Eine Krankenschwester in einem Spital
APA/Helmut Fohringer
Fachleute warnen

Spitalsausgaben vor rasantem Anstieg

Die Ausgaben für die österreichischen Spitäler dürften sich von 2017 bis 2030 von 12,8 Mrd. Euro auf 24,6 Mrd. Euro fast verdoppeln. Das stellten die Wiener Gesundheitsökonomen Maria Hofmarcher und Christopher Singhuber in einem neuen Projektbericht mit Unterstützung von Philips Austria fest, den sie am Dienstag bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen vorstellten.

Die Aufwendungen für den stationären Bereich werden damit von 1.452 Euro pro Kopf auf 2.780 Euro pro Kopf im Jahr 2030 steigen. Real bedeutet das ein Wachstum von 2,2 Prozent pro Jahr, was deutlich über dem erwarteten Wachstum der Wirtschaftsleistung bis 2030 liegt. „Man rechnet mit plus 1,2 Prozent jährlich. Die Prognose zeigt klar, dass dem Gesundheitssystem eine große Dynamik zugrunde liegt. Und sie zeigt, dass es Optimierungsbedarf gibt“, erklärte Maria Hofmarcher gegenüber der APA.

Der Hintergrund: Österreich liegt mit 7,4 Spitalsbetten pro 1.000 Einwohner (2016) im europäischen Vergleich nach Deutschland (8,1) an zweiter Stelle (OECD-Bericht „Health at a Glance“, 2018). In der EU-28-Liste sind es im Durchschnitt 5,1 Spitalsbetten pro 1.000 Einwohner, in Schweden beispielsweise nur 2,3 je 1.000 Einwohner.

Krankenhäuser und Pflegeheime bleiben dominant

Hinsichtlich Spitalsentlassungen war Bulgarien Spitzenreiter mit 317 pro 1.000 Einwohner und Jahr. Dann folgte schon Deutschland (257) und Österreich an dritter Stelle (253). Im EU-28-Durchschnitt sind es 172 Krankenhausentlassungen pro 1.000 Einwohner, die Niederlande waren Schlusslicht mit nur 97.

Wie es aussieht, wird sich an der grundlegenden Situation in Österreich in der nächsten Zukunft nichts ändern. Laut dem Report „Leistungskraft regionaler Gesundheitssysteme – Krankenanstalten im Bundesländervergleich“, den die Autoren im Rahmen von „HealthSystemIntelligence“ verfasst haben, bleiben Krankenhaus und stationäre Pflegeeinrichtungen die bestimmenden Faktoren im österreichischen Gesundheitswesen. In Österreich wurden 2017 laut dem Bericht 46 Prozent der öffentlichen Gesundheitsausgaben für Krankenhäuser und stationäre Pflege ausgegeben und 24 Prozent für die ambulante Versorgung.

Ausgaben pro Kopf nach Bundesländern – Balkengrafik; Aushaben für Spitaler
Grafik: APA/ORF.at, Quelle: Health System Intelligence

Leichte Unterschiede in den Bundesländern

Im Burgenland waren es laut Schätzung in der Studie 43 Prozent für den stationären Sektor und 23 Prozent für ambulante Versorgung, in Kärnten 46 bzw. 24 Prozent, in Niederösterreich 45 bzw. 24 Prozent. In Oberösterreich lag der Anteil der Ausgaben für stationäre Versorgung bei 47 Prozent (ambulant: 23 Prozent), in Salzburg bei 43 bzw. 25 Prozent, in der Steiermark bei 44 bzw. 24 Prozent. Tirol hatte Aufwendungen für den stationären Sektor von 42 Prozent (ambulant: 25 Prozent). In Vorarlberg lagen die Anteile bei 48 bzw. 23 Prozent und in Wien bei 49 bzw. 23 Prozent. Die Reste auf die Gesamtausgaben machten häusliche Gesundheitsversorgung, medizinische Güter und andere Aufwendungen aus.

Laut den Daten, die Österreich an die EU gemeldet hat, ist der Anteil der Aufwendungen für die Spitäler in Österreich an den gesamten Gesundheitsausgaben von 38,4 Prozent im Jahr 2007 auf 38,5 Prozent im Jahr 2017 minimal gestiegen. Hingegen nahmen die Aufwendungen für die ambulante Versorgung von einem Anteil von 23,1 auf 22,8 Prozent ab.

Der vermutete Anstieg im Detail

Die Aufwendungen für die Krankenanstalten dürften in allen Bundesländern weiterhin deutlich steigen, von 2025 bis 2030 eher noch stärker als davor. In Kärnten von 833 Mio. Euro (2015) auf 1,633 Mrd. Euro im Jahr 2030, in Vorarlberg von 541 Mio. Euro auf 1,119 Mrd. Euro und in Tirol von 887 Mio. Euro auf 1,857 Mrd. Euro. In der Steiermark werden sich die Aufwendungen von 1,619 Mrd. Euro auf 3,213 Mrd. Euro erhöhen, in Salzburg vom Basiswert 717 Mio. (2015) auf 1,461 Mrd. Euro.

In Oberösterreich dürften die Ausgaben für die Krankenhäuser von 2,017 Mrd. Euro auf 4,040 Mrd. Euro steigen, in Niederösterreich von 2,353 Mrd. Euro auf 4,749 Mrd. Euro und im Burgenland von 392 Mio. auf 828 Mio. Euro. Der Finanzbedarf für die Krankenhäuser in der Bundeshauptstadt Wien lag im Jahr 2015 bei 2,717 Mrd. Euro. 2030 dürften es 5,3 Mrd. Euro sein.

Fachleute plädieren für Umbau der Finanzierung

„Österreichweit sind zwischen 2001 und 2017 stationäre Aufnahmen in Fondskrankenanstalten leicht zurückgegangen, tagesklinische Versorgungen haben sich hingegen verdoppelt. Ein großer Teil des medizinischen Fachpersonals versorgt heutzutage tagesklinische Patienten“, heißt es in der Studie weiter. Durch die sinkende Behandlungsdauer und eine im Europavergleich hohe Anzahl an stationären Aufnahmen stiegen sowohl der Arbeitsdruck als auch die Produktivität, stellten die Experten fest. Weniger Personal bewältige mehr Versorgungsaufgaben in den Krankenanstalten. Insgesamt sei in der Gesundheitspolitik der Umbau der Finanzierung mit mehr Transparenz wichtiger als der Umbau der „Kassenlandschaft“.

Für geplante Aufnahmen ins Krankenhaus gibt es in Österreich je nach Bundesland laut den Autoren nicht wirklich erklärbare unterschiedlich lange Wartezeiten: Im Durchschnitt waren es im Jahr 2015 etwa 23 Tage. Im Burgenland wartete man 24 Tage, in Kärnten 18 Tage, in Niederösterreich 24 Tage, in Oberösterreich 23 Tage, in Salzburg 19 Tage und in der Steiermark 22 Tage. Tiroler Patienten mussten sich 20 Tage gedulden, Vorarlberger 23 Tage und Wiener Patienten 27 Tage.

Hauptverband erwartet heuer 80 Mio. Euro Defizit

Die Krankenkassen selbst erwarten laut dem Hauptverband für heuer ein Defizit von 80 Mio. Euro. Entgegen den bisherigen Entwicklungen hat sich die Zahl gegenüber der letzten Prognose im Mai damit nur um drei Mio. verbessert, wie letzte Woche bekanntwurde. Hauptverband-Chef Alexander Biach führt das vor allem darauf zurück, dass die Spitalskosten trotz Investitionen in den niedergelassenen Bereich steigen.

Zu befürchten ist, dass es bei den 80 Mio. Euro Defizit nicht bleiben wird, weil die Fusionskosten für die Sozialversicherungsanstalten nur teilweise mitberücksichtigt wurden. Eingerechnet sind jene der gewerblichen Wirtschaft (SVA) und der Bauern (SVB), die zur Selbstständigenversicherung SVS zusammengeführt werden. Für die SVA fallen sieben und für die SVB drei Mio. Euro an.

Kosten für Kassenfusion noch unklar

Noch nicht enthalten sind die Fusionskosten der neun Gebietskrankenkassen, die zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) zusammengeschlossen werden, weil die Überleitungsgremien erst das Budget beschließen müssen. Wie die Fusionskosten das Budget für die kommenden Jahre beeinflussen werden, ist noch unklar. Dem Vernehmen nach könnte das Defizit 2020 und 2021 deutlich steigen, eine Bestätigung dafür gibt es seitens des Hauptverbandes aber nicht.

Als Hauptgrund für die kaum gesunkene Defiziterwartung machte Biach aus, dass die Spitalskosten trotz Investitionen in den niedergelassenen Bereich weiter relativ stark steigen. Heuer werden sie knapp 5,2 Mrd. Euro ausmachen, fast 250 Mio. mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig wachsen aber auch die Ausgaben für die ärztlichen Hilfen im niedergelassenen Bereich um 232 Mio. auf 4,9 Mrd. Euro, die vor allem auf bessere Leistungen der Kassen im Zuge der Harmonisierungen und neue Verträge mit Ärzten zurückzuführen seien. Ohne geeignete Gegenmaßnahmen werde „das Fass bald überlaufen“, warnte der Hauptverband-Chef.