Jeffrey Epsteins Gesicht auf einem Plakat
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Nach Suizid im Gefängnis

Epstein-Netzwerk gerät nun ins Visier

Der Fall Epstein soll vollständig aufgeklärt werden. Während das US-Justizministerium im Suizid des bestens vernetzten US-Unternehmers Jeffrey Epstein in dessen Gefängniszelle viele offenen Fragen sieht, sind auch die Anwälte der mutmaßlichen Opfer Epsteins für Aufklärung. Der Multimillionär war wegen sexuellen Missbrauchs minderjähriger Mädchen angeklagt. Die Opferanwälte machen nun Druck für Untersuchungen gegen das weitere Umfeld Epsteins.

Es gebe ein ganzes Netzwerk, das Epstein gedeckt habe. Jetzt sei es an der Zeit, jeden, der Teil an seinen Verbrechen gehabt habe, zur Verantwortung zu ziehen, so die Anwältin Kimberly Lerner, die eine der Klägerinnen vertritt, in der „Washington Post“. Epsteins Tod werde der Suche nach Gerechtigkeit nicht im Weg stehen, hieß es von Anwälten, die weitere Klägerinnen vertreten.

US-Medien spekulieren bereits, dass ein Prozess mit Epstein vor Gericht weitere Prominente schwer belastet hätte. Der Unternehmer zeigte sich gerne öffentlich mit Stars und galt als gut vernetzt. Er hatte unter anderem – zumindest zeitweise – Kontakte zu Ex-Präsident Bill Clinton, Prinz Andrew aus Großbritannien und US-Präsident Donald Trump. Auch Woody Allen gehörte offenbar zu Epsteins Bekanntenkreis. Von Allen seien Fotos in Epsteins Haus gefunden worden, hieß es. Gegen Allen gibt es seit Jahren Missbrauchsvorwürfe.

The Metropolitan Correctional Facility
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Das Gefängnis in New York, in dem Epstein inhaftiert war

Trump 2002: „Großartiger Mann“

Clinton etwa musste sich bereits mehrfach für seine Verbindungen zu Epstein erklären. Er ließ zuletzt mitteilen, er habe nichts von den Sexualstraftaten Epsteins gewusst und auch keinen Kontakt mehr. Ein Sprecher gab aber an, dass Clinton Epsteins Privatjet mehrfach in Zusammenhang mit der Arbeit für seine Stiftung verwendet hatte.

Jeffrey Epstein 2008 vor einem Gericht in West Palm Beach (US-Bundesstaat Florida)
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Ende Juli verweigerte ein Gericht Epsteins Freilassung auf Kaution

Auch Trump distanzierte sich wie etwa Clinton von Epstein. Er habe vor langer Zeit ein Zerwürfnis mit ihm gehabt und sei kein Fan von ihm gewesen. In einem Interview mit dem „New York Magazine“ beschrieb er Epstein dagegen im Jahr 2002 als „großartigen Mann“. Damals sagte der noch nicht politisch aktive Immobilienmogul: „Es wird sogar erzählt, dass er schöne Frauen genauso mag wie ich. Und viele von denen sind eher von der jüngeren Sorte.“

Teil der Geschäftsaktivitäten im Dunkeln

Der 1953 in New York geborene Epstein hat sein Vermögen vor allem als Investmentbanker gemacht. So soll er das Geld von einer Reihe von Milliardären verwaltet haben. Ein Teil seiner Geschäftsaktivitäten bleibt jedoch im Dunkeln, wie US-Medien berichten.

Nach dem Selbstmord Epsteins will auch New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio die Aufklärung des Missbrauchsskandals weiter vorantreiben. „Jeffrey Epstein mag seinem Tag vor Gericht entkommen sein, aber wenn die wohlhabenden Raubtiere, die an seinem Sexring beteiligt waren, glauben, dass sie gerade davongekommen sind, liegen sie falsch“, schrieb de Blasio am Samstag auf Twitter. Er versprach den Opfern Gerechtigkeit.

Justizministerium: „Ernste Fragen“ zu Todesumständen

US-Justizminister William Barr ordnete nun am Samstag eine Untersuchung der Todesumstände Epsteins an. In einer Mitteilung Barrs hieß es am Samstag, er sei entsetzt darüber, dass Epstein nach einem „offenkundigen Suizid“ in seiner Zelle in einem Bundesgefängnis in New York leblos aufgefunden wurde.

