Washington war am Freitag formell aus dem INF-Abrüstungsvertrag über nukleare Mittelstreckensysteme ausgeschieden. Wo genau die USA die neuen Raketen stationieren wollen, ließ Esper offen. Er wolle darüber nicht spekulieren, denn über „derartige Dinge spricht man zuerst mit den Verbündeten“, sagte Esper.
Allerdings fügte er hinzu, dass China von dem Vorhaben nicht überrascht sein dürfte. „Das dürfte keine Überraschung sein, denn wir sprechen darüber seit geraumer Zeit“, sagte Esper. 80 Prozent des chinesischen Arsenals bestehe aus Waffen, die unter die Bestimmungen des INF-Vertrags gefallen wären. „Es dürfte als nicht verwundern, dass wir vergleichbare Kapazitäten wollen.“
Trump will China ins Boot holen
Die Ankündigung dürfte ein Signal Washingtons an China sein, Verhandlungen über ein Abrüstungsabkommen zu beginnen. US-Präsident Donald Trump hatte am Freitag bekräftigt, ein entsprechender Vertrag mit Russland müsse auch China mit einbeziehen.
Er habe mit der chinesischen Seite gesprochen, und sie sei „sehr begeistert“ über mögliche Verhandlungen, fügte der Republikaner hinzu. Trump hat sich immer wieder dafür ausgesprochen, bei neuen Abrüstungsgesprächen auch China ins Boot zu holen. Peking hat aber klargemacht, dass es kein Interesse daran hat. Wer sich seitens der chinesischen Regierung „sehr begeistert“ gezeigt haben soll, dazu gab es von Trump keine Erklärung.
Streit über russisches Raketensystem
Dem Auslaufen des INF-Vertrags vorangegangen war ein Streit über russische Waffensysteme. Washington und die NATO werfen Moskau konkret vor, mit ihren Waffen vom Typ 9M729 (NATO-Code: SSC-8) gegen den Vertrag verstoßen zu haben, weil sie weiter fliegen als erlaubt. Moskau bestreitet das und beteuert, vertragstreu gewesen zu sein. Das russische Waffensystem soll in der Lage sein, Marschflugkörper abzufeuern, die sich mit Atomsprengköpfen bestücken lassen und mehr als 2.000 Kilometer weit fliegen können.
Russland gibt die maximale Reichweite der SSC-8 hingegen mit 480 Kilometern an. Das wäre vertragskonform, da das INF-Abkommen lediglich den Besitz landgestützter atomarer Mittelstreckenwaffen mit Reichweiten zwischen 500 und 5.500 Kilometern untersagte.
US-System als „besonnene Antwort“
US-Verteidigungsminister Esper hatte bereits am Freitag angekündigt, dass die USA nun mit der Entwicklung eines Mittelstreckenraketensystems voranschreiten würden. Das Pentagon hatte bereits 2017 die Grundlage dafür gelegt. Washington argumentierte damals, dass Forschungspläne für das mobile landgestützte System als Botschaft an Russland gedacht seien, sich wieder an den Vertrag zu halten.
Esper hatte am Freitag erklärt, da die USA sich nun aus dem Abkommen zurückgezogen hätten, werde das Verteidigungsministerium die Entwicklung „uneingeschränkt“ vorantreiben. Er handle sich um eine „besonnene Antwort auf Russlands Handlungen“.
Angst vor neuem nuklearem Wettrüsten
Das Ende des INF-Vertrags löste weltweit Sorgen vor einem neuen Wettrüsten aus. Alle Augen richten sich nun darauf, was mit dem New-Start-Vertrag zur Begrenzung strategischer Atomwaffen passiert. Das Abkommen zwischen Russland und den USA sieht vor, die Nukleararsenale auf je 800 Trägersysteme und 1.550 einsatzbereite Atomsprengköpfe zu verringern. Es läuft 2021 aus. Moskau und Washington hatten sich bereiterklärt, über eine Verlängerung zu sprechen. Greifbares gibt es aber bisher nicht.
Der einst von US-Präsident Ronald Reagan und dem sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow unterzeichnete INF-Vertrag war ein Meilenstein der Abrüstungsbemühungen in der Schlussphase des Kalten Kriegs. Besonders für Europa stellte das Abkommen eine wichtige Sicherheitsgarantie dar.