (ÖVP) Festplatten vernichtet worden sind, hat einen heftigen Schlagabtausch zwischen SPÖ und ÖVP zur Folge. Die Volkspartei sieht sich in ihrer Argumentation bestätigt, dass das Schreddern ein „normaler Vorgang“ sei. Die SPÖ will die beiden Fälle nicht verglichen haben, da Beamte des Kanzleramts das Prozedere durchgeführt hätten.

Laut einer der „Kronen Zeitung“ vorliegenden Auftragsbestätigung wurden im Zuge der Amtsübergabe Kern – Kurz sieben Druckdatenträger ersetzt und die entnommenen zerstört. Laut dem „Krone“-Bericht stammten gemäß dem Akt „BKA-410.413“ drei der sieben Festplatten vom Ballhausplatz, eine davon direkt aus Kerns Vorzimmer („109/2M“).

Weitere drei Festplatten kamen aus den Beständen des Kanzleramtsministers Thomas Drozda, nunmehr SPÖ-Bundesgeschäftsführer, und eine aus dem früheren Staatssekretariat von Muna Duzdar (SPÖ). Die Rechnung belief sich laut dem Bericht auf knapp 2.100 Euro, wobei offenbar auch die Beschaffung der neuen Festplatten zum Leistungsumfang gehörte – ob die von der ÖVP geschredderten Datenträger ersetzt wurden, ist nach wie vor unklar. Die Auftragsbestätigung datiert laut „Krone“ vom 1. Dezember, die Amtsübergabe an Kurz erfolgte am 18. Dezember.

Kern: Keinen Auftrag erteilt

Kern betonte am Dienstag, keinen Auftrag dazu erteilt zu haben. Genau das sei der Unterschied zu seinem Nachfolger, so der ehemalige SPÖ-Chef auf Facebook: „Ein persönlicher Mitarbeiter von ihm hat unter falschem Namen Festplatten bei einer externen Firma zerstören lassen. Das war kein amtswegiger Vorgang, das war kein gesetzesmäßiger Verwaltungsakt, sondern eine heimliche Zerstörung und Panikaktion.“ Offenbar habe das Kabinett von Kurz etwas zu verbergen.

Gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal sagte Kern, seinen Nachfolger klagen zu wollen, sollte Kurz „noch einmal behaupten“, dass auch bei seiner Übergabe „politische Mitarbeiter Material geschreddert haben, noch dazu unter falschem Namen, noch dazu außer Haus“ – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Kern betonte zudem, bis Dienstag keine Kenntnis davon gehabt zu haben, „dass Festplatten des Kanzleramtes aus meiner Amtszeit zerstört“ worden seien. Eine entsprechende Klagsdrohung hatte Kern schon am Freitag geäußert.

Berichte über Schredder-Aktion bei Kerns Amtsübergabe

Medienberichten zufolge sollen auch bei der Amtsübergabe von Christian Kern an Sebastian Kurz Datenträger zerstört worden sein. Kern gibt an, nichts davon gewusst zu haben.

ÖVP sieht „Doppelmoral“ bei SPÖ

Die ÖVP sparte wiederum nicht mit Kritik an der SPÖ: „Es ist unglaublich, mit welcher Doppelmoral Kern und die gesamte SPÖ hier agieren“, sagte ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer: „Wie sich jetzt herausstellt, schredderte auch die SPÖ, und das sogar im größeren Stil.“ Kurz habe von der SPÖ noch schwere Kritik geerntet, weil er die Vernichtung der Druckerfestplatten als „normalen Vorgang“ bezeichnet habe. „Spätestens seit heute“ sei klar, dass es nicht „außergewöhnlich“ sei, dass „zeitgerecht vor einem Regierungswechsel Festplatten ausgebaut und vernichtet werden“, so Nehammer.

SPÖ wehrt sich

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Drozda wiederum ließ via Twitter wissen, dass die Übergabe damals durch Beamte des Kanzleramts durchgeführt und geleitet wurde. Die ÖVP hingegen habe „offenbar einiges zu verbergen, verstrickt sich in Widersprüche und will nicht über ihre zerstörten Daten, Festplatten und Fehler reden. Stattdessen versucht sie, uns mit Dreck zu bewerfen.“

Auch SPÖ-Wahlkampfmanager Christian Deutsch betonte in einer Aussendung, bei der Kern-Übergabe habe es ein „völlig transparentes, ordnungsgemäßes und dokumentiertes Vorgehen“ gegeben. Und weiter: „Die ÖVP muss endlich für Aufklärung sorgen, statt weitere Ablenkungsmanöver zu starten.“

Pilz-Anzeige gegen Kurz

Indes zeigte der JETZT-Abgeordnete Peter Pilz Ex-Bundeskanzler Kurz und zwei Mitarbeiter im Kanzleramt in Zusammenhang mit der Schredder-Affäre an. In einer Sachverhaltsdarstellung an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft heißt es, die Vernichtung von Datenträgern könnte die Tatbestände Betrug, Sach- und Datenbeschädigung und Unterdrückung von Beweismitteln erfüllen.

Dort erklärte man auf APA-Anfrage, dass die Sachverhaltsdarstellung noch nicht eingelangt sei. Sobald sie vorliege, werde sie geprüft. Darüber hinaus würden zu den schon laufenden Ermittlungen keine Details bekanntgegeben, auch nicht, gegen wie viele Personen ermittelt werde. Bei den Ermittlungen sei jedenfalls „besondere Sensibilität“ geboten, zudem handle es sich um einen „Verschlussakt“.

Ungereimtheiten bei ÖVP-Festplatten?

Der „Standard“ berichtete indes von möglichen Ungereimtheiten bei den von der ÖVP geschredderten Festplatten. Drei der fünf sollen laut Seriennummer Platten sein, die nicht an Privatverbraucher verkauft, sondern in Druckern oder Laptops verbaut werden. Die vierte Festplatte sei aber laut Seriennummer ein Modell der Marke Western Digital gewesen, die zwar in Drucker eingebaut werden könne, aber eigentlich explizit für Laptops gebaut sei. Diese sei auch im Handel erhältlich.

Entdeckt wurde das erst jetzt, weil im „Falter“-Bericht über die „Aktion Reisswolf“ diese Seriennummer falsch wiedergegeben worden sei, schreibt der „Standard“. Völliges Rätselraten gibt es noch über die fünfte Festplatte. Auch hier scheint die kolportierte Seriennummer nicht zu stimmen.

Zwischen in Druckern und in PCs verbauten Festplatten gebe es grundsätzlich keinen Unterschied, sagte der IT-Experte Otmar Lendl vom Computer Emergence Response Team Austria (CERT) der APA. Rückschlüsse darauf, wie die fünf geschredderten Festplatten verwendet wurden, seien damit kaum möglich. Nach Aufkommen der Schredder-Affäre hat die ÖVP stets davon gesprochen, dass es sich bei den vernichteten Datenträgern um Druckerfestplatten gehandelt habe.