Polizisten im Einsatz bei einer Demonsration in Hongkong
APA/AFP/Anthony Wallace
Proteste

Streik und Gewalt stürzen Hongkong ins Chaos

Gummigeschoße, Tränengas, Knüppelschläge: Erneut ist die Protestwelle in Hongkong am Montag eskaliert. Zudem legte ein Generalstreik die Stadt lahm, mehr als hundert Flüge wurden gestrichen. Im Verkehrschaos rammten zwei Autos Menschengruppen. Die pekingtreue Regierungschefin Carrie Lam warnte nun erstmals die Demonstrantinnen und Demonstranten. Die Protestbewegung fordere China heraus.

Der Montag war der dritte Tag in Folge, an dem die Demos in gewalttätigen Auseinandersetzungen endeten. Kundgebungen begannen in sieben Bezirken, zudem brachte ein Massenstreik die Stadt in eine Ausnahmesituation. Mindestens 24.000 Menschen legten die Arbeit nieder. In Hongkongs morgendlicher Hauptverkehrszeit kam es zu erheblichen Verzögerungen, weil Demonstranten Teile des U-Bahn-Netzes und Straßen blockierten.

Auf dem Flughafen der Stadt mussten 130 Flüge gestrichen werden, da sich zahlreiche Mitarbeiter für den Streik krankgemeldet hatten. Die U-Bahn-Gesellschaft teilte mit, dass der Betrieb auf vier Linien wegen einer Reihe absichtlicher Türverstopfungen teilweise eingestellt worden sei.

Schlägertrupps gegen Demonstranten

Wie bei vorherigen Protesten besetzten Demonstranten auch am Montag Straßen und Gebäude und belagerten Polizeiwachen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Die aufgebrachten Fahrer eines Autos und eines Taxis durchbrachen an zwei unterschiedlichen Orten Straßensperren, die Demonstranten errichtet hatten. Ein Demonstrant wurde dabei verletzt. Die Polizei nahm 82 Menschen fest – so viele wie an keinem anderen Tag seit Ausbruch der Proteste am 9. Juni.

Menschen demonstrieren in Hongkong
Reuters/Kim Kyung Hoon
Protest in einem Hongkonger Einkaufszentrum: Es gibt keine Anzeichen für ein Abflauen der Demos

Zudem gingen erneut Schlägertrupps auf Demonstranten los. Wie die Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“ berichtete, griffen die teils mit weißen T-Shirts bekleideten Männer im Stadtteil North Point Demonstranten auf der Straße mit Holzschlägern an. Daraufhin warfen die Demonstranten Metallbarrikaden und eigene Stangen auf die Angreifer. Bereits vor zwei Wochen waren Regierungskritiker am Rande von Protesten von Schlägern in weißen T-Shirts mit Eisenstangen und Stöcken angegriffen worden. Es wurde vermutet, dass pekingtreue Banden hinter den Angriffen steckten.

Bewegung will demokratische Reformen

Die Proteste hatten sich im Juni an einem Auslieferungsgesetz entbrannt. Das Gesetz hätte es erlaubt, Beschuldigte an China auszuliefern. Kritiker warnen, Chinas Justiz sei nicht unabhängig und diene der politischen Verfolgung. Auch drohten Folter und Misshandlungen.

Schwere Proteste in Hongkong

Die Ausschreitungen in Hongkong sind am Montag eskaliert (Videoquelle: APTN)

Lam erklärte das Gesetz zwar inzwischen für „tot“, nahm den Entwurf aber formell nicht zurück. Die Demonstrationen entwickelten sich seither zu einer breiteren Bewegung gegen Regierung, Peking und das harte Vorgehen der Polizei. Viele Menschen befürchten zunehmenden Einfluss Pekings und fordern demokratische Reformen.

Warnung vor Chinas Reaktion

Regierungschefin Lam sagte am Montag, Hongkong sei „am Rande einer sehr gefährlichen Lage“, so Lam auf der ersten Pressekonferenz seit Wochen. Sie warnte, die Proteste seien eine Herausforderung für die Souveränität Chinas. Die Demonstranten wollten eine Revolution, womit die Vereinbarung „ein Land, zwei Systeme“ infrage gestellt werde.

Polizisten feuert Tränengas im Einsatz bei einer Demonsration in Hongkong ab
APA/AFP/Anthony Wallace
Erneut ging die Polizei mit Tränengas gegen die Proteste vor

Das seit der Rückgabe Hongkongs an China vor 22 Jahren geltende Prinzip besagt, dass die frühere britische Kronkolonie als chinesische Sonderverwaltungszone autonom regiert wird. Lam wird aber von Peking gestützt. Sie zeigte sich am Montag auch entschlossen, im Amt zu bleiben, trotz lauter Rücktrittsaufforderungen.

China drohte auch bereits indirekt mit Konsequenzen. Vergangene Woche wurde ein dreiminütiges Propagandavideo veröffentlicht, in dem sich die Volksbefreiungsarmee mit einer „Anti-Aufruhr“-Übung an Hongkongs Demonstranten wendet. Man habe alle „Einsatzmöglichkeiten“, um die Sicherheit in der Sonderverwaltungszone und Chinas „nationale Souveränität“ aufrechtzuerhalten. Die Demonstranten seien für alle Konsequenzen selbst verantwortlich. Den Drohungen zum Trotz gibt es keine Anzeichen, dass sich die Proteste abschwächen. Experten sprechen von der schwersten politischen Krise in Hongkong seit der Rückgabe an China 1997.