Zwei Personen streiten in der Arbeit
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Studie

Warum sich Fluchen im Job bezahlt macht

„Fluch der Karibik, des Pharaos und so weiter kennt man ja aus dem Kino. Der andere Fluch ist der, den man selbst (nicht) ausstößt“, heißt es im Elmayer-Benimmbuch. Dennoch kennt jeder wahrscheinlich mindestens einen Kollegen, der sich nicht daran hält. Studien legen nahe, dass dieser nicht nur trotz, sondern gerade deswegen erfolgreich werden kann. Denn Fluchen kann sich im Job durchaus bezahlt machen.

Fluchen gilt gemeinhin als verpönt, zeugt es doch von mangelnder Selbstbeherrschung, Respektlosigkeit und schlechten Manieren. Bereits kleine Kinder bekommen eingeflößt, was sie sagen dürfen und was nicht. Doch im Leben gibt es nun einmal Situationen, in denen sich ein „böses“ Wort kaum vermeiden lässt. Während sich einige im letzten Moment noch auf die Zunge beißen und es bei vielen oft einfach unabsichtlich „rausrutscht“, scheinen andere gar keine Hemmungen zu haben, selbst wildeste Flüche lautstark kundzutun – unabhängig davon, ob sie sich gerade auf der Baustelle oder im Büro befinden.

Wer flucht, so ist sich die Wissenschaft einig, erscheint nicht nur ehrlicher, sondern auch glaubwürdiger und überzeugender. Eigenschaften, die vor allem im Berufsleben geschätzt werden. Dennoch darf der Kontext nicht außer Acht gelassen werden: „Ein böses Wort gegenüber einem Drucker mit Papierstau ist akzeptabler als eines gegenüber dem Chef“, schreibt etwa die „Financial Times“ („FT“).

„Soziales Fluchen“ gut für den Teamgeist

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Hunderte wissenschaftliche Forschungsarbeiten zum Thema Fluchen veröffentlicht. Jüngere Studien gehen davon aus, dass Schimpfen bei der Arbeit zunehme, vor allem bei Millennials, so die US-Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg News. Während bei den vorhergehenden Generationen nur 58 Prozent der Befragten angaben, während der Arbeitszeit zu fluchen, waren es bei den Millennials rund zwei Drittel.

Einer älteren Studie zufolge kann Fluchen Angestellten helfen, Gefühle besser zu kommunizieren und Solidarität mit Kolleginnen und Kollegen auszudrücken. Dadurch entstehen stärkere zwischenmenschliche Beziehungen, die sich wiederum positiv auf den Teamgeist auswirken können. Wenn das der Fall ist, spricht man von „sozialem Fluchen“. Dem steht das „genervte Fluchen“ gegenüber, durch das lediglich Stress und Spannungen abgebaut werden.

Kraftausdrücke rufen stärkere Emotionen hervor

Fluchen habe, so schreibt die britische Nachrichtenplattform Independent, vor allem einen besonderen Vorteil: „Das Gesagte kommt bei den Zuhörern besser an, da es mehr Emotionen hervorruft.“ Durch Kraftausdrücke könne man die Intensität der eigenen Aussagen erhöhen, ohne dabei an Glaubwürdigkeit einzubüßen. Schließlich werden Schimpfwörter im Gegensatz zu „normalen“ Begriffen in jenem Bereich des Gehirns abgespeichert, in dem auch Emotionen gespeichert werden.

Eine Studie britischer Psychologen zeigte 2017 zudem, dass Fluchen auch körperlich stärker machen kann: Es macht Menschen maßloser und lässt sie etwa nicht über die Folgen einer körperlichen Überanstrengung nachdenken – mehr dazu in science.ORF.at.

Eine Frage der Etikette

Der Grund, warum wir dennoch nicht andauernd fluchen, sei, dass es eine bestimmte Etikette in der Gesellschaft gebe. Diese würde sich mit der Zeit zwar ändern, bleibe aber immer gegenwärtig. Deshalb werde auch die Frage, ob Schimpfwörter im Büro gutgeheißen werden können, von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen „ausnahmslos“ verneint, so die „FT“.

Doch nicht nur die Arbeitnehmenden, sondern vor allem auch Vorgesetzte scheinen Probleme zu haben, sich an die Etikette zu halten, und werden öfter einmal ausfällig. Laut einer von Bloomberg in Auftrag gegebenen Studie gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen der Auftragslage im Unternehmen und den Schimpftiraden der Chefs: Je schlechter es der Wirtschaft geht, desto schlimmer schimpfen CEOs. So stieg etwa nach der Rezession im Jahr 2009 die Zahl der Flüche und Kraftausdrücke spürbar.

„Fluchtwort“ statt Fluchwort

Dennoch sollte man im Job darauf achten, nicht völlig die Contenance zu verlieren, so der Tenor von Karriereratgebern. Denn das könne schnell heikel werden: „Jähzornige Mitarbeiter leben gefährlich: Wer wiederholt herumschreit, Türen schlägt oder gar Büroutensilien beschädigt, kann dafür abgemahnt oder gar gekündigt werden“, schreibt etwa die deutsche Onlineplattform Karrierebibel und gibt zugleich Tipps, seinem Ärger kontrolliert Luft zu machen: vom Klassikern wie „tief durchatmen“ und „Situation in Ruhe analysieren“ bis hin zu einer Liste eher ungewöhnlicher Ersatz-Kraftausdrücke wie „Sack Zement“.

Ähnliches ist auch im „Elmayer“ zu lesen: „Sollten Sie in die prekäre Situation geraten, einmal einen Fluch über Ihre Lippen kommen zu spüren, und ist dieser Fluch zum Beispiel ein Wort, das wie ein Schimpfwort beginnt, so ist Ihr Fluchtwort, nachdem die ersten drei Buchstaben Sch schon zu laut über Ihre Lippen gerutscht sind, zum Beispiel ‚Schade‘.“

Schimpfkultur in Wien, Verbot auf Karibik-Insel

Doch was die Schimpfwörter betrifft, setzt man zumindest in Wien auf Altbewährtes: Deutlich am häufigsten werden Klassiker wie „Arschloch“, „Trottel“ und „Idiot“ (in dieser Reihenfolge) gebraucht, sagte die Germanistin Oksana Havryliv, die sich seit 2006 mit der Wiener Schimpfkultur beschäftigt. Am häufigsten wird geflucht, nicht um zu beleidigen, sondern einfach um eigene negative Emotionen loszuwerden.

In anderen Ländern der Welt herrscht jedoch keine so rigorose Schimpfkultur wie hierzulande. In vielen Teilen ist Fluchen sogar strafbar. So musste etwa der US-Rapper 50 Cent einmal laut dem Musikmagazin „Rolling Stone“ („RS“) bei einem Auftritt auf der Karibik-Insel St. Kitts über 1.000 Dollar Strafe zahlen, weil er auf der Bühne „Motherfucker“ sagte. Doch Worte wie diese dürften dem Rapper zumindest zum beruflichen Erfolg verholfen haben.