Matteo Salvini
Reuters/Remo Casilli
Neuwahl im Oktober?

Italiens Regierung bleibt im Krisenmodus

Nach einer turbulenten Sitzung im Senat in Rom wird in italienischen Medien wieder verstärkt über ein bevorstehendes Ende der krisengeplagten Regierungskoalition und eine baldige Neuwahl spekuliert – am Donnerstag brachte die rechtspopulistische Lega offensiv eine Neuwahl ins Spiel. Es sei die einzige Alternative zur aktuellen Regierung mit der Fünf-Sterne-Bewegung.

„Italien braucht Sicherheiten und mutige und gemeinsame Entscheidungen“, hieß es aus der Partei. Es sei unnütz, mit Aufschüben und täglichen Streitereien weiterzumachen. „Jeder Tag, der vergeht, ist ein verlorener Tag, für uns ist die einzige Alternative zu dieser Regierung, den Italienern mit einer Neuwahl das Wort zu erteilen.“

Die Lega schloss aus, sich mit einer Regierungsumbildung zufriedenzugeben. Die Fünf-Sterne-Bewegung bezeichnete die Mitteilung der Lega als „unverständlich“. „Sie sollen klar sagen, was sie tun wollen“, teilten sie laut ANSA mit. In den vergangenen Monaten sei in der Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung „etwas kaputtgegangen“, sagte Vizepremier und Innenminister Matteo Salvini am Mittwochabend bei einem Auftritt in Sabaudia.

Streit über Hochgeschwindigkeitstrasse

Zuvor offenbarte eine Senatsdebatte über die geplante Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen dem französischen Lyon und Turin (TAV) die aktuelle Stimmungslage in der Regierung. Hintergrund war ein von der Fünf-Sterne-Bewegung eingebrachter Antrag auf einen Stopp des Großprojekts. Die Lega befürwortet dagegen das von der EU geförderte Milliardenprojekt, für das sich zuletzt auch der parteilose Regierungschef Giuseppe Conte ausgesprochen hatte.

Luigi Di Maio, Giuseppe Conte und Matteo Salvini
APA/AFP/Alberto Pizzoli
Seit Monaten um Beschwichtigung bemüht: Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio, Premier Giuseppe Conte und Salvini bei einem gemeinsamen Pressetermin im Jänner

Spekulationen reißen nicht ab

Salvini hatte noch am Montag gemeint, wer Nein zur TAV sage, bringe die Regierung in Gefahr, und hatte eine Neuwahl ins Spiel gebracht. Nachdem Spekulationen über einen möglichen Bruch der Koalition seit Monaten nicht abreißen, wird nun in italienischen Medien wieder verstärkt über eine vorgezogene Wahl noch heuer spekuliert. Es gebe Stimmen für eine Wahl im Oktober, hieß es dazu etwa bei der Nachrichtenagentur ANSA.

Als weitere Option stand zuletzt laut Beobachtern noch eine umfassende Regierungsumbildung im Raum. Neben Infrastrukturminister Danilo Tonninelli, Verteidigungsministerin Elisabetta Trenta (beide Fünf Sterne) wurde etwa vom „Corriere della Sera“ und der „Repubblica“ auch der parteilose Finanzminister Giovanni Tria als möglicher Austauschkandidat genannt.

Conte bei Mattarella

Unterdessen zeigen sich Salvini und Di Maio weiterhin um Beschwichtigung bemüht. Salvini zufolge sei die Koalition „noch nicht tot“, auch der Fünf-Sterne-Chef will laut Medienberichten zunächst abwarten, wie sich die am Donnerstag von Italiens Medien unisono als „Chaos“ beschriebene Situation weiterentwickelt. Gleichzeitig sieht sich Di Maio offenbar mit zunehmendem Widerstand aus den eigenen Reihen konfrontiert. Es sei der Zeitpunkt gekommen, um mit der Lega zu brechen, wurde ein Fünf-Sterne-Vertreter von „La Stampa“ zitiert.

Unterdessen schaltete sich am Donnerstag auch Staatspräsident Sergio Mattarella ein und lud Conte zu einem Krisengespräch in den Quirinalspalast. Die Lega wies unterdessen Gerüchte zurück, Parteichef Salvini habe Contes Rücktritt gefordert. Der Innenminister habe auch nicht erwogen, die Minister seiner Partei aus der Regierung zurückzuziehen, teilte die Lega laut Nachrichtenagentur ANSA am Donnerstag mit.

„Wahlkampf“ in Badehose

Beobachter sind sich indes einig, dass eine Neuwahl, die aus einer Regierungskrise resultieren könnte, lediglich für die Lega von Vorteil wäre. Sie hat die Fünf-Sterne-Bewegung mittlerweile in Umfragen in den Schatten gestellt. Doch auf ein Ende der Koalition würde nicht automatisch eine Neuwahl folgen: Staatspräsident Sergio Mattarella würde im Fall einer Regierungskrise wohl erst sondieren, ob es im Parlament eine andere Mehrheit gibt. Die Fünf-Sterne-Bewegung wäre in so einem Fall sicher dabei, da sie die meisten Abgeordneten stellt.

Differenzen gibt es innerhalb der Koalition indes nicht nur über die geplante, insgesamt 270 Kilometer lange TAV-Bahntrasse mit einem rund 60 Kilometer langen Tunnel durch die Alpen: In den vergangenen Monaten stritten die Regierungspartner auch über die Wahl Ursula von der Leyens zur EU-Kommissionspräsidentin. Uneinigkeit herrschte auch in Migrations- und Finanzfragen und wegen Korruptionsvorwürfen gegen einen Lega-Politiker.

Matteo Salvini
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Salvini tourte zuletzt öffentlichkeitswirksam durch mehrere Strandbäder

Regierungschef Conte ging Anfang Juni so weit, den Streithähnen ein Ultimatum zu setzen. Salvini befeuert die Spannungen weiterhin in unzähligen Auftritten, die einem Wahlkampf gleichkommen – zuletzt auch in Badehose auf mehreren italienischen Stränden.