Autorin Toni Morisson
Reuters/Lucas Jackson
1931–2019

Toni Morrison ist tot

Die Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison ist tot. Sie starb laut Angaben ihres Verlegers und ihrer Familie in der Nacht auf Montag. Morrison galt als eine der wichtigsten Schriftstellerinnen der Welt und als das „Gewissen Amerikas“. Ihre Werke haben sich weltweit millionenfach verkauft. 1993 gewann sie den Literaturnobelpreis – als erste Afroamerikanerin überhaupt. Morrison wurde 88 Jahre alt.

Die Nobelstiftung würdigte die Verstorbene. „Sie war eine der stärksten und einflussreichsten literarischen Kräfte unserer Zeit“, erklärte die Stiftung am Dienstag auf Twitter. Bis ins hohe Alter verfolgte Morrison die Mission, für die Rechte afroamerikanischer Bürgerinnen und Bürger einzutreten.

„Die Menschen sagen ständig: ‚Wir müssen eine Diskussion über Rassismus führen.‘ Aber das machen wir doch“, sagte die US-Schriftstellerin einst dem britischen „Telegraph“. „Ich will sehen, wie ein schwarzer Polizist einen unbewaffneten weißen Teenager in den Rücken schießt. Und ich will sehen, wie ein weißer Mann verurteilt wird, der eine schwarze Frau vergewaltigt hat. Und wenn man mich dann fragt: ‚Ist es vorbei?‘, dann sage ich: ‚Ja‘.“

„Beim Schreiben bin ich frei von Schmerzen“

Zugleich beurteilte Morrison die Entwicklungen in ihrem Heimatland nicht rundheraus negativ. Optimistisch mache sie, dass die Menschen im Ghetto, oder solche, die marginalisiert werden in den USA, dennoch eine eigenen Kultur in ihrer Sprache oder Musik entwickeln würden und so eine „Black Culture“ geschaffen hätten, die jetzt auf der ganzen Welt existiere, wie sie bei einem Wien-Besuch 2006 meinte.

Toni Morrison
AP/Kathy Willens
Als erste Afroamerikanerin erhielt Morrison 1993 den Literaturnobelpreis

Ihr letzter Roman „Gott, hilf dem Kind“ (2014) wurde besonders groß gefeiert. Trotz gesundheitlicher Probleme arbeitete die Schriftstellerin weiter – selbst als sie schon im Rollstuhl saß. „Beim Schreiben bin ich frei von Schmerzen“, sagte die große selbstbewusste Frau mit den dichten grauen Haaren zuletzt dem Radiosender NPR. „Das ist der Ort, an dem ich lebe, an dem ich die Kontrolle habe, wo niemand mir sagt, was ich machen soll, wo meine Kreativität fruchtbar ist und ich am allerbesten bin.“ 2018 veröffentlichte Morrison ihre Essays „Die Herkunft der anderen: Über Rasse, Rassismus und Literatur“.

Schreiben wie eine Gourmetköchin

Alles begann 1970 mit „Sehr blaue Augen“, dem Buch, das sie immer habe lesen wollen, das es aber noch nicht gab, wie Morrison gerne erzählte. Also stand die geschiedene alleinerziehende Mutter zweier kleiner Söhne jeden Tag um 4.00 Uhr in der Früh auf und schrieb es. Danach ging sie zu ihrem Job als Lektorin in einem großen Verlagshaus. „Sehr blaue Augen“ wurde ein von Kritikerinnen und Kritikern gefeierter Erfolg. Der Roman handelt davon, wie es ist, als schwarzes Mädchen aufzuwachsen.

Es folgten weitere Erfolgsromane wie „Sula“, „Salomons Lied“, „Teerbaby“, der Sklavenroman „Menschenkind“, „Jazz“ und das 500-Seiten-Werk „Paradies“, das viele als Morrisons bestes ansehen. Ihre Schreibweise verglich sie selbst gerne mit der Kunst eines Gourmetkochs. „Ich schreibe so, dass der Leser meine Worte lustvoll genießen kann, kostet, dann pausiert und schließlich weiter schwelgt“, sagte Morrison einmal.

Sohn starb an Krebs

Nebenbei lehrte die 1931 in der Kleinstadt Lorain im US-Bundesstaat Ohio als Chloe Wofford geborene Autorin jahrelang an der Eliteuniversität Princeton kreatives Schreiben. Im hohen Alter zog sie sich aber ein wenig zurück, vor allem wegen ihrer nachlassenden Gesundheit. 2010 starb einer ihrer beiden Söhne an Krebs, mit dem Schicksalsschlag kämpfte Morrison bis zu ihrem eigenen Tod. „So etwas kann man nicht hinter sich bringen. Nicht mit einem Kind. Ein Kind soll einen begraben. Ich denke die ganze Zeit an ihn“, so Morrison damals gegenüber Medien.

Eigentlich hatte sie ihrem Verlag noch eine Autobiografie versprochen, doch dann entschied sich die enge Freundin von US-Präsident Barack Obama dagegen. Zu langweilig, zu wenig herausfordernd – und schließlich, so sagte sie jüngst in einem Interview, dürfe sie jetzt in ihren 80ern endlich drei Dinge sagen: „Nein“, „Halt die Klappe“ und „Hau ab“.