Großbritanniens Premier Boris Johnson
APA/AFP/Kirsty Wigglesworth
Mehrheit geschmolzen

Nachwahl bringt Rückschlag für Johnson

Die ohnehin knappe Mehrheit der Torys des britischen Premiers Boris Johnson im Parlament in London ist nach einer Nachwahl auf eine einzige Stimme zusammengeschmolzen. Der bisher von den Torys gehaltene Sitz für den Wahlkreis Brecon and Radnorshire im Osten von Wales fiel nach Angaben der Agentur PA von Freitagfrüh an die europafreundlichen Liberaldemokraten.

Die Liberaldemokratin Jane Dodds gewann die Nachwahl und schlug den Kandidaten der Konservativen, Chris Davies. Laut in der Nacht veröffentlichten Ergebnissen kam Dodds auf mehr als 13.800 Stimmen (etwa 43 Prozent), Davies auf rund 12.400 (etwa 39 Prozent).

„Meine erste Handlung als Abgeordnete in Westminister wird sein, Boris Johnson zu finden, egal wo er sich versteckt, und ihm laut und deutlich zu sagen: Hören Sie auf, mit der Zukunft unserer Gemeinden zu spielen, und schließen Sie einen ‚No Deal‘-Brexit aus“, sagte Dodds nach ihrem Wahlsieg.

Jane Dodds
Reuters/Rebecca Naden
Die Liberaldemokratin Jane Dodds ging als große Siegerin aus den Regionalwahl hervor

Skandal um falsche Abrechnungen

Für Johnson war die Nachwahl der erste Test nach seiner Amtseinführung in der vergangenen Woche. Allerdings war der Urnengang in Brecon and Radnorshire stark von der Kontroverse über den konservativen Kandidaten Davies geprägt: Der Abgeordnete hatte sein Mandat im Zuge eines Skandals um falsche Abrechnungen aufgeben müssen. Bei der Nachwahl trat er erneut für die Torys an. Johnson hatte die Region am Dienstag besucht, um Davies zu unterstützen.

Im Unterhaus haben die Konservativen und ihr Koalitionspartner DUP aus Nordirland jetzt nur noch 320 Sitze gegenüber 319 Abgeordneten der gesamten Opposition. Damit werde es für Johnson schwieriger, seine Pläne für den bevorstehenden Brexit durch das Parlament zu bringen, schrieb PA. Zudem steige die Wahrscheinlichkeit einer kurzfristig angesetzten Wahl, hieß es zudem.

Johnson will sein Land am 31. Oktober aus der EU führen – notfalls auch ohne Deal. Er will das zwischen seiner Vorgängerin Theresa May und Brüssel vereinbarte Abkommen nachverhandeln. Das lehnt die Europäische Union aber strikt ab.

Schottland, Wales und Nordirland schwierige Ter­rains

Auch in Großbritannien stößt Johnson mit seinen Plänen inzwischen auf erheblichen Widerstand. Bei seinen ersten Besuchen in Schottland, Wales und Nordirland musste der Premier heftige Kritik von Parteien sowie Demonstrantinnen und Demonstranten einstecken. So fürchten viele Landwirte in Wales etwa um EU-Fördergelder im Falle eines Brexits ohne Abkommen, mit dem Johnson der EU immer wieder droht.

Ein „No Deal“-Brexit würde die Wirtschaft und andere Lebensbereiche schädigen. Johnson und viele andere Befürworter eines EU-Austritts pochen darauf, den „Backstop“ in dem Deal zu streichen. Dabei handelt es sich um jene Notlösung, mit der die offenen Grenzen zwischen Irland und Nordirland garantiert werden sollen, sollte es zu keiner Einigung zwischen der EU und Großbritannien kommen. Andernfalls könnte der alte Konflikt zwischen katholischen Befürwortern einer Vereinigung Irlands und protestantischen Loyalisten wieder befeuert werden.