Polizisten vor dem Einkaufszentrum in El Paso
Reuters/Jose Luis Gonzalez
Schussattacken in den USA

Zwei Massaker binnen 24 Stunden

Bei einem Schusswaffenangriff sind im US-Bundesstat Ohio in der Nacht neun Menschen gestorben. Auch der Schütze sei tot, teilte die Polizei am Sonntag mit. Zuvor waren bei einer Attacke in einem Einkaufszentrum in der texanischen Stadt El Paso 20 Menschen getötet worden. Die Behörden gehen hier von einem rassistischen Motiv aus.

Medienberichten zufolge fielen die Schüsse in Ohio nahe einer Bar im Zentrum der Stadt Dayton. Über den Zustand der Verletzten könne man derzeit nichts sagen, sagte die Sprecherin eines Krankenhauses. Nach jüngsten Angaben der Behörden wurden 27 Menschen verletzt. Die Polizei rief mögliche Augenzeugen auf, sich zu melden und so die Ermittlungen zu unterstützen. Beamte waren in der Nähe des Tatorts auf Streife, als der Angriff nachts um 1.30 Uhr (Ortszeit) begann. Darum habe man schnell eingreifen können.

Der Lokalsender WHIO zitierte Augenzeugen, wonach ein Mann das Feuer eröffnete, weil ihm der Zugang zu einer Bar verwehrt worden sei. Es handle sich um einen 24 Jahre alten Weißen, teilte der stellvertretende Polizeichef Matt Carper am Sonntag mit. Unter den neun Todesopfern sei auch die 22-jährige Schwester des Täters, Megan Betts. Der Schütze war von der Polizei erschossen worden. Es gebe keine Hinweise auf einen weiteren Täter. Die Tat ereignete sich im Stadtteil Oregon City, der für seine Nachtclubs, Bars und Kunstgalerien bekannt ist – und laut Polizei ein eigentlich sicherer Bereich in der Stadt.

Polizeieinsatz nach einem Schußattentat in Dayton (Ohio)
AP/John Minchillo
Die Tat ereignete sich im beliebten und als sicher geltenden Ausgehviertel Oregon City

Tat in Texas als Terrorismus eingestuft

Es handelte sich um den zweiten Vorfall dieser Art in den USA binnen 24 Stunden. Am Samstag hatte ein Schütze in einem Einkaufszentrum in der Grenzstadt El Paso im Bundesstaat Texas das Feuer eröffnet und mindestens 20 Menschen getötet. 26 weitere wurden verletzt. Der mutmaßliche Todesschütze ergab sich der Polizei.

Schussattacken in Ohio und Texas

In Ohio und Texas sind bei zwei Schussangriffen am Wochenende binnen weniger Stunden 30 Menschen ums Leben gekommen.

Nach offiziellen Angaben handelt es sich um einen 21-jährigen Weißen. Polizeichef Greg Allen sagte, es gebe ein „Manifest“, das womöglich auf ein Hassverbrechen schließen lasse. Es sei allerdings noch nicht bestätigt, ob die Kampfschrift tatsächlich von dem Verdächtigen stamme. Allen sagte weiter, dass der mutmaßliche Täter seine Waffe legal erworben haben dürfte. Die Ermittler stuften den Fall als „inländischen Terrorismus“ ein, wie John Bash von der Staatsanwaltschaft am Sonntag auf einer Pressekonferenz mitteilte.

In dem Pamphlet, das dem mutmaßlichen Täter zugeschrieben wurde, heißt es unter anderem: „Dieser Angriff ist eine Antwort auf die hispanische Invasion in Texas.“ Der Autor äußert in dem vierseitigen Text seine Unterstützung für den rassistischen Attentäter von Christchurch, der Mitte März in Neuseeland zwei Moscheen angegriffen und 51 Menschen getötet hatte. Die „New York Times“ berichtete, der Text sei 19 Minuten vor dem ersten Notruf in El Paso online gegangen.

Der Schütze des Massakers von El Paso (Texas)
APA/AFP/KTSM 9 news Channel
Überwachungskameras hielten den Schützen beim Betreten des Einkaufszentrums fest

Mexikaner unter den Toten

Der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, kündigte bereits zuvor bei einer Pressekonferenz an, die Strafverfolgung werde sich nicht nur auf den Vorwurf des Mordes, sondern auch auf den eines Hassverbrechens konzentrieren. Der mexikanische Präsident Andres Manuel Lopez Obrador teilte in einer Videobotschaft mit, unter den Toten seien drei Mexikaner. Nach Angaben des mexikanischen Außenministeriums wurden sechs weitere Mexikaner verletzt, darunter ein zehnjähriges Mädchen. Ein Polizeisprecher sagte nach Angaben des Senders CNN, der mutmaßliche Todesschütze rede mit den Ermittlern.

Polizeichef Allen sagte, der erste Notruf sei um 10.39 Uhr Ortszeit (18.39 Uhr MESZ) eingegangen. Sechs Minuten später sei die Polizei an Ort und Stelle gewesen. Der Szenerie am Tatort sei „schrecklich“ gewesen. Ein Polizeisprecher sagte, die meisten Opfer seien in einem Walmart in dem Geschäftskomplex von Schüssen getroffen worden. Der Supermarkt sei zum Zeitpunkt des Angriffs voll gewesen. Der Sprecher schätzte, dass sich dort zwischen 1.000 und 3.000 Menschen aufhielten. Der Schütze habe bei der Tat ein Gewehr benutzt.

El Pasos Bürgermeister Dee Margo sagte, der Verdächtige stamme nicht von dort. Nach US-Medienberichten kam er aus der Stadt Allen nördlich von Dallas, rund 930 Kilometer Luftlinie von El Paso entfernt. El Paso liegt unmittelbar an der Grenze zu Mexiko und hat rund 680.000 Einwohner und Einwohnerinnen. Nach Angaben des Bürgermeisters bestätigten sich Meldungen über einen zweiten Schützen nicht.

Hannelore Veit (ORF) über die Waffengesetze in den USA

ORF-Korrespondentin Hannelore Veit berichtet aus Washington, weshalb trotz wiederholter Amokläufe die Waffengesetze in den USA nicht verschärft werden.

Der Sender CNN berichtete, Familien hätten in dem Walmart in dem Einkaufszentrum für den bevorstehenden Beginn des neuen Schuljahrs eingekauft. Auch rund 100 Walmart-Mitarbeiter seien in dem Supermarkt gewesen. Der älteste Verletzte sei 82 Jahre alt. Der Konzern zeigte sich schockiert über die Geschehnisse. Man bete für die Opfer, hieß es in einer Twitter-Nachricht von Walmart.

Aufruf zur Blutspende

Die Polizei rief die Menschen in El Paso dazu auf, Blut zu spenden. Gouverneur Abbott sagte bei einer Pressekonferenz am Samstagabend in El Paso, es hätten sich Schlangen von Menschen gebildet, die Blut spenden wollten. „Jetzt ist es an der Zeit für Texaner, zusammenzukommen und sich gegenseitig zu unterstützen.“ Abbott sprach von einer „abscheulichen“ Gewalttat.

Tabitha Estrada, Mitarbeiterin eines Geschäfts in dem Einkaufszentrum, sagte CNN, sie habe sich mit Kunden im hinteren Teil des Geschäfts versteckt gehabt. Viele ihrer Kunden seien aus Mexiko gewesen. „Es ist surreal, dass das in unserer Stadt passiert, weil ich El Paso nie als einen hasserfüllten Ort kennengelernt habe.“ Sie fügte hinzu, erst vor rund einem Monat habe die Polizei in dem Einkaufszentrum eine Übung für einen möglichen Amokschützen abgehalten.

Trump verurteilt „Akt der Feigheit“

US-Präsident Donald Trump nannte die „hasserfüllte Tat“ tragisch und einen „Akt der Feigheit“. Es gebe keine Rechtfertigung dafür, unschuldige Menschen zu töten, schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Trump sagte dem Gouverneur von Texas die volle Unterstützung der Regierung in Washington zu. „Gott sei mit Euch allen!“, fügte er hinzu. Trump ordnete an, am Weißen Haus und an anderen Regierungsgebäuden US-Flaggen auf halbmast zu setzen. Dies soll bis Sonnenuntergang am Donnerstag so bleiben.

Trump wurde nach Angaben des Weißen Hauses laufend über die Lage unterrichtet. Der Präsident habe mit Justizminister William Barr und Gouverneur Abbott gesprochen, erklärte Vizesprecher Steven Groves. Kritiker werfen Trump vor, mit seinen Äußerungen Rassismus zu befeuern. Zuletzt sah er sich wegen persönlicher Angriffe auf einen schwarzen Abgeordneten der Demokraten Rassismusvorwürfen ausgesetzt. Regelmäßig greift der republikanische Präsident auch Menschen aus Lateinamerika an, die auf illegalem Wege in die USA kommen wollen.

Nachtwache für die mexikanischen Opfer des Massakers in einem Einkaufszentrum
AP/Christian Chavez
Rufe nach schärferen Waffengesetzen verhallen in den USA seit Jahren

Mexiko fordert Ende von ausländerfeindlicher Rhetorik

Auch die mexikanische Regierung hat nach dem Massaker von El Paso eine wenig verhüllte Schuldzuweisung an US-Präsident Donald Trump gerichtet. „Die moderne Welt kann solche Akte von ausländerfeindlicher Barbarei, die nicht in einem Vakuum passieren, nicht erlauben. STOPPT komplett jene Rhetorik, durch die sie angestachelt wird“, schrieb Vize-Außenminister Jesus Seade am Sonntag auf Twitter.

Vor Seade hatten bereits führende Vertreter der US-Demokraten dem Präsidenten eine Mitverantwortung für die Tat gegeben. „Donald Trump ist verantwortlich dafür. Er ist verantwortlich, weil er Ängste, Hass und Engstirnigkeit schürt“, sagte etwa der Senator und Präsidentschaftskandidat Cory Booker am Sonntag im CNN.

Der mexikanische Außenminister Marcelo Ebrard kündigte indes rechtliche Schritte zum Schutz der in den USA lebenden Mexikaner an. „Wir verurteilen diese barbarische Tat, bei der unschuldige Mexikaner getötet wurden“, sagte Ebrard in einer Videobotschaft.

Macht der NRA bremst Gesetzesänderung

In den USA kommt es immer wieder vor, dass in Einkaufszentren, an anderen öffentlichen Orten oder auch in Schulen Menschen durch Schüsse getötet werden. Bemühungen für schärfere Waffengesetze laufen seit Jahren ins Leere – vor allem, weil Trumps Republikaner dagegen sind. Die mächtige Waffenlobbyorganisation NRA bekämpft vehement jeden Versuch, Waffenbesitz stärker zu regulieren. Auch Trump ist dezidiert gegen eine Einschränkung des in der US-Verfassung verankerten Rechts auf Waffenbesitz.

Erst am Dienstag waren zwei Menschen im Bundesstaat Mississippi in einem Walmart durch Schüsse getötet worden. Am Sonntag vergangener Woche hatte ein 19-Jähriger während eines Festivals in der Kleinstadt Gilroy in Nordkalifornien das Feuer eröffnet und drei Menschen getötet. Der Schütze wurde von Polizisten am Tatort erschossen. Im texanischen Sutherland Springs waren im November 2017 26 Menschen getötet worden, als ein Schütze in einer Kirche das Feuer eröffnete. Der 26 Jahre alte Täter erschoss sich anschließend selber.