Anmerkung der Redaktion

ORF.at gestaltet die Berichterstattung über Suizide bewusst zurückhaltend und verzichtet, wo es möglich ist, auf Details. Wenn Sie sich selbst von Suizidgedanken betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge unter der kostenlosen Nummer 142.

Dem Justizminister zufolge werfe Epsteins Tod „ernste Fragen auf, die beantwortet werden müssen“. Aus diesem Grund habe er zusätzlich zu den Ermittlungen der Bundespolizei (FBI) eine interne Untersuchung des Ministeriums in die Wege geleitet.

Die „New York Times“ („NYT“) berichtete unter Berufung auf einen Gefängnisvertreter, Epstein sei in der Haftanstalt zwar in einer besonderen Einheit mit strengeren Sicherheitsvorkehrungen untergebracht gewesen. Er habe aber nicht wegen möglicher Suizidgefahr unter besonderer Beobachtung gestanden. Epstein war der Zeitung zufolge bereits im vergangenen Monat mit Markierungen am Hals bewusstlos in seiner Zelle aufgefunden worden. Die „NYT“ berichtete, Gefängnisbehörden hätten schon damals wegen des Verdachts eines möglichen Selbstmordversuches ermittelt.

Um 6.30 Uhr leblos in Zelle aufgefunden

Der 66-Jährige wurde am Samstag gegen 6.30 Uhr Ortszeit (12.30 Uhr MESZ) von Mitarbeitern leblos in seiner Zelle aufgefunden und in ein Krankenhaus gebracht, wie das Metropolitan Correctional Center im New Yorker Stadtteil Manhattan mitteilte. Dort sei er schließlich für tot erklärt worden.

Das Bundesgefängnis untersteht dem US-Justizministerium und gilt als eines der sichersten der USA. Der berüchtigte mexikanische Drogenbaron Joaquin „El Chapo“ Guzman hatte dort zwei Jahre verbracht, bevor er im vergangenen Monat in ein Hochsicherheitsgefängnis in Colorado verlegt wurde.

Keine Kaution, weil „Gefahr für andere“

Der Skandal um den Unternehmer bot seit seiner Festnahme Anfang Juli reichlich Zündstoff: Die Staatsanwaltschaft in New York warf dem 66-Jährigen vor, Dutzende minderjährige Mädchen missbraucht zu haben. Der Geschäftsmann habe zwischen 2002 und 2005 in New York und Florida einen illegalen Sexhandelsring aufgebaut, hieß es in der Anklageschrift. Einige Mädchen seien erst 14 Jahre alt gewesen und mit großen Summen Bargeld angelockt und dazu verleitet worden, weitere Mädchen heranzuschaffen.

Nach der Festnahme entschied ein Richter in Manhattan, dass Epstein bis zum Beginn seines Prozesses im Gefängnis bleiben muss, weil er eine „Gefahr für andere und die Gemeinschaft“ sei. Die Staatsanwaltschaft hatte vorher ins Feld geführt, die Fluchtgefahr sei sehr hoch. Epsteins Verteidigung hatte dagegen gefordert, den Unternehmer für eine hohe Kaution im zweistelligen Millionenbereich in seinem Anwesen nahe dem Central Park in Manhattan unter Hausarrest zu stellen.

Causa Epstein kostete US-Arbeitsminister das Amt

Die Ermittler berichteten, sie hätten bei Durchsuchungen in Epsteins Anwesen in Manhattan Hunderte Nacktbilder gefunden. Epstein wies die Vorwürfe zurück und plädierte auf nicht schuldig. Der Termin für den Prozessbeginn wurde vorläufig auf den 8. Juni 2020 festgelegt. Im Falle einer Verurteilung hätten ihm bis zu 45 Jahre Haft gedroht.

Im Zuge des Missbrauchsskandals war vergangenen Monat US-Arbeitsminister Alex Acosta zurückgetreten. Er hatte als Staatsanwalt vor mehr als zehn Jahren eine außergerichtliche Einigung mit Epstein mit ausgehandelt, die diesem im Gegenzug für ein Geständnis ein Verfahren an einem Bundesgericht ersparte. Der Investmentbanker erhielt lediglich eine 18-monatige Haftstrafe und kam nach Ablauf von 13 Monaten frei. Ein Verfahren vor einem Bundesgericht blieb ihm erspart.