Sigalit Landau, Hebung des Tutus aus dem Wasser des Toten Meeres, 2016
Shaxaf Haber
Sigalit Landau

Wenn die Natur Kunst schafft

Trauma und Träumerisches – so lässt sich Sigalit Landaus Kunst vielleicht zusammenfassen. In Salzburg bespielt die Israelin unter dem Titel „Salt Years“ derzeit gleich beide Standorte des Museums der Moderne. Eine Ausstellung als salzverkrustete Meditation über den Nahost-Konflikt – mit starken Bildern und einer gewissen Nähe zum Kitsch.

Fast unweigerlich ziehen sie in ihren Bann. In der zweiten Etage des Museums der Moderne, hoch oben auf dem Salzburger Mönchsberg, schweben mysteriös glitzernde Artefakte, denen ein Moment der Verträumtheit, der Sentimentalität und des Traumas anhaftet: Fischernetze, ein Tütü oder ein Cello, umhüllt von einer zentimeterdicken, kristallin schillernden Salzschicht.

Es ist nicht die für die Salzburger Vergangenheit so wichtige Gewinnung des „weißen Goldes“, auf die Sigalit Landau hier anspielt. Der Referenzraum ist jene Region, deren Untiefen die israelische Künstlerin schon seit 15 Jahren beschäftigen: das Tote Meer, 400 Meter unter dem Meeresspiegel, extrem salzig, unwirtlich; geteiltes Gewässer einer konfliktzerfressenen Region, mit Ufern in Israel, Jordanien und Palästina. Dort hat Landau ihre Objekte einem monatelangen Salzbad ausgesetzt; sie so, wie sie sagt, „getauft“.

Sigalit Landau, Strand, 2017
Museum der Moderne Salzburg, Rainer Iglar
Sigalit Landau: „Salt Years“, Ausstellungsansicht

Der White Cube als Kirchenschiff

Diese Sakralität wird in der Präsentation auf dem Mönchsberg noch unterstrichen. Im abgedunkelten White Cube, mit Spots von oben, erhalten die salzverkrusteten Readymades einen Touch von Erhabenheit und vermitteln das Gefühl eines diffusen Verlustes. Einzelne Arrangements wecken konkretere historische Assoziationen, die schwer wiegen. Auf Podesten hat Landau Ansammlungen von Schuhen arrangiert: eine Anspielung auf den Holocaust?

Bewusst gewählte Effekthascherei

In diesem Mönchsberger Ausstellungsteil präsentiert sich die Video- und Installationskünstlerin, die 1997 bei der Documenta X vertreten war und 2011 den israelischen Pavillon auf der Venedig-Biennale bespielt hat, jedenfalls als Meisterin des Bildgewaltigen – mit einem gewissen Hang zum Kitsch. Dass Landau die Effekthascherei ganz bewusst wählt, zeigt die offensichtliche Verwandtschaft mit Damien Hirsts bombastischer Wunderkammer-Schau von 2017. Auch Hirst hatte dafür Objekte im Meer versenkt und diese anschließend auf gleich zwei venezianischen Palazzos ausgebreitet – unter viel kunstkritischem Spott.

Aber die Ähnlichkeit beschränkt sich auf das Prozessuale, thematisch will die 50-Jährige ganz woanders hin: Landaus Installation soll ihre tiefe Sorge über eine menschengemachte ökologische Katastrophe zum Ausdruck bringen. Der Salzgehalt des Toten Meeres stieg zuletzt massiv an, weil ein großer Teil des Wassers aus dem Jordan, dem Hauptzufluss des Toten Meeres, für Bewässerung und Wasserversorgung verbraucht wurde.

Metaphern für den verfahrenen Nahost-Konflikt

Den dekorativen Objekten gelingt es jedoch nur bedingt, das zu vermitteln: Wenn man sie überhaupt politisch lesen will, dann wohl weniger als Metapher eines zusehends versehrten Naturraums, sondern – abseits des möglichen Holocaust-Bezugs – als Mahnmale einer nicht aufzulösenden Verkrustung, mit den blutigen geopolitischen Konflikten als Bezugsrahmen, die schon seit vielen Jahrzehnten schwelen.

Sigalit Landau, Tutu, 2017
Yotam From
Sigalit Landau: Tütü, 2017

Warum Landau dafür gerade Tütüs oder Fischernetze ins Meer tauchte, bleibt offen. Am ehesten sind es ihre salzüberzogenen Stacheldraht-Artefakte, die das Oszillieren zwischen Schönheit und Trauma im Nahen Osten tatsächlich sinnlich erschließen. Wie hübsche Lampenschirme baumeln sie von der Decke und offenbaren ihr verborgenes Wesen nur dann, wenn man ganz genau hinschaut.

Ein Hula-Hoop-Reifen aus Stacheldraht

Eindeutig besser ins Schwingen kommt der Referenzraum der Künstlerin im zweiten Part der Personale. Im Rupertinum werden Videos aus den letzten 20 Jahren Schaffensperiode gezeigt, Arbeiten, die auch die salzgetünchten Objekte inhaltlich gestärkt hätten, hätte man beides gemeinsam präsentiert. Lag es nur am Platzmangel?

Gewalt, Schönheit und Versehrtheit sind hier die losen Themen der repetitiven, nur wenige Minuten langen Clips, die zumeist in einen atmosphärischen Sound gehüllt sind: Ein Hula-Hoop-Reifen aus Stacheldraht, der schwere Wunden in die Haut der nackten Künstlerin reißt, junge Männer beim Messerspiel am Strand, und, nicht zuletzt, eine Armada an Wassermelonen, die Landau gleich mehrfach durch das salzige Wasser des Toten Meeres schweben lässt: süß, sinnlich, zum Zerplatzen reif.

Das Motiv der Wassermelone bestimmt etwa auch ihr berühmtes Video „DeadSee“ (2005): Eine Spirale aus 500, teils versehrten Früchten, verbunden durch ein Seil, schwimmt auf der Oberfläche des Toten Meers; in der Mitte eingewickelt die nackte Künstlerin, die ihre Hand nach den aufgerissenen Melonen ausstreckt: rotes Fleisch, das offen liegt wie eine klaffende Wunde.

Sigalit Landau, DeadSee, 2005
Studio Sigalit Landau
Sigalit Landaus „DeadSee“ (2005): Eine Videomeditation mit 500 Wassermelonen, gedreht bei Sodom, im Toten Meer

Brücke im Toten Meer

Noch einmal ganz andere Töne schlägt schließlich die „Salzbrückenkonferenz“ (2018) an, eine raumgreifende Installation, mit der wir in das Großprojekt eintauchen, das Landau seit einigen Jahren verfolgt: eine symbolische Brücke im Toten Meer. In der Mitte des Raumes steht ein Konferenztisch, auf dem Modelle, Infomaterial, Computergrafiken, Tassen und Namensschilder ausgebreitet sind – eine Informationsinsel für Ausstellungsbesucherinnen und -besucher in Form eines zurückgelassenen Round Tables.

Im Vergleich zu Landaus formal abgeschlossenen filmischen Meditationen, ist hier die Präsentationsform offen. Mit gutem Grund: Die Vision eines völkerübergreifenden Treffpunkts, der neue Blicke auf das gemeinsame Gewässer zulassen soll, sei zwar, wie die Künstlerin auf ihrer Website betont, „realistisch“, bleibt aber wohl aus politischen und finanziellen Gründen noch auf absehbare Zeit Utopie. Ein Crowdfunding soll zumindest Letzteres jetzt ändern.