„Open Arms“
AP/Salvatore Cavalli
Justizbeschluss

‚Open Arms‘ legte in Lampedusa an

Der Streit um das Rettungsschiff „Open Arms“ hat am Dienstag eine überraschende Wende genommen. Die italienische Justiz ordnete am Abend die Beschlagnahmung des vor der Insel Lampedusa liegenden Schiffes an. Die knapp hundert aus Seenot geretteten Migranten wurden noch in der Nacht an Land gebracht.

Auf Bildern war zu sehen, wie das Schiff der spanischen Hilfsorganisation Proactiva Open Arms in der Nacht zu Mittwoch im Hafen der italienischen Insel Lampedusa ankam. Nach 19 Tagen „in Gefangenschaft auf dem Deck eines Schiffes“ dürften nun alle 83 Migranten an Bord an Land, twitterte Proactiva Open Arms und zeigte in einem Video jubelnde Menschen.

Der Beschluss wurde zuvor nach einer Inspektion des sizilianischen Staatsanwalts Luigi Patronaggio an Bord des Schiffes gefasst. Patronaggio sprach von einer „explosiven Situation“ an Bord des Schiffes. Es sei wichtig, die Sicherheit aller Personen an Bord des Schiffes zu garantieren. Der Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, bezeichnete die „Open Arms“ als „schwimmendes Konzentrationslager“.

Die sizilianische Justiz hatte aufgrund einer Anzeige der spanischen Hilfsorganisation Proactiva Open Arms, Betreiberin der „Open Arms“, eine Untersuchung eingeleitet. Nach fast drei Wochen auf See waren 17 Migranten am Dienstag ins Meer gesprungen, um bis zu der einige hundert Meter entfernt liegenden, italienischen Insel Lampedusa zu schwimmen.

„Situation hat Limit erreicht“

Alle seien nach Lampedusa gebracht worden, schrieb Proactiva. Ihr Fazit: „An Bord hat die Situation ihr Limit erreicht.“ An Land seien die Menschen umgehend von Ärzten betreut worden, berichtete die italienische Nachrichtenagentur ANSA. Bereits am Wochenende hatten sich mehrere Migranten ins Meer gestürzt, sie waren aber zurück aufs Schiff gebracht worden. Am Nachmittag wurden zudem zwei weitere Menschen mit gesundheitlichen Problemen von Bord gebracht, wie Medien berichteten.

Italiens Innenminister Matteo Salvini reagierte empört auf den Gerichtsbeschluss und beklagte eine Strategie, um die Häfen seines Landes wieder zu öffnen. Er erwarte auch eine Klage wegen Amtsmissbrauchs, weil er – wie schon in früheren Fällen von Rettungsschiffen – eine Genehmigung für ein Einlaufen der „Open Arms“ verweigerte. Er warf der sizilianischen Justiz vor, gegen den Willen der Regierung zu handeln, die den privaten Rettungsschiffen die italienischen Häfen versperrt habe.

Spaniens Alternative abgelehnt

Während Salvini im Streit um die „Open Arms“ nicht nachgeben wollte, hatte sich die spanische Regierung eigenen Angaben zufolge bereit erklärt, ein Marineschiff zum Rettungsschiff mit mehr als 80 Migranten an Bord zu schicken. Danach sollten die Asylsuchenden nach Palma de Mallorca gebracht werden. Die Regierung in Madrid halte dies für die „angemessenste Lösung“, hieß es. Die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles hatte bereits in der Früh eine Lösung in den „nächsten Stunden“ in Aussicht gestellt. Angesichts der humanitären Notlage an Bord dürfe niemand wegschauen.

Migrant, der von der „Open Arms“ sprang
Reuters/Guglielmo Mangiapane
Mehrere Menschen wurden gerettet, nachdem sie von Bord gesprungen waren

Noch unklar ist, ob die Migranten nach Eintreffen auf Lampedusa in Europa umverteilt werden sollen. Sechs EU-Länder hatten sich in den vergangenen Tagen zur Aufnahme der „Open Arms“-Migranten bereit erklärt. Auch die EU-Kommission hatte am Dienstag Druck auf die EU-Mitgliedsstaaten für eine Lösung im Fall der „Open Arms“ ausgeübt: „Wir rufen alle EU-Mitgliedsstaaten und NGOs zur Zusammenarbeit auf, um den Migranten so rasch wie möglich die Landung zu ermöglichen“, so EU-Kommissionssprecherin Natasha Bertaud.

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen meldete unterdessen den Untergang eines Flüchtlingsbootes vor der libyschen Küste. „Wir haben alle Gründe, das Schlimmste zu fürchten – dass über hundert Leben verloren wurden und niemand es je genau wissen wird“, twitterte die Organisation.