Kanadischer Ministerpräsident Justin Trudeau
AP/The Canadian Press/Chad Hipolito
330 Euro

Ministrafe in Kanadas Staatsaffäre

Eine Affäre um mögliche Einflussnahme auf die Justiz beschäftigt Kanada seit Monaten. Ministerpräsident Justin Trudeau steht unter Verdacht, für ein Unternehmen interveniert zu haben, und folglich politisch stark unter Druck. Am Mittwoch (Ortszeit) musste er nach einer Rüge aus dem Parlament Fehler einräumen. Ansonsten endet die Causa vorerst eher glimpflich: mit umgerechnet 330 Euro Strafe.

Etwa zwei Monate vor der nächsten Wahl in Kanada hat auch die Ethikkommission des Parlaments die Vorwürfe gegen den Premierminister bekräftigt. Das Gremium warf ihm am Mittwoch vor, in der Affäre rund um den Baukonzern SNC-Lavalin Einfluss auf die Ermittlungen genommen zu haben. Trudeau erklärte daraufhin, er übernehme die Verantwortung für seine „Fehler“.

Trudeau und politische Vertraute hätten seinerzeit auf unzulässige Weise Druck auf die ehemalige Justizministerin Jody Wilson-Raybould ausgeübt, um SNC-Lavalin vor Strafverfolgung zu schützen, so das Gremium. Trudeau wurde wegen eines Verstoßes gegen das Gesetz zum Umgang mit Interessenkonflikten mit einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet rund 330 Euro belegt. Politisch könnte ihn und seine liberale Partei der Skandal allerdings teurer zu stehen kommen und ihm im Wahlkampf mit den Konservativen einen weiteren Dämpfer verpassen.

Skandal löste Regierungskrise aus

Trudeau erklärte, auch wenn er „mit einigen Schlussfolgerungen nicht einverstanden“ sei, akzeptiere er den Bericht der Parlamentskommission „vollständig“. Er werde sicherstellen, „dass ein solches Fehlverhalten nie wieder vorkommt“.

Der Skandal um den Baukonzern hatte Trudeaus Regierung im Frühjahr in eine Krise gestürzt. Justizministerin Wilson-Raybould, Haushaltsministerin Jane Philpott und zwei ranghohe Parteivertreter aus Trudeaus Umfeld traten zurück.

Spekulationen nach Rücktritt

Wilson-Raybould berichtete später, sie sei von Regierungsvertretern dazu gedrängt worden, die Staatsanwaltschaft von einer außergerichtlichen Einigung zu überzeugen. Die Ministerin widersetzte sich allerdings entsprechenden Forderungen.

Zuvor hatte der Rücktritt Wilson-Rayboulds, die von 2015 bis zum Jänner Generalstaatsanwältin und Justiz-, zuletzt Veteranenministerin gewesen war, Spekulationen ausgelöst. Sie hatte ihren Abschied aus dem Amt „mit schwerem Herzen“ bekanntgegeben, aber nicht wirklich begründet. Es tauchte rasch die Frage nach einem möglichen Zusammenhang mit der alten Korruptionscausa auf.

Bestechungsvorwürfe aus Zeit Gaddafis in Libyen

SNC-Lavalin, spezialisiert auf Industrie- und Anlagenbau, wird vorgeworfen, in Libyen – noch unter dem Regime des 2011 getöteten Machthabers Muammar al-Gaddafi – von 2001 weg Staatsbeamte bestochen zu haben, um an Aufträge zu gelangen. Trudeaus Büro soll sich für einen möglichst schonenden Ausgang eines laufenden Verfahrens gegen die Baufirma ausgesprochen haben, lautete der mehrfach kolportierte Vorwurf in kanadischen Medien.

SNC-Lavalin mit Hauptsitz in Montreal beschäftigt weltweit an die 50.000 Menschen. 2015 wurde gegen den Konzern Anklage wegen Bestechung und Betrugs erhoben. Dabei soll es um zig Millionen kanadische Dollar gegangen sein. Später soll in Trudeaus Büro dafür lobbyiert worden sein, die Causa mit einem Bußgeld und neuen Compliance-Regeln gegen unsaubere Geschäfte auf sich beruhen zu lassen.

Angst um viele Arbeitsplätze

Ein zentrales Argument habe dabei gelautet, eine Verurteilung vor Gericht könne dem Unternehmen, das vor allem sehr große Bauprojekte umsetzt, wirtschaftlich schaden und so unzählige Arbeitsplätze in Gefahr bringen. Die Vorwürfe sind nicht die ersten gegen den Baukonzern, dieser hatte bereits mehrfach mit Gerichten zu tun.

Trudeau hatte laut Medienberichten schon vor Monaten eingeräumt, dass die Causa SNC-Lavalin Thema in seinem Kabinett gewesen sei. Die Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg zitierte ihn damals mit den Worten, die Regierung nehme ihre Verantwortung für Arbeitsplätze sehr ernst, und der Konzern biete viele Arbeitsplätze. Allerdings achte man dabei das Gesetz und die Unabhängigkeit der Justiz.