Auszüge aus einem anonymen Schreiben
ORF.at
Causa Casinos Austria

Anonyme Anzeige sorgt weiter für Debatte

Das bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) laufende Verfahren in Sachen Postenbesetzung bei den Casinos Austria sorgt weiter für Gesprächsstoff. Dazu trug am Montag auch wieder jenes anonyme Schreiben bei, welches die Causa überhaupt ins Rollen gebracht haben soll.

Während die WKStA zu besagtem Schriftstück, das auch Grundlage für die Hausdurchsuchungen etwa bei Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gewesen sein soll, weiter keinen Kommentar gibt, stellte die Plattform EU-Infothek am Montag nun die „Sachverhaltsdarstellung bzgl. der Bestellung des Finanz-Vorstandes der Casinos Austria AG“ als PDF ins Netz.

In dem an die WKStA gerichteten und laut EU-Infothek wegen des nicht deutlich lesbaren Eingangsstempel entweder mit 21. oder 31. Mai 2019 datierten Schreiben wird über angebliche Regierungsabsprachen der Postenbesetzung gemutmaßt. „Der Bundespräsident hat jüngst von einem ‚verstörenden Sittenbild‘ in der Politik gesprochen. Dies ist die Veranlassung Ihnen einen Sachverhalt zu übermitteln, welcher diese Charakterisierung im staatsnahen Bereich verdeutlicht“, heißt es dazu gleich zu Beginn des Schreibens.

„Nachwuchstalent“ und „kleineres Übel“

In diesem werden auch die Namen des ehemaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz und von Ex-Finanzminister Hartwig Löger (beide ÖVP) genannt, die über die Bestellung von Peter Sidlo zum Casinos-Austria-Finanzdirektor informiert gewesen sein sollen. Strafrechtlich relevante Vorwürfe gegen die ÖVP-Politiker gibt es darin augenscheinlich aber keine. Ermittlungen sind derzeit nur gegen freiheitliche Politiker bekannt.

Der als „eng mit (Ex-FPÖ-Klubobmann, Anm.) Johann Gudenus befreundet“ bezeichnete Sidlo sei, wie es in dem Schreiben weiter heißt „in FPÖ-nahen Bereichen tätig und wird FPÖ-intern als ‚Nachwuchstalent‘ gesehen“. Aufgrund mangelnder Qualifikation hätte es Sidlo nach Einschätzung eines Personalberaters „im Rahmen einer regulären Suche nicht einmal in den erweiterten Kandidatenkreis geschafft“.

Wie aus dem Dokument weiter hervorgeht, wurde diese Beurteilung dem Aufsichtsrat offenbar aber vorenthalten und Sidlo in Folge dennoch zum Finanzdirektor bestellt. Hinter der Vorgangsweise liege nach Angaben des Ö1-Mittagsjournals die koalitionsinterne Zusage, „beide Regierungsfarben im neuen Casinos-Vorstand unbedingt durchzusetzen“ – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Casinos-Austria-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner „rechtfertige sein Handeln, dass ‚Sidlos Bestellung für das Unternehmen das kleinere Übel wäre‘“, heißt es dazu in dem von EU-Infothek veröffentlichten Schreiben. „Im privaten Kreis“ habe Rothensteiner allerdings frustriert angegeben, „dass er die Wahl zwischen zwei Alternativen habe: entweder Sidlo aus politischer Räson ‚durchzudrücken‘ oder als Aufsichtsratspräsident zurückzutreten“.

Straches Anwalt kündigt Einspruch an

Da hinter der Hausdurchsuchung bei seinem Mandanten nur eine anonyme Anzeige steht, verweist Straches Anwalt den Ö1-Angaben zufolge auf bereits im Raum stehende rechtliche Mittel – konkret sei demnach Einspruch gegen die Hausdurchsuchung geplant.

Die in der Causa aktiven Ermittler wehren sich indes gegen Angriffe vonseiten der Politik. Die WKStA habe vielmehr den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, Anzeigen auf ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfen und bei Vorliegen des Verdachts einer Straftat den Sachverhalt aufzuklären, hieß es dazu am Montag in einer Aussendung.

Beratungen über weitere Schritte

Zuvor hatten sich Vertreter der Oberstaatsanwaltschaft Wien (OStA), des Bundeskriminalamts, der WKStA und der Oberstaatsanwaltschaft Wien zu einer Dienstbesprechung getroffen. Gegenstand war das weitere Vorgehen in der Datenforensik hinsichtlich der im Zuge der Hausdurchsuchung sichergestellten Daten. Demnach wird die Datensicherung zunächst vom Bundeskriminalamt abgeschlossen, in weiterer Folge werden die Daten in Abstimmung mit der WKStA ausgewertet.

„Die bisherige Verfahrensführung zeigt, dass das Bundeskriminalamt und die WKStA diese Aufgabe gründlich und gewissenhaft erfüllen“, konterten die Staatsanwälte jüngste Angriffe. Und weiter: „Die öffentlich vereinzelt geäußerte Unterstellung eines willkürlichen und unobjektiven Handelns entbehrt jeder Grundlage und wird von der Oberstaatsanwaltschaft Wien entschieden zurückgewiesen.“

Richterchefin widerspricht Strache

Eine Hausdurchsuchung sei „nie ein Akt der Willkür“, sagte dazu auch die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, am Sonntagabend in der ZIB2. Jede Hausdurchsuchung beruhe auf einer richterlichen Bewilligung, „das kann man nicht als Unrecht bezeichnen“. Die Staatsanwaltschaft sei per Gesetz verpflichtet, „in alle Richtungen gleichmäßig zu agieren und zu untersuchen, das ist ihr gesetzlicher Auftrag. Und dem muss sie auch nachkommen“, so Matejka zu Straches zuvor geäußertem Vorwurf, dass es sich bei der Hausdurchsuchung um einen „Akt der Willkür des Unrechts“ gehandelt habe.

Matejka über das Agieren der Justiz

Sabine Matejka erläutert die Vorgehensweise der Justiz sowohl gegen Ex-Vizekanzler Strache (FPÖ) nach einer anonymen Anzeige als auch gegen die ÖVP.

FPÖ befürchtet „Datenleaks“

FPÖ-Sicherheitssprecher Hans-Jörg Jenewein kritisierte am Montag unterdessen per Aussendung, dass sich „im tagelangen Machtkampf rund um die Auswertung der Handydaten des zurückgetretenen Vizekanzlers HC Strache" nun das „ÖVP-nah besetze Bundeskriminalamt“ durchgesetzt habe. Jenewein befürchtet in diesem Zusammenhang nun eine „politisch motivierte Datenstöberei“ – gleichzeitig äußerte der FPÖ-Sicherheitssprecher die Befürchtung, „dass Datenleaks in Medien auftauchen und der Dirty-Campaigning-Wahlkampf weiter befeuert wird“.