Auto eines ärztlichen Leichenbeschauers vor Manhattan Correctional Center in New York
AP/Bebeto Matthews
US-Justizminister Barr

„Epsteins Tod wirft ernste Fragen auf“

US-Justizminister William Barr hat eine Untersuchung der Todesumstände des wegen Missbrauchs minderjähriger Mädchen angeklagten Multimillionärs Jeffrey Epstein angeordnet. In einer Mitteilung Barrs hieß es am Samstag, er sei entsetzt darüber, dass Epstein nach einem „offenkundigen Suizid“ in seiner Zelle in einem Bundesgefängnis in New York leblos aufgefunden wurde.

Dem Justizminister zufolge werfe Epsteins Tod „ernste Fragen auf, die beantwortet werden müssen“. Aus diesem Grund habe er zusätzlich zu den Ermittlungen der Bundespolizei (FBI) eine interne Untersuchung des Ministeriums in die Wege geleitet.

Die „New York Times“ („NYT“) berichtete unter Berufung auf einen Gefängnisvertreter, Epstein sei in der Haftanstalt zwar in einer besonderen Einheit mit strengeren Sicherheitsvorkehrungen untergebracht gewesen. Er habe aber nicht unter besonderer Beobachtung wegen möglicher Suizidgefahr gestanden. Epstein war der Zeitung zufolge bereits im vergangenen Monat mit Markierungen am Hals bewusstlos in seiner Zelle aufgefunden worden. Die „NYT“ berichtete, Gefängnisbehörden hätten schon damals wegen des Verdachts eines möglichen Selbstmordversuches ermittelt.

Um 6.30 Uhr leblos in Zelle aufgefunden

Der 66-Jährige wurde am Samstag gegen 6.30 Uhr Ortszeit (12.30 Uhr MESZ) von Mitarbeitern leblos in seiner Zelle aufgefunden und in ein Krankenhaus gebracht, wie das Metropolitan Correctional Center im New Yorker Stadtteil Manhattan mitteilte. Dort sei er schließlich für tot erklärt worden.

Anmerkung der Redaktion

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Das Bundesgefängnis untersteht dem US-Justizministerium und gilt als eines der sichersten der USA. Der berüchtigte mexikanische Drogenbaron Joaquin „El Chapo“ Guzman hatte dort zwei Jahre verbracht, bevor er im vergangenen Monat in ein Hochsicherheitsgefängnis in Colorado verlegt wurde.

Prozess hätte frühestens im Juni 2020 begonnen

Epstein wurde Mitte Juli verhaftet. Nach der Festnahme entschied ein Richter in Manhattan, dass Epstein bis zum Beginn seines Prozesses im Gefängnis bleiben muss, weil er eine „Gefahr für andere und die Gemeinschaft“ sei. Die Staatsanwaltschaft hatte vorher ins Feld geführt, die Fluchtgefahr sei sehr hoch. Epsteins Verteidigung hatte dagegen gefordert, den Unternehmer für eine hohe Kaution im zweistelligen Millionenbereich in seinem Anwesen nahe dem Central Park in Manhattan unter Hausarrest zu stellen.

Der Prozess gegen Epstein hätte frühestens im Juni 2020 begonnen – das war vom zuständigen Richter zuletzt festgelegt worden. Im Falle einer Verurteilung hätten ihm bis zu 45 Jahre Haft gedroht.

Jeffrey Epstein 2008 vor einem Gericht in West Palm Beach (US-Bundesstaat Florida)
AP/Palm Beach Post/Uma Sanghvi
Ende Juli verweigerte ein Gericht Epsteins Freilassung auf Kaution

Schwere Vorwürfe

Der Skandal um den in der amerikanischen Elite bestens vernetzten Unternehmer bot reichlich Zündstoff: Die Staatsanwaltschaft in New York warf dem 66-Jährigen vor, Dutzende minderjährige Mädchen missbraucht zu haben. Der Geschäftsmann habe zwischen 2002 und 2005 in New York und Florida einen illegalen Sexhandelsring aufgebaut, hieß es in der Anklageschrift.

Einige der Mädchen seien erst 14 Jahre alt gewesen und mit großen Summen Bargeld angelockt und dazu verleitet worden, weitere Mädchen heranzuschaffen. Die Ermittler berichteten, sie hätten bei Durchsuchungen in Epsteins Anwesen in Manhattan Hunderte Nacktbilder gefunden. Epstein hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und auf nicht schuldig plädiert.

New Yorker Bürgermeister verspricht Opfern Gerechtigkeit

Nach dem Selbstmord des Unternehmers Epstein im Gefängnis will New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio die Aufklärung des Missbrauchsskandals weiter vorantreiben. „Jeffrey Epstein mag seinem Tag vor Gericht entkommen sein, aber wenn die wohlhabenden Raubtiere, die an seinem Sexring beteiligt waren, glauben, dass sie gerade davongekommen sind, liegen sie falsch“, schrieb de Blasio am Samstag auf Twitter. Er versprach den Opfern Gerechtigkeit.

Prominente Bekannte

Der 1953 in New York geborene Epstein hat sein Vermögen vor allem als Investmentbanker gemacht. So soll er das Geld von einer Reihe von Milliardären verwaltet haben. Ein Teil seiner Geschäftsaktivitäten bleibt jedoch im Dunkeln. Zu den Reichen und Mächtigen pflegte er enge Kontakte – etwa zu Ex-Präsident Bill Clinton, dem amtierenden US-Präsidenten Donald Trump, Prinz Andrew aus Großbritannien und Woody Allen.

Von Letzterem seien Fotos in Epsteins Haus gefunden worden. Gegen Allen gibt es seit Jahren Missbrauchsvorwürfe. Clinton etwa musste sich bereits mehrfach für seine Verbindungen zu Epstein erklären. Er ließ zuletzt mitteilen, er habe nichts von den Sexualstraftaten Epsteins gewusst und auch keinen Kontakt mehr. Ein Sprecher gab aber an, dass Clinton Epsteins Privatjet mehrfach in Zusammenhang mit der Arbeit für seine Stiftung verwendet hatte.

Auch US-Präsident Trump distanzierte sich zuletzt von Epstein. Er habe vor langer Zeit ein Zerwürfnis mit ihm gehabt und sei kein Fan von ihm gewesen. In einem Interview mit dem „New York Magazine“ beschrieb Trump Epstein dagegen im Jahr 2002 als „großartigen Mann“.

Causa Epstein kostete US-Arbeitsminister das Amt

Im Zuge des Missbrauchsskandals war vergangenen Monat US-Arbeitsminister Alex Acosta zurückgetreten. Er hatte als Staatsanwalt vor mehr als zehn Jahren eine außergerichtliche Einigung mit Epstein mit ausgehandelt, die diesem im Gegenzug für ein Geständnis ein Verfahren an einem Bundesgericht ersparte. Der Investmentbanker erhielt lediglich eine 18-monatige Haftstrafe und kam nach Ablauf von 13 Monaten frei. Ein Verfahren vor einem Bundesgericht blieb ihm erspart.