Mann wird in Moskau verhafet
APA/AFP/Alexander Nemenov
Proteste der Opposition

Moskau setzt anhaltend auf Härte

Bei Protesten in Moskau sind am Samstag erneut Hunderte Menschen festgenommen worden. Die Protestierenden wollen erreichen, dass unabhängige Kandidatinnen und Kandidaten und Oppositionelle zur Wahl des neuen Stadtparlaments zugelassen werden. Ihre Chancen stehen schlecht.

Die liberalen Kräfte der Opposition hatten zu einem rund sieben Kilometer langen Spaziergang aufgerufen – eine Woche nachdem die Polizei gewaltsam gegen friedliche Demonstranten vorgegangen war und rund 1.400 Menschen festgenommen hatte. Die Sicherheitskräfte sperrten das Stadtzentrum mit Metallgittern weiträumig ab, über dem Puschkinplatz kreisten Hubschrauber.

Die Sicherheitskräfte waren wie schon in der Vorwoche mit einem großen Aufgebot Ort und Stelle. Sie erinnerten über Lautsprecher daran, dass sich alle an die öffentliche Ordnung halten sollten. Die Aktion sei nicht erlaubt. Die Staatsanwaltschaft warnte, die Polizei werde „alle notwendigen Maßnahmen“ gegen Demonstranten ergreifen.

Bedrohliche Atmosphäre

Der unabhängigen Beobachtergruppe OMW-Info zufolge wurden über 800 Menschen festgenommen, darunter auch Presseleute. Einige Medien übertrugen den Protest live – zu sehen war, wie viele junge Teilnehmer in Polizeibusse gezerrt wurden. Demonstranten riefen „Schande“ und „Russland wird frei sein“. Reporter berichteten von einer bedrohlichen Atmosphäre im Zentrum der Stadt.

Mann wird in Moskau verhafet
AP/Alexander Zemlianichenko
Martialische Bilder in der Innenstadt von Moskau sind mittlerweile Routine

Unter den Festgenommenen ist die Antikorruptionskämpferin Ljubow Sobol. Die Polizei nahm sie auf dem Weg zur Demonstration in Gewahrsam. Sobol gehört zum Team des inhaftierten Politikers Alexej Nawalny, der seit Ende Juli eine 30-tägige Arreststrafe absitzt. Sie sagte vor der Kundgebung: „Die Menschen wollen Veränderung.“

Die Demonstranten wollen erreichen, dass unabhängige Kandidaten und Oppositionelle zur Wahl des neuen Moskauer Stadtparlaments im September zugelassen werden. Zahlreiche Politiker wie der prominente Kreml-Kritiker Ilja Jaschin wurden von den Behörden nicht als Bewerber registriert. Viele prominente Oppositionspolitiker sitzen im Arrest.

Ermittlungen wegen „Massenunruhen“

Die Proteste sollten sich zudem gegen die grassierende Korruption in Moskau richten. Nawalnys Wahlkampfteam hatte am Donnerstag einen Bericht veröffentlicht, wonach die Stellvertreterin des Moskauer Bürgermeisters Sergej Sobjanin in städtischem Eigentum befindliche Immobilien zu Tiefstpreisen an Familienmitglieder verkauft haben soll.

Carola Schneider (ORF) über die Proteste in Moskau

ORF-Korrespondentin Carola Schneider erläutert die Hintergründe der Proteste in Moskau, die trotz Demonstrationsverbot stattfanden.

Nach den Protesten am vergangenen Wochenende leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen „Massenunruhen“ und „Gewalt gegen Polizisten“ ein. Beobachter sehen darin Ähnlichkeiten mit Verfahren nach Demonstrationen gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin im Jahr 2012. Damals waren etliche Protestteilnehmer zu Haftstrafen verurteilt worden.

Geldwäscheverfahren gegen Nawalny-Stiftung

Und auch gegen Nawalny selbst gab es den nächsten Schlag der Justiz: Es wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche gegen die Antikorruptionsstiftung des Kreml-Kritikers eingeleitet. Mitarbeiter von Nawalnys Stiftung hätten „eine große Geldsumme von Dritten bekommen“, die „illegal“ beschafft worden sei, teilten die Ermittler heute mit. Es gehe um eine Summe in Höhe von knapp einer Milliarde Rubel (13,8 Millionen Euro).

„Komplizen“ der Stiftung hätten versucht, das Geld zu waschen, indem sie es erst auf Bankkonten und schließlich auf Konten der Stiftung überwiesen hätten, teilten die Ermittler mit. Die Stiftung veröffentlichte zahlreiche Untersuchungen über das Vermögen russischer Regierungsvertreter, unter anderem über Regierungschef Dmitri Medwedew. Auf ihrer Website bittet sie Unterstützer um Spenden für ihre Arbeit.

Alexei Navalny
APA/AFP/navalny.com
Nawalny nach seinem angeblichen Kontakt mit Giftsubstanzen

Möglicher Gifteinsatz

Nawalny, der in der Vergangenheit immer wieder nationalistische und ausländerfeindliche Töne anschlug, ist einer der prominentesten Kritiker von Präsident Putin. Er hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Demonstrationen organisiert, was ihm immer wieder kurze Haftstrafen einbrachte.

Vor einer Woche wurde publik, dass Nawalny im Gefängnis womöglich mit Gift in Berührung gekommen ist. „Wir können nicht ausschließen, dass seine Haut von einem Gift berührt und von einer unbekannten chemischen Substanz durch einen Dritten verletzt wurde“, schrieb seine Hausärztin auf Facebook. Er leide unter geschwollenen Augenlidern und habe Abszesse an Nacken, Rücken, Rumpf und Ellbogen